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Energie

Klage gegen AKW-Laufzeit: Leibstadt-Anwohner zerren Rösti vor Gericht

15 Anwohnerinnen und Anwohner eines Atomkraftwerks klagen gegen den Langzeitbetrieb von Leibstadt. Unterstützt werden sie von Umweltverbänden.

Roboterhunde tanzten Ballett, 77 Bombay Street sangen ihren Hit «Up in the Sky»: Vergangenen Herbst feierte das Atomkraftwerk Leibstadt sein vierzigjähriges Bestehen mit einem grossen Fest. Für 15 Anwohnerinnen und Anwohner des AKW ist der runde Geburtstag aber kein Anlass zur Freude: An diesem Tag sei das Atomkraftwerk in den Langzeitbetrieb übergegangen, halten sie fest. Ab einem solchen wird in der Schweiz gesprochen, wenn ein AKW seine ursprünglich vorgesehene Laufzeit überdauert.

Im Zentrum eines Rechtsstreits: das AKW Leibstadt.
Bild: Keystone

Dagegen gehen die Anrainer nun juristisch vor, wie sie an einer Pressekonferenz vom Mittwochmorgen bekanntgaben. Anlass ist eine fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine solche müsse gemäss internationalen Abkommen erfolgen, wenn die Marke von 40 Jahren Laufzeit überschritten wird.

So weit die Sicht der Klagenden. In der Schweiz kommt eine Umweltverträglichkeitsprüfung allerdings vor allem vor dem Bau einer neuen Anlage oder bei einer grundlegenden Änderung zur Anwendung. Das Departement Rösti stellte sich bislang deshalb auf den Standpunkt, das sei für den Weiterbetrieb eines bewilligten Atomkraftwerks nicht nötig. Auf ein Gesuch wollte das Amt zunächst gar nicht eintreten, worauf die Anwohner eine Klage wegen Rechtsverweigerung einreichten.

Nach dem inzwischen erfolgten – abschlägigen – Entscheid gelangen die Anwohner mit ihrer nächsten Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht. Flankiert werden sie dabei von der Schweizerischen Energiestiftung, Greenpeace und dem Trinationalen Atomschutzverband. Diese Organisationen tragen auch die vorläufigen Prozesskosten.

Auch bei diesen keimt aber kaum Hoffnung, dass eine Klage dereinst das AKW Leibstadt stilllegen wird. Ziel der Nichtregierungsorganisationen ist bestenfalls ein Tritt ans Schienbein der Betreiber. Mit der Klage bringen sie in Zeiten eines möglichen Atom-Comebacks den Widerstand gegen AKW ins Gespräch – mit überschaubarem Kostenrisiko.

«Das ist mir suspekt»

In diesen Dienst stellen sich die vorgeladenen Zeugen mit teils markigen Worten. «Mir ist es sehr suspekt, dass diese Umweltverträglichkeitsprüfung fehlt», sagte Katleen De Beukeleer vor den Medien. «Ich frage mich, was das AKW zu verstecken hat.» Das Umweltdepartement handle «verantwortungslos».

De Beukeleer tritt in der Sache als Anwohnerin auf – wobei diese Bezeichnung bei einer Distanz von 20 Kilometern zwischen AKW und Wohnort etwas strapaziert erscheint. Zum Vergleich: 20 Kilometer Umkreis beträgt auch die Sperrzone rund um das Atomkraftwerk Fukushima.

Noch einen Schritt weiter als De Beukeleer geht Hanspeter Meier, der einen Hof führt in der Nähe von Leibstadt: «Ich verstehe nicht, dass die Betreiber eine solch alte Fabrik laufen lassen. Sie sollen das AKW einfach abstellen. Es reicht.» Zu den Klagenden gehören Einwohner aus der Schweiz und aus grenznahen Gemeinden in Deutschland.

Auch für Greenpeace geht es weniger um eine Umweltverträglichkeitsprüfung an sich, sondern um fundamentalen Widerstand gegen die Atomkraft. Dies wird aus der Wortmeldung des Verantwortlichen Florian Kasser deutlich: «Das Atomkraftwerk Leibstadt verbraucht in seinem Kühlturm jährlich mehr Wasser als der Kanton Genf.» Der Verschleiss von Ressourcen sei störend, weshalb Greenpeace das Anliegen der Anwohner unterstütze.

Leibstadt ging 1984 ans Netz und ist das jüngste der Schweizer Kernkraftwerke. Mit einer Leistung von mehr als 1200 Megawatt liefert das AKW Strom für rund 2 Millionen Haushalte in der Schweiz.