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Argentinien

Aufbrausend, aggressiv, beleidigend – aber in manchen Ansichten überraschend offen: So tickt der neue argentinische Präsident

Der neue, ultra-rechte Präsident Argentiniens hat eine bewegte Karriere vom Fussball-Torwart zum Staatschef vorzuweisen. Er tritt mit dem Anspruch an, vorherrschende Systeme zu zerstören. Zurzeit steht einzig fest: Javier Milei lässt sich nur schwer in ein bestimmtes Schema pressen.
Bereits in drei Wochen tritt Javier Milei sein neues Amt als Staatspräsident an, hat aber noch keinen Schimmer, wie sein Kabinett zusammengesetzt sein soll.
Bild: Bild: Juan Ignacio Roncoroni/EPA

Ob Javier Milei in diesen Tagen mal für einen Moment innehält und die vergangenen drei Jahre kurz an sich vorbeiziehen lässt? Jahre wie im Zeitraffer, in denen er vom TV-Wüterich zum Parteigründer und Abgeordneten und jetzt zum Präsidenten eines der wichtigsten Länder Lateinamerikas wurde.

Die Karriere des 53-Jährigen, wenn man das dann so nennen will, ist tatsächlich schwindelerregend. Aber je turbulenter die Zeiten, desto rasanter und radikaler die Veränderungen. Und die Zeiten in Argentinien als turbulent zu bezeichnen, ist fast schon eine Untertreibung.

Milei ist nicht weniger als ein Systemsprenger und Demokratieverächter. Denn er fordert, alles zu zerstören, was Argentinien bisher ausgemacht hat – und das Land dann neu aufzubauen. Er ist ein «Outsider» mit radikalen Ideen und gefährlichen Vorschlägen, der Donald Trump und Jair Bolsonaro als seine Vorbilder bezeichnet. Lange hat er sogar dem Tragen von Waffen und dem Verkauf von Organen und Kindern das Wort geredet.

Milei ist aufbrausend und aggressiv und versteht sich auf Beleidigung und Zerstörung. Ob er auch konstruktiv und aufbauend sein kann, muss er erst noch zeigen. Zweifel sind angebracht. Zumal er schon in drei Wochen sein Amt antritt, ohne auch nur in Ansätzen dazu das Personal zu haben.

Er will den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einführen und die Zentralbank abschaffen: Mit seinen wirtschaftspolitischen Schlagworten hat Javier Milei den Wahlkampf aufgemischt.
Bild: Bild: Nicolas Aguilera/AP

Der Libertäre steht für das Ende einer alten politischen Ordnung. Und dabei hilft ihm sehr, dass er nicht aus der Politik kommt, sondern Mitarbeiter internationaler Banken, Unternehmensberater und zuletzt TV-Kommentator war. Als Student war er zudem ein begabter Torwart bei Chacarita Juniors und gehörte dort zum Profikader.

Aber eigentlich passt er mit seiner radikalen Freiheitsphilosophie und seinem Äusseren wie ein Rockmusiker so gar nicht in das Schema der sonst so moralinsauren und gläubigen Rechtsaussen vor allem in Lateinamerika.

Für freie Liebe und Geschlechterwahl

Seine Grundsätze «Leben, Freiheit und Eigentum» dehnt er auf alle Lebensbereiche aus. Während er Abtreibungen ablehnt, das freie Tragen von Waffen befürwortet oder den Klimawandel leugnet, verteidigt er das individuelle Recht auf Geschlechterwahl, die Homo-Ehe und die Legalisierung von Drogen. Er propagiert die freie Liebe, ist antiklerikal und hält Papst Franziskus für die «Inkarnation des Kommunismus».

Argentinien ist ein Sanierungsfall mit gespenstischen Wirtschaftsdaten, ein Land, das immer am Rande der Staatspleite tänzelt. Aber es ist eben auch ein Land der Kultur und Bildung und unfasslicher Ressourcen. Es ist immerhin noch die drittgrösste Volkswirtschaft Lateinamerikas und das Land mit der viertgrössten Bevölkerung.

Anhänger von Javier Milei feiern in Buenos Aires seinen Wahlsieg.
Bild: Bild: Gustavo Garello/AP

Aber am Rio de la Plata haben sie schon viele charismatische Figuren, Politiker und Politikerinnen von links und rechts gesehen. Evita Perón, ihren Mann und Nazifreund Juan Domingo Perón oder das Ehepaar Kirchner. Alle kamen und gingen, nur die Krise blieb. Nun also darf sich Javier Milei als Insolvenzverwalter versuchen.

Der künftige Präsident träumt davon, sein Land in nur zwei Amtszeiten vor dem Untergang zu retten. Danach geht er in den Ruhestand, lässt sich auf dem Land nieder und widmet sich den drei Quellen seines grössten Glücks: seinen Englischen Doggen, seiner Schwester Karina und dem Studium der Wirtschaftswissenschaften.