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Nahost

Antisemitismus-Demo spaltet Frankreich

Grosskundgebungen in Frankreich gegen Antisemitismus sollten am Sonntag die Nation einigen. Eingetreten ist das Gegenteil.
Marine Le Pen (Bildmitte) an der Pariser Demo von Sonntag. 
Bild: Bild: Christophe Ena/AP

Angeführt von Premierministerin Elisabeth Borne und den Ex-Präsidenten François Hollande und Nicolas Sarkozy demonstrierten in Paris Zehntausende gegen den zunehmenden Antisemitismus. Auch andere Veranstaltungen in Städten wie Bordeaux oder Marseille richteten sich gegen die über tausend Einzelattacken gegen Juden seit dem Hamas-Anschlag des 7. Januar in Israel.

In allen Umzügen wurde die Marseillaise angestimmt. Der Wunsch des Dachverbandes jüdischer Organisationen in Frankreich (Crif) für einen parteiübergreifenden Schulterschluss ging aber nicht in Erfüllung. Die Rechte nahm zwar geschlossen teil, die etablierte Linke aus Sozialisten, Grünen und Kommunisten nach einigem Zögern auch. Die Linksaussenpartei der «Unbeugsamen» blieb dem Umzug aber fern.

Ihr Chef Jean-Louis Mélenchon begründete dies mit der Anwesenheit der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie war bisher noch nie an einer solchen Demo geduldet worden. Am Sonntag blieb sie weitgehend unbehelligt, auch wenn ihr jüdische Linksaktivisten «Hau ab!» zuriefen. Nazi-Jäger Serge Klarsfeld hatte sie schon im Voraus für ihre Präsenz «beglückwünscht».

Mélenchon ätzte zudem, an der Kundgebung träfen sich die «Freunde der bedingungslosen Unterstützung des Massakers», das die israelische Armee an der Bevölkerung des Gazastreifens verübe. Viele Unbeugsame beteiligten sich am Samstag in Paris lieber an einer von 16’000 Palästina-Sympathisanten besuchten Demo, die zu einer sofortigen Waffenruhe in Gaza aufrief.

Vorne dabei marschierten (von links): Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, die Vorsteherin der Nationalversammlung, Yael Braun-Pivet, Senatspräsident Gerard Larcher, Premierministerin Elisabeth Borne sowie Ex-Präsident Francois Hollande.
Bild: Bild: Agency/Anadolu

Um nicht zusammen mit Le Pen demonstrieren zu müssen, aber dennoch den Antisemitismus wie jeden Rassismus zu verurteilen, trafen sich «Unbeugsame» am Sonntagmorgen bei dem früheren Sportstadion Vel d’Hiv, wo die bedeutendste Judenrazzia des Zweiten Weltkrieges stattgefunden hatte. Mehrere Dutzend Juden hinderten die Mélenchon-Anhänger aber an einer Kranzniederlegung. Der Crif begrüsste diese Aktion, weil die Linken-Partei «antiisraelisch» sei.

Präsident Emmanuel Macron verzichtete nach längerem Hin und Her auf eine Teilnahme an dem Antisemitismus-Marsch. In einem offenen Brief an seine Landsleute rief er zur «Einheit der Franzosen» auf. Angesichts der zunehmenden Spannungen in Banlieue- und Einwanderervierteln meinte er fast beschwörend, Frankreich verstehe sich nicht als Zusammenschluss ethnischer oder religiöser Gemeinschaften, «sondern von Bürgern».

Netanyahu kritisiert Macron

Kritik an Macron gab es von unerwarteter Seite. Seine Feststellung, der Kampf gegen die Hamas-Terroristen müsse «mit Rücksicht auf die internationalen und humanitären Kriegsregeln» erfolgen, weckte sofort Widerspruch in Jerusalem: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu betonte, für sämtliche Verfehlungen sei allein die Hamas verantwortlich.

Wie gespannt die Lage aber auch in Frankreich ist, illustrierte am Wochenende ein Zwischenfall in Lyon. Mehrere schwarz vermummte Angreifer versuchten in Lyon eine Palästina-Konferenz zu stürmen. Das Innenministerium ordnet sie der Ultrarechten zu. Alles in allem hat das Wochenende mit den diversen Märschen nicht zu einer Beruhigung der Lage geführt, sondern eher den Graben zwischen Proisraeli und Propalästinensern noch vertieft.