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Sonntagspresse

Astra-Bridge: Bundesrat Rösti will einschreiten ++ Pflegende sollen weniger arbeiten ++ Gay-SVP-Präsident kritisiert linke Intoleranz

Das schreibt die Sonntagspresse heute 24. März 2024 – ein Überblick.

Pflegeinitiative: Bundesrat will, dass Pflegende weniger arbeiten müssen

Dreieinhalb Jahre nach Annahme der Pflegeinitiative ist der Fachkräftemangel in der Branche grösser denn je. So paradox es klingen mag: Die Arbeitsbelastung und der psychische Druck sind nach der Pandemie nochmals gestiegen. Nun reagiert der Bundesrat. Wie Recherchen der « NZZ am Sonntag » zeigen, wartet er bei der Umsetzung der Initiative mit einem brisanten Vorschlag auf.

Pflegende sollen weniger arbeiten müssen.
Bild: Andrea Zahler

«Vermutlich wird der Bundesrat im neuen Gesetz eine Spannbreite festlegen, innerhalb deren sich die Wochenarbeitszeit bewegen muss», sagt eine mit dem Dossier vertraute Person. Konkret könnte dies bedeuten, dass Pflegefachpersonen nur noch 38 Stunden arbeiten pro Woche, aber weiterhin einen Lohn für 40 Stunden bekämen. Ein Novum für die Schweiz. Keine andere Branche kennt so eine Spezialregelung.

Entscheidend wird letztlich die Frage sein, ob es sich bei der Pflege um eine kritische Infrastruktur handelt, für die besondere Regeln gerechtfertigt sind. Die Branche hat sich verändert, seit dem regelrechten Exodus der Pflegerinnen zu den Temporärfirmen. Die Spitäler kommen unter Zugzwang. Klar ist: Mit einer Aufopferung der Pflegefachpersonen bis zum Umfallen darf und kann in der Branche niemand mehr rechnen.

Rekordwartezeiten für ADHS-Abklärungen – Ritalin-Konsum steigt stark an

In der Schweiz müssen Betroffene aufgrund einer Rekordnachfrage bis zu einem Jahr auf eine ADHS-Abklärung warten, wie eine Umfrage des SonntagsBlicks zeigt. Einige Praxen haben wegen Überlastung gar einen Aufnahmestopp verhängt. Einzelne reagieren mit Online-Gesprächsgruppen oder Selbsthilfegruppen, um die Wartezeiten zu überbrücken.

Susanne Walitza von der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich stellt fest, dass in den letzten Jahren vermehrt Vorschulkinder zur Abklärung kommen. Auffällig ist auch, dass deutlich mehr Studierende bei sich ein ADHS vermuten. Stephan Kupferschmid, Chefarzt der Privatklinik Meiringen und Vorstandsmitglied im Fachverband für ADHS, weist auf die Pandemie als Faktor hin: Viele Vorlesungen würden nur noch online geschaut, Studierende müssten immer mehr Reize verarbeiten, was eine Herausforderung sei.

Eine Vorlesung an der Universität St.Gallen.
Bild: Gaetan Bally / KEYSTONE

Während der Corona-Pandemie stieg die Anzahl der Personen, die ADHS-Medikamente wie Ritalin erhalten, von 60’000 im Jahr 2019 auf geschätzte 92’000 im Jahr 2023, wie eine Auswertung der Helsana im Auftrag von SonntagsBlick ergab.

Faktencheck: Blutet der Mittelstand tatsächlich aus?

In der reichen Schweiz klagen alle über zu wenig Geld. Die Unzufriedenheit wächst. Drei Jahre Inflation und stagnierende Löhne: Das Leben ist teurer geworden, die Sorge um die Kaufkraft hat bis weit in den Mittelstand zugenommen. Wie gross die Unzufriedenheit ist, hat die klare Annahme der 13. AHV-Rente in der Volksabstimmung vom 3. März gezeigt. Jetzt bewegen die Resultate des Familienbarometers, einer Umfrage des Interessenverbandes Pro Familia und der Versicherung Pax die Gemüter.

«Familien in Not» und der «Mittelschicht droht die Armut» lauteten die Schlagzeilen. Am Freitag stritten Politikerinnen, Experten und Betroffene in der «Arena» des Schweizer Fernsehens über «Familien unter Druck». Am 9. Juni kommt die Prämienverbilligungsinitiative der SP zur Abstimmung. Vor der AHV-Initiative war noch nie eine linke Vorlage zum Ausbau des Sozialstaats an der Urne angenommen worden, doch in der aktuellen Stimmung hat der Sozialabbau gute Chancen.

