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Ägypten

Blutiger «Freitag der Ablehnung» in Ägypten

Bei Massenprotesten der Islamisten gegen den Sturz ihres Präsidenten Mohammed Mursi kamen nach offiziellen Angaben landesweit insgesamt sechs Menschen ums Leben.

Zehntausende waren am Freitag nach dem Mittagsgebet in Kairo und anderen Städten gegen den "Militärputsch" auf die Strasse gegangen.

Im Zentrum von Kairo lieferten sich am Freitagabend Anhänger und Gegner Mursis Strassenschlachten. An der Brücke des 6. Oktobers bewarfen sich beide Seiten mit Pflastersteinen, wie eine Reporterin des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira berichtete.

Der Führer der Muslimbruderschaft, Mohammed Badia, war zuvor überraschend bei den Protesten in Kairo aufgetreten. "Wir werden ihn (Mursi) auf unseren Schultern tragend (ins Amt) zurückbringen", rief Badia Zehntausenden Anhängern der Bruderschaft zu. "Wir werden für ihn unsere Seelen opfern."

Die Sicherheitsbehörden hatten am Donnerstag mitgeteilt, dass Badia verhaftet worden sei. Sein Anwalt dementierte dies am Freitag. Zugleich bestätigte er, dass zwei Führungsmitglieder der Bruderschaft, Saad al-Katatni und Monim Abdel Maksud, sowie Badias Vorgänger Mohammed Mehdi Akif verhaftet worden seien. Katatni wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft inzwischen wieder freigelassen.

Muslimbrüder verweigern Zusammenarbeit

Das Militär hatte Mursi am Mittwoch gestürzt, nachdem er tagelange, zum Teil blutige Massenproteste gegen seine Herrschaft nicht hatte beruhigen können. Auch gegen die Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, ging die Armeeführung scharf vor. Der Verfassungsgerichtspräsident Adli Mansur trat die vorübergehende Nachfolge an.

Unmittelbar nach seiner Vereidigung kündigte Mansur an, die Islamisten an der Regierung beteiligen zu wollen. Dies schlossen die religiösen Kräfte jedoch kategorisch aus. Mursi selbst bezeichnete seine Entmachtung als "klaren Militärputsch".

Mansur liess am Freitag mit einer seiner ersten Weisungen das Oberhaus des Parlaments auflösen, wie das staatliche Fernsehen meldete. Der sogenannte Schura-Rat, die zweite Kammer der Volksvertretung, hat beratenden Charakter.

Das von islamistischen Kräften dominierte Gremium war seit über einem Jahr praktisch die einzige parlamentarische Institution, da die Militärs die Volksversammlung - die erste Kammer - aufgelöst hatten.

Proteste verliefen zunächst friedlich

Die landesweiten Proteste der Islamisten waren zunächst friedlich verlaufen. Die Menschen riefen: "Mursi ist der Präsident!" Sie machten ihrer Wut darüber Luft, dass der erste frei gewählte Präsident in der Geschichte Ägyptens aus ihrer Sicht willkürlich entmachtet wurde.

Zu gewalttätigen Zusammenstössen zwischen Mursi-Anhängern und -Gegnern kam es schliesslich ausser in Kairo in der Nildelta-Provinz Baheira und in Al-Arisch auf dem Sinai. Auch das Militär schaltete sich in die Auseinandersetzungen ein. Die Armeeführung hatte im Vorfeld der Demonstrationen ein Durchgreifen angekündigt, sollten die Proteste aus dem Ruder laufen.

Ausschluss aus Afrikanischer Union

Die Afrikanische Union (AU) schloss Ägypten am Freitag wegen des Umsturzes aus ihren Reihen aus. Der Machtwechsel in Kairo "entspreche nicht der Verfassung Ägyptens", lautete die Begründung des AU-Sicherheitsrates in Addis Abeba.

Der prominente Oppositionspolitiker Mohammed al-Baradei bezeichnete die Intervention des Militärs im britischen BBC-Rundfunk als "schmerzhafte Massnahme", die aber "zur Vermeidung eines Bürgerkriegs" notwendig gewesen sei. Die Armee wolle das Land nicht führen und werde "binnen einer Woche" die Bildung einer zivilen Regierung ermöglichen, versprach er.