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WEF Davos

Irre Corona-Behauptungen: Märchenstunde mit Chinas Minister ++ Cassis stellt nach Treffen mit Selenska Hilfspaket für Ukraine in Aussicht

Den bisher bizarrsten Auftritt legte in Davos der chinesische Premier Liu He hin. Er leugnete jegliche Corona-Probleme in seinem Land. Weitere wichtige Reden hielten Bundespräsident Alain Berset, Olena Selenska, die Frau des ukrainischen Präsidenten, und die oberste EU-Vertreterin Ursula von der Leyen.

15:16 Uhr

Chinesischer PR-Auftritt zu Corona sorgt für Irritation

Liu He (rechts) äusserte sich zur chinesischen Coronapolitik - aber erst, als ihn Klaus Schwab (links) darauf ansprach.
Bild: Gian Ehrenzeller / EPA

China ist zurück auf der WEF-Bühne. Nicht der Staatspräsident, aber immerhin Vizepremier Liu He hielt eine ausführliche Rede, in der er schwärmte, wie gut Chinas Wirtschaft laufe. Es trage mehr als ein Drittel zum globalen Wirtschaftswachstum bei. Liu He lobt auch die Bemühungen seiner Regierung, den Klimawandel anzugehen. Kein Thema war in seiner Rede die katastrophale Corona-Situation im Land. Und das, obwohl gemäss unabhängigen Quellen teilweise 5000 Menschen pro Tag an Covid gestorben sind, weil das Regime die Null-Covid-Politik abrupt und offenkundig unvorbereitet beendet hatte.

Erst als WEF-Gründer Klaus Schwab nach der Rede seinen Gast scheu auf die Corona-Situation ansprach, ging Liu He darauf ein. Die rigide Null-Politik, die China drei Jahre lang in aller Härte durchgezogen hatte, bezeichnete er als «dynamische Null-Covid-Strategie», die nun angepasst worden sei. Für ihn ist der abrupte Politik-Wechsel ein «Signal Richtung Öffnung».

Freundlich lächelnd erklärte der zweithöchste Regierungsvertreter: «Covid hat sich in China stabilisiert. Die Bürger konnten wieder zur Normalität zurