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Strom

Aus der Steckdose soll kein Atomstrom mehr fliessen

Die Energiekommission stärkt die Wasserkraft mit einer Abnahmegarantie – und gibt dem Bundesrat mehr Macht.

Was die Energiekommission des Nationalrates (Urek) gestern Abend kommunizierte, hat es in sich: Herr und Frau Schweizer – also die sogenannt «gebundenen Kunden» – sollen künftig nur noch Strom aus Wasserkraft erhalten. Die Elektrizität aus Atomkraftwerken und ausländischer Produktion würde aus der Grundversorgung verbannt und damit auf dem freien Markt landen.

Die Kommission hat das Modell mit erstaunlicher Mehrheit befürwortet (17 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung). Sie sei überzeugt, dass «rasches gesetzgeberisches Handeln im Sinne einer Übergangslösung zur Stärkung der inländischen Produktion aus erneuerbaren Energien» notwendig ist, wie es in der Mitteilung heisst. Mit anderen Worten: Der Schweizer Wasserkraft wird – sofern die Räte dem Urek-Vorschlag folgen – mit einer Abnahmegarantie massiv unter die Arme gegriffen.

Der Bundesrat am Schalthebel

Hintergrund des parlamentarischen Aktivismus sind die finanziellen Nöte von Energiekonzernen wie Alpiq und Axpo. Einst auf profitablen Polstern gebettet, leiden diese seit Jahren unter tiefen Strompreisen. Sechs Stromkonzerne sind deshalb jüngst vorgeprescht und haben als Sofortmassnahme eine Grundversorgungsprämie in der Höhe von 1,6 bis 1,8 Rappen pro Kilowattstunde gefordert.

Geht es nach der Urek, gibt es die Prämie in dieser Form nun nicht. Die Strombarone dürften dennoch zufrieden sein, denn die Kommission will die Tarifgestaltung dem Bundesrat in die Hand geben. Sprich: Die Regierung soll definieren, wie hoch ein angemessener Strompreis für Haushalte und KMU ist. Es ist davon auszugehen, dass dieser über den Gestehungskosten der Wasserkraft liegen wird – und die Hersteller also indirekt subventioniert werden.

Wie hoch der vom Bundesrat definierte Preis sein würde, steht naturgemäss noch nicht fest. Er könnte sich aber in jener Grössenordnung bewegen, die auch den Stromkonzernen vorschwebte. «Gut möglich, dass wir am Schluss am gleichen Ort landen», sagt Kommissionspräsident Stefan Müller-Altermatt (CVP, SO).

«Schlicht und einfach unredlich»

Der Entscheid der Nationalratskommission ist vor dem Hintergrund eines ständerätlichen Beschlusses zu verstehen. Das Stöckli möchte den Elektrizitätsunternehmen nämlich erlauben, die Kosten der Eigenproduktion vollständig ihren gebundenen Kunden anzulasten. Mit anderen Worten: Den selber produzierten, teuren Strom könnten sie den Haushalten verkaufen, den importierten, billigeren und zumeist «dreckigeren» Strom im freien Markt den Grosskunden abstossen.

«Das wäre eine Katastrophe, deshalb haben wir nun einen Schritt auf den Ständerat zu gemacht. So kriegen die Kunden für den Preis wenigstens sauberen Strom aus Wasserkraft», sagt Kommissionsvize Roger Nordmann (SP, VD). Um die (preislichen) Folgen des nun von der Urek propagierten Modells besser abschätzen zu können, sei aber noch eine Einschätzung vom Bundesamt für Energie notwendig, so Nordmann.

Aus ordnungspolitischer Sicht weht dem Entscheid der Kommission allerdings ein steifer Wind entgegen. «Damit wird einfach über die Hintertüre eine neue Subvention geschaffen – und erst noch ohne Ablaufdatum», sagt Nationalrat Christian Wasserfallen (FDP, BE). Bei den Subventionen für erneuerbare Energien im Rahmen der Energiestrategie 2050 betonten die Befürworter stets, dass diese ja befristet und deshalb volkswirtschaftlich gut verdaubar seien, so Wasserfallen. «Und nun ist das alles schon wieder vergessen. Das ist schlicht und einfach unredlich.»

Der Antrag der Kommission kommt nun in den Nationalrat, wo er aufgrund der klaren Mehrheitsverhältnisse unbestritten sein dürfte. Spannender wird es im Ständerat. Ob – und vor allem wann – in den Haushalten kein Atomstrom mehr aus den Steckdosen fliesst, ist also noch offen. Ursprünglich war geplant, das Gesetz per 2018 in Kraft zu setzen. «Angesichts des grossen Pflockes, den wir gestern eingeschlagen haben, scheint mir das aber nicht realistisch», so CVP-Mann Müller-Altermatt.