Zwei von drei Stimmberechtigten wollen die Prämienentlastungs-Initiative annehmen, wie eine Umfrage von Tamedia und «20 Minuten» zeigt. Die Einstellungen zur Umverteilung haben sich verändert, stellt Melanie Häner, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern fest. Deutlich weniger Menschen sehen die Schweiz heute noch als Mittelstandsgesellschaft. Das hat politische Folgen, glaubt Häner. «Denn Wahrnehmungen, nicht Daten, prägen die Einstellung gegenüber Umverteilung.»

Stromabkommen mit der EU: Elektrizitätsbranche ist sich uneinig

Die Strombranche begrüsst es zwar, dass mit der EU wieder über den Abschluss eines Stromabkommens verhandelt wird. Die Meinungen in der Branche sind allerdings noch längst nicht gemacht. So etwa beim Dachverband Schweizer Verteilnetzbetreiber (DSV). Dieser hat über 400 Mitglieder, insbesondere lokale und regionale Versorger. «Ein geregeltes Verhältnis zur EU ist auch in unserem Interesse», sagt der Verbandspräsident Beat Gassmann zwar gegenüber der « NZZ am Sonntag ».

Doch er betont: «Das bedeutet nicht, dass wir das Stromabkommen in der angedachten Form unterstützen.» Ein Punkt, der den kleinen Netzbetreibern Bauchschmerzen bereitet, ist die von der EU verlangte vollständige Marktöffnung. Der DSV lehnt es ab, dass Kunden in einem liberalisierten Markt wieder zurück in die Grundversorgung wechseln können. Mit einer solchen Rückkehrmöglichkeit würden laut DSV-Präsident Beat Gassmann neue Ungerechtigkeiten geschaffen.

Darum gelte beim DSV: «Wenn das Resultat aus den Verhandlungen mit der EU vorliegt, werden wir dieses beurteilen und eine abschliessende Meinung fassen.» Auch Ronny Kaufmann, Chef des Stadtwerke-Netzwerks Swisspower, will sich nicht vor Abschluss der Verhandlungen festlegen. Die Frage, ob die Schweiz den Markt vollständig öffnen solle, «stellt sich für mich erst dann, wenn ein gutes Stromabkommen mit der EU vorliegt», sagt Kaufmann.

«Israel-freundlich»: Viola Amherds VBS schwächte Hamas-Verbot ab

Die Hamas soll in der Schweiz verboten werden. Die Ausformulierung des Gesetzes aber sorgte in der Bundesverwaltung für Spannungen. Das Verteidigungsdepartement (VBS) von Bundespräsidentin Viola Amherd setzte sich nachdrücklich und mit Erfolg für eine Entschärfung ein. Dies geht aus bisher unveröffentlichten Dokumenten hervor, die die « NZZ am Sonntag » gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte.

Viola Amherd.
Bild: Virginia Mayo / AP

Die erste Fassung des Verbots sah vor, nicht nur die Hamas, sondern auch «Organisationen und Gruppierungen, die in Führung, Zielsetzung und Mitteln mit der Hamas übereinstimmen» zu verbieten. Dagegen wehrte sich das VBS in der Ämterkonsultation. «Sollte das Gesetz in dieser Form angenommen werden, würde sich die Schweiz klar als Israel-freundlich und Iran-feindlich positionieren», schreibt das Generalsekretariat des Departements in einer internen Stellungnahme vom 24. Januar und stützt sich dabei unter anderem auf die Einschätzung des Nachrichtendienstes.

Die VBS-Beamten warnen darin vor einschneidenden Folgen, sollte das Hamas-Verbot nicht in ihrem Sinne angepasst werden: «Bedrohungen durch verbotenen Nachrichtendienst und Terrorismus könnten zunehmen.» Amherds Leute machten deutlich, dass das VBS das ursprüngliche Verbot nicht mittragen werde. Tatsächlich wurde das Gesetz in der Folge abgeschwächt. So soll der Bundesrat künftig von Fall zu Fall entscheiden, ob er eine mit den Zielen der Hamas übereinstimmende Organisation ebenfalls verbieten will. Der Automatismus entfällt.

Während das VBS dazu keine Stellung nimmt, kritisieren FDP und SVP die Anpassung. «Ich bedaure es sehr, dass der Bund in dieser Frage eingebrochen ist und das Gesetz verwässert hat», sagt der freisinnige Parteipräsident Thierry Burkart. Der stellvertretende Generalsekretär der SVP, Peter Keller, kritisiert die Begründung des VBS gegenüber der «NZZ am Sonntag» als «geradezu skandalös».

