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Antisemitismus

«Er wollte gezielt einen Juden töten»: Was wir über das Attentat auf einen 50-jährigen Zürcher wissen

Nach der Messerattacke auf einen 50-jährigen Juden in Zürich, erklären Stadt und Kanton Zürich sowie deren Polizei den Stand der Dinge und wie es weiter geht.

Ein Jude wurde in Zürich am Samstagabend auf offener Strasse angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Der Zürcher Regierungspräsident Mario Fehr orientierte an einer Medienkonferenz zusammen mit Zürichs Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart und den Polizeien sowie dem SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner was passiert ist, was sie wissen und wie sich die Lage nach dem Terrorangriff für Juden darstellt.

Wer gibt an der Medienkonferenz Auskunft?

Regierungspräsident Mario Fehr, Sicherheitsdirektor Kanton Zürich

Karin Rykart, Vorsteherin des Sicherheitsdepartements der Stadt Zürich

Andreas Moschin, Chef Sicherheitspolizei, Kantonspolizei Zürich

Daniel Stein, Chef Einsatzabteilung, Stadtpolizei Zürich

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG)

Der Zürcher Regierungspräsident und Sicherheitsdirektor Mario Fehr (Mitte), informiert neben Daniel Stein, Chef Einsatzabteilung Stadtpolizei, von links, Stadträtin Karin Rykart, Vorsteherin des Sicherheitsdepartements der Stadt, Jonathan Kreutner, SIG-Generalsekretär, und Andreas Moschin, Chef Sicherheitspolizei Kantonspolizei.
Bild: Keystone

Wie geht es dem Opfer?

Der lebensgefährlich verletzte 50-jährige, orthodoxe Jude lebt im Engequartier in der Stadt Zürich. Der Familienvater befindet sich noch immer in Spitalpflege, gemäss Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG), ist dessen Gesundheitszustand stabil. Beim Zürcher Juden handelt sich wohl um ein Zufallsopfer. Gemäss Kreutner hätten die Rettungskräfte dem Mann das Leben gerettet: «Sie haben Schlimmeres verhindert».

Wer ist der Täter?

Beim Täter handelt es sich um einen 15-jährigen Schweizer mit tunesischen Wurzeln, wie die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich am Montag mitteilte. Gemäss Regierungspräsident Mario Fehr wurde der Junge 2011 eingebürgert. Er sei nicht aus der Stadt, wohl aber aus dem Kanton Zürich. Der Jugendliche wurde von der Stadtpolizei am Tatort verhaftet und befindet sich auf Anordnung der Jugendstaatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Unklar ist, ob er ein Einzeltäter ist. Gemäss Mario Fehr hatte der Täter keinen direkten Bezug zu seinem Opfer.

Für Mario Fehr ist klar, «der Jugendliche wollte gezielt einen Juden töten». Der Junge habe mehrmals auf das Opfer eingestochen. Das beherzte Eingreifen von Passanten habe Schlimmeres verhindert.

Es handle sich nicht um eine Tat im Ausgang, wo Messerangriffe in Zürich vermehrt vorkommen, wie Andreas Moschin, Chef Sicherheitspolizei, erklärt.

Die Radikalisierung des Täters ist Gegenstand der Ermittlungen. Das seit Montag kursierende «Bekennervideo» des Täters, in dem er Arabisch sprich, ist gemäss Mario Fehr echt, wie er diesem Portal gegenüber bestätigt. Wir haben den Inhalt übersetzen lassen.

Was ist geschehen?

Der genaue Tathergang ist noch immer Gegenstand der Ermittlungen. Sicher ist, dass das (Zufalls-)Opfer sich am Samstagabend auf dem Nachhauseweg von der Synagoge befunden hat. Vor dessen Wohnungstür bei der «Sportbar 2. Akt» im Engequartier wurde es wohl vom Täter angesprochen und angegriffen. Bei der Polizei ging eine entsprechende Meldung am Samstagabend um 21.35 Uhr ein.

Zuvor hatte das Opfer noch an seiner Wohnung geläutet. Erst mit Verzögerung bemerkte die Familie des Opfers in der Wohnung oben, dessen Ausbleiben und entdeckte es schliesslich zusammengebrochen auf dem Trottoir.

Bereits hatten Passanten eingegriffen und den 15-jährigen Täter bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten - und wohl noch Schlimmeres verhindert. Gemäss Augenzeugen hatte der Täter mehrmals auf sein Opfer eingestochen.

In Zürich wurde am Samstagabend der Tatort gesichert.
Bild: Bild: brknews

Was sagt die judische Gemeinschaft?

Für Jonathan Kreutner ist die Tat kein Stadtzürcher, kein Kantonalzürcher Problem. Sie hat eine nationale Bedeutung. Das antisemitische Klima in der Schweiz habe seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 zugenommen. Kreutner sagt: «Hass auf jüdische Menschen hat völlig neues Niveau erreicht.» Es sei eines der schwersten Hassverbrechen, das in der Schweiz jemals passiert ist. Kreutner sagt: Jüdisches Leben werde weitergehen, man werde sich nicht verstecken, ansonsten hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht.

Jonathan Kreutner: «Hass auf jüdische Menschen hat völlig neues Niveau erreicht.»
Bild: Keystone

Wie reagieren Stadt und Kanton Zürich?

Sicherheitsdirektor Mario Fehr findet deutliche Worte. «Es ist ein Terroranschlag auf uns alle.» Stadt und Kanton seien tief erschüttert. Fehr betont die Wichtigkeit einer offenen Gesellschaft, in der alle «so leben können, wie sie wollen». Die Freiheit aller Bürgerinnen und Bürger sei zu schützen.

Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr.
Bild: Keystone

Die Stadtzürcher Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart spricht davon, dass das Sicherheitsgefühl der Juden beschädigt sei. Auch sie verurteilt die Tat aufs Schärfste.

Fehr: «Stadt und Kanton sind jederzeit für unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger da.»

Wie steht es um die Sicherheit?

Die Polizeien von Stadt und Kanton Zürich haben unmittelbar nach der Tat das Sicherheitsdispositiv hochgefahren. Jüdische Einrichtungen werden speziell bewacht, Patrouillen sind gezielt unterwegs. Die von der Stadtpolizei im letzten Herbst gegründete «Taskforce Naher Osten» wurde reaktiviert.

Die Medienkonferenz in voller Länge