Das Massaker von Srebrenica - verübt von serbischen Nationalisten unter der Führung von Ratko Mladić - gilt als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Damals, im Juli 1995, wurden 8000 Bosnier ermordet.
Bereits abgeschlossene Prozesse vor internationalen Gerichten haben gezeigt, dass die Verbrechen nicht spontan erfolgten, sondern systematisch geplant und durchgeführt wurden. Der Internationale Gerichtshof bewertete im Februar 2007 das Massaker von Srebrenica ebenfalls als Genozid.
Kritik an Medienberichterstattung
Das hat zwei Autoren der Waadtländer Zeitung «La Nation», die der förderalistischen Ligue vaudoise gehört, nicht daran gehindert, von einem «Pseudo-Massaker» zu sprechen. In einer Artikelserie unter dem Titel «Le lynchage médiatique des Serbes» («Das mediale Lynchen der Serben»), die im April 2008 erschienen ist, bestritten die Autoren unter anderem den Völkermord in Srebrenica und die Ermordung von über 8000 männlichen Muslimen; Gräuel in Konzentrationslagern und serbische Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Massenvergewaltigungen durch bosnische Serben und die serbischen Granatenangriffe auf dem Marktplatz von Sarajevo.
Die Autoren waren der Auffassung, dass die internationalen Medien die Ereignisse in Ex-Jugoslawien einseitig darstellten.
Trial - track impunity always
Die Verhaftung des Generals Pinochet 1998 in London inspirierte Juristen, NGO Vertreter und Opfer von Völkerrechtsverbrechen zur Gründung von Trial. Der Verein wurde vier Jahre später, im Sommer 2002, und somit zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Römer Statuts, aus der Taufe gehoben. Das Hauptziel von Trial ist, das Recht in den Dienst der Opfer schwerster Verbrechen (Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter und Verschwindenlassen von Personen) zu stellen. (sza)
In der Folge reichte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und Trial (siehe Box) bei den Waadtländer Untersuchungsbehörden Strafanzeige wegen Leugnung eines Völkermordes und von Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Letzte Woche nun qualifizierten die Behörden erstmalig in der Schweiz die Leugnung als Verletzung der Antirassismusstrafnorm. Das Urteil liegt az vor.
«Keine subjektive rassistische Absicht»
Der Waadtländer Staatsanwalt Jean Treccani hat nun entschieden, das Verfahren einzustellen. Laut Treccani haben die Beschuldigten in jedem der vier von den beiden Organisationen vorgebrachten Punkte klar eine objektive Verletzung der Antirassismusstrafnorm begangen. Der Staatsanwalt fügte deshalb auch an, dass eine erneute Publikation der Artikel abermals ein Strafverfahren nach sich ziehen werde. Zudem übertrug er den beiden Autoren die Verfahrenskosten.
Der Staatsanwalt argumentierte jedoch auch, dass die beiden Autoren nicht vom Wunsch angetrieben gewesen seien, die Opfer der serbischen Übergriffe zu schädigen und ihnen deshalb «keine subjektive rassistische Absicht» nachgewiesen werden könne. Die zwei Organisationen teilen diese Einschätzung nicht, können jedoch nicht gegen den Entscheid rekurrieren, da sie nicht als Klägerparteien zugelassen sind. Da der Verdacht auf Verletzung der Antirassismusstrafnorm ein Offizialdelikt ist, wurde dennoch ein Verfahren eingeleitet.
Entscheid mit Signalwirkung
Die beiden Organisationen GfbV und Trial begrüssen indessen die erstmalige Feststellung in der Schweiz, dass eine Leugnung des Völkermordes in Srebrenica und von Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bosnien klar als Verletzung der Antirassismusstrafnorm qualifiziert wurde. «Dies heisst, dass in der Schweiz die Leugnung des Völkermordes in Srebrenica, der Existenz von Konzentrationslagern und der Massenvergewaltigungen, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten, strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen wird», so die Organisationen.
Dies sei für die Opfer dieser Verbrechen von grosser Wichtigkeit. Denn die Leugnung solch gravierender Menschenrechtsverletzungen behindere eine echte Vergangenheitsbewältigung und eine Versöhnung aller Betroffenen.
Die beiden Organisationen bedauern jedoch, dass das Verfahren eingestellt wurde und sich deshalb kein Gericht mehr zu diesem Dossier äussern kann. Sie behalten sich vor, erneut ein Verfahren einzureichen, sollte es zu einer erneuten Leugnung kommen.