Astra-Bridge: Bundesrat Rösti will bei grossem Stau einschreiten

Bundesrat Albert Rösti.
Bild: Peter Schneider / KEYSTONE

Das Bundesamt für Strassen will die umstrittene Baustellenbrücke Astra-Bridge nach Ostern erneut auf der Autobahn 1 Richtung Zürich aufstellen. Für den Transporteur und SVP-Nationalrat Thomas Knutti ist das «grobfahrlässig». Denn die Brücke hatte bei ihrem ersten Einsatz grosse Staus verursacht. Knutti ist deshalb bei Bundesrat Albert Rösti vorstellig geworden. Dabei habe Rösti ihm zugesichert, dass er einschreiten werde, wenn es wieder Probleme gebe.

Das Departement von Rösti hat gegenüber der « NZZ am Sonntag » das Treffen mit dem SVP-Nationalrat bestätigt. Die offizielle Sprachregelung über das Fazit lautet: «Es wird festgehalten, dass beim nächsten Einsatz der Astra-Bridge deren Einsatz nochmals überprüft wird, sollte es während mehrerer Wochen zu deutlich grösseren Stauentwicklungen kommen.»

Die Astra-Bridge.
Bild: Bruno Kissling

Die Astra-Bridge ist ein Prestigeprojekt des Bundesamts für Strassen Astra. Die Idee ist bestechend: Der Verkehr soll über die Brücke rollen, während darunter gebaut werden kann. Das Projekt hat bis jetzt 26 Millionen Franken gekostet. Neu hat das Astra die Auffahrtsrampen der Brücke flacher gebaut und hofft, dass der Verkehr flüssiger darüberrollt und es keine dermassen grossen Staus mehr gibt.

Regierungsjet am Boden: Graureiher wirbelte Bundesratspläne durcheinander

Der Bundesrat musste in den vergangenen Wochen mit nur einem Flugzeug auskommen. Der Grund: Als der Bundesratsjet Falcon 900 am 24. Februar von Lugano nach Bern-Belp abheben wollte, flog ein Graureiher in den rechten Vorflügel. In der Folge musste die Maschine wochenlang am Boden bleiben, weil für eine rasche Reparatur die Ersatzteile fehlten.

Ein Graureiher sorgte für Turbulenzen.
Bild: Jan Furler

Armeesprecher Mathias Volken erklärt das gegenüber SonntagsBlick mit Engpässen bei den Lieferketten sowie der Verfügbarkeit von Ersatzteilen. «Weil zudem die Falcon 900 nicht mehr produziert wird, ist die Beschaffung von Ersatzteilen zunehmend mit einem Mehraufwand verbunden.» Erst diese Woche, fast einen Monat nach dem Graureiher-Vorfall, konnten die Ersatzteile endlich beschafft und installiert werden.

Seit Freitagabend, 22. März ist der Bundesratsjet wieder einsatzbereit. Zwei Bundesratsmitglieder wurden wegen des Vorfalls zum Umdisponieren gezwungen: Bundespräsidentin Viola Amherd musste am 8. März per Linienflug statt mit dem Staatsflugzeug nach New York reisen, um an einer Sitzung der UNO-Kommission zur Rechtsstellung der Frau teilzunehmen. Und für die Afrika-Reise von Ignazio Cassis, die den Aussenminister Mitte März nach Äthiopien, Dschibuti und Kenia führte, musste gar ein Privatjet gemietet werden.

Gesundheitswesen: Chefarzt kritisiert Spitalfinanzierung über die Börse

Schweizer Spitäler finanzieren sich vermehrt über Anleihen, die an der Schweizer Börse platziert werden. Meist brauchen sie das Geld, um grosse Renovationen oder Neubauten zu bezahlen. Das Problem dabei: Die Gesundheitseinrichtungen bezahlen bei der Kapitalaufnahme über die Börse höhere Zinsen, als wenn sie das Geld – wie früher – direkt von der öffentlichen Hand erhalten würden.

Christoph Gubler, Chefarzt Gastroenterologie bei einem grossen Zürcher Spital, kritisiert im SonntagsBlick die Spitalfinanzierung über den Kapitalmarkt scharf: «Das zeigt, wie weit die Kommerzialisierung der Medizin in der Schweiz fortgeschritten ist.» Gubler spricht als Vorstands­mitglied der «Akademie Menschenme­dizin», die sich für Veränderungen im Schweizer Gesundheitswesen einsetzt.

