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Brasilien

Bolsonaro bricht Schweigen nach der Wahlniederlage – er will «die Verfassung respektieren»

Erst hüllt er sich tagelang in Schweigen, dann ringt er sich nur zu einer halbherzigen Erklärung durch. Der abgewählte Staatschef erkennt den Sieg seiner Herausforderers Lula zwar nicht an, will dem Regierungswechsel aber zumindest nicht im Wege stehen.

Jair Bolsonaro wendet sich nach seiner Wahlniederlage erstmals an die Öffentlichkeit.
Bild: Keystone

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt zwei Tage nach der Wahl in Brasilien hat der rechte Präsident Jair Bolsonaro seine Niederlage nicht ausdrücklich anerkannt. «Ich möchte mich bei den 58 Millionen Brasilianern bedanken, die mich am 30. Oktober gewählt haben», sagte Bolsonaro am Dienstag in einer kurzen Erklärung in seiner Residenz in Brasília. «Als Präsident und Bürger werde ich weiter alle Anforderungen unserer Verfassung erfüllen.»

Sein Kabinettschef Ciro Nogueira sagte allerdings, Bolsonaro habe ihn autorisiert, den Prozess zur Machtübergabe gemäss der gesetzlichen Regelung einzuleiten. Die sogenannte Transition ist allerdings ohnehin gesetzlich geregelt, einer Zustimmung der scheidenden Regierung bedarf es nicht.

Medienberichten zufolge hatte er zuletzt bereits mit Lulas Kommunikationschef Edinho Silva gesprochen. Zudem telefonierte Lulas künftiger Vize-Präsident Geraldo Alckmin mit Bolsonaros Stellvertreter Hamilton Mourão. Der Amtsantritt von Lula ist am 1. Januar 2023.

Lula hatte bei der Stichwahl am Sonntag 50,9 Prozent der Stimmen erhalten, Bolsonaro kam auf 49,1 Prozent. Bolsonaro hatte bereits vor der Abstimmung immer wieder Zweifel am Wahlsystem geäussert und angedeutet, das Ergebnis möglicherweise nicht anzuerkennen. Beobachter befürchteten gewalttätige Proteste seiner zum teil bewaffneten Anhänger, sollte Bolsonaro das Wahlergebnis anzweifeln und von Manipulation sprechen.

Der amtierende Staatschef erwähnte in der kurzen Rede auch seine Anhänger, die in den vergangenen Tagen zahlreiche Fernstrassen im ganzen Land blockierten. «Die aktuellen Demonstrationen sind das Ergebnis von Empörung und einem Gefühl der Ungerechtigkeit über die Art und Weise, wie der Wahlprozess durchgeführt wurde», sagte Bolsonaro. «Friedliche Demonstrationen werden immer willkommen sein.»

Damit dürfte er sich vor allem an seine radikalen Anhänger richten, die gleich nach Lulas Wahlsieg von Manipulation sprachen und die ein Eingeständnis der Niederlage kaum goutieren würden. Andererseits haben seine Berater dem Staatschef bei langen Gesprächen in den vergangenen Tagen offenbar klar gemacht, dass es kaum Erfolg hätte, das Wahlergebnis in Frage zu stellen.

Viele seiner Verbündeten, darunter der mächtige Parlamentspräsident Artur Lira, erkannten Bolsonaros Niederlage bereits an. Auch zahlreiche Regierungen im Ausland sahen den Wahlausgang schon als Tatsache an: Fast 90 Regierungen gratulierten Lula zu seinem Wahlsieg, wie das Nachrichtenportal UOL berichtete.

Der Präsident des Obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes, hatte sowohl Lula als auch Bolsonaro bereits in der Wahlnacht telefonisch über das Ergebnis informiert. «Das Ergebnis wurde verkündet und akzeptiert», sagte Moraes. Die Beobachtermission der Interamerikanischen Union der Wahlbehörden nannte die Wahlen frei, fair und transparent und fand keine Hinweise auf Manipulation.

Die Unterstützer des rechten Staatschef wollten das allerdings nicht hinnehmen und trugen den Protest auf die Strasse: Am Dienstag hatten die Behörden über 220 Strassenblockaden von Bolsonaro-Anhängern registriert. Die Fernstrassen sind für die Versorgung des Landes essenziell, der Grossteil der Güter wird in Brasilien mit Lkw transportiert.

Wahlgerichtspräsident Moraes wies die Polizei schliesslich an, die Strassensperren abzuräumen. Teilweise ging die Polizei mit Tränengas gegen die Demonstranten vor. «Die Wahlen sind vorbei, wir leben in einem demokratischen Land. Keine Demonstration wird die brasilianische Demokratie zum Rückzug zwingen», sagte der Gouverneur von São Paulo, Rodrigo Garcia. (dpa)