Ihm und seinem Verein ist es ganz generell ein Dorn im Auge, dass die Schweizer Politik von den Spitälern erwartet, dass sie mit der Behandlung von Kranken Gewinne erzielen. «Diese sollen so hoch sein, dass damit nicht nur grosse Bauprojekte finanziert werden können, sondern dass für Investoren auch noch eine Rendite herausschaut. Das kann es doch nicht sein», meint der Mediziner.

Präsident der Gay-SVP kritisiert Intoleranz bei den Linken

Beat Feurer.
Bild: Matthias Käser

13 Jahre nach ihrer Gründung hat sich vor kurzem die Gay-SVP aufgelöst. Ein schwuler Verein innerhalb der konservativen Partei sei nicht mehr nötig, sagt Präsident Beat Feurer, Finanzdirektor der Stadt Biel, in der SonntagsZeitung. «Das Bewirtschaften der angeblich diskriminierten Homosexuellen, wie es einige Kreise tun, scheint mir unangebracht.»

Tatsächlich habe er viel mehr Intoleranz als SVPler erfahren als als Schwuler – gerade von Menschen, «die sich tolerant nennen und viel von Akzeptanz reden», sagt Feurer. «Das war zum Teil richtig militant.» Er sei bespuckt und bedroht worden. «Würde ich wegen meiner sexuellen Orientierung derart angegangen, wäre dies morgen ein Skandal und in allen Medien».

Gescheiterte Wolfsjagd: Rudel haben wohl überlebt

27 Tiere wurden allein im Kanton Wallis geschossen. Das Ziel war, ganze Rudel zu eliminieren. Jüngste Beobachtungen zeigen laut SonntagsZeitung, dass dies wohl nicht gelungen ist. Auf der Präsenzkarte des Kantons ist ersichtlich, dass in den vergangenen Wochen wiederholt und an verschiedenen Orten im Einzugsgebiet der Rudel Augstbord und Hérens Wölfe gesichtet wurden, darunter auch erwachsene Leittiere.

Im Frühjahr könnte es deshalb wieder Nachwuchs geben. «Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass im Wallis kein einziges Rudel vollständig entnommen werden konnte», sagt David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz. Die Daten zeigen für ihn auch, wie anpassungsfähig der Wolf sei.

Nach Fall Hefenhofen: Tiere sollen endlich Rechte erhalten

Die Bilder der toten und abgemagerten Pferde gingen 2017 durch die Schweiz. Erst letzte Woche wurde der damals im Fall Hefenhofen zuständige Amtstierarzt wegen Tierquälerei durch unterlassen freigesprochen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Tierschützer kritisierten die Untätigkeit der Behörden im Fall scharf – und nennen ihn als Beispiel für die Notwendigkeit einer Tieranwaltschaft. Nun könnte die Schweiz als erstes Land weltweit Tieren einen rechtlichen Status geben, wie die SonntagsZeitung schreibt.

Letzte Woche wurde der Bundesrat im Rahmen eines Postulats damit beauftragt, die Einsetzung eines Tieranwalts zu prüfen. Ausserdem sollen Tiere erstmals subjektive Rechte erhalten. Eingereicht hat das Postulat die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz. Tiere seien nicht in der Lage, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, sagt Munz gegenüber der SonntagsZeitung. Verfahren würden häufig vorschnell zu Lasten der Tiere eingestellt.

Bauern in Afrika haben nichts von den rekordhohen Kakaopreisen

Der Preis für Kakao erreichte diese Woche ein neues Allzeithoch von 8874 Dollar pro Tonne. Wie die SonntagsZeitung schreibt, profitieren jedoch die meisten Kakaobauern nicht von diesen hohen Preisen. Eine Analyse der Kakaoplattform Schweiz - einem Zusammenschluss von Schokoladeherstellern, Händlern und des Bundes - zeigt, dass die Preise in Westafrika deutlich niedriger sind als in Südamerika.

Der Grund liegt darin, dass die Verkaufspreise in Elfenbeinküste und Ghana staatlich festgelegt sind und bereits über Terminverträge vereinbart worden waren. Dabei ist das Einkommen der Bauern jetzt schon auf einem tiefen Niveau. Das Nettoeinkommen der Kakaobauern in Ghana ist seit Beginn der Pandemie im Durchschnitt um 16 Prozent gesunken, während die Gewinne von Schokoladenkonzernen wie Lindt und Nestlé stark gestiegen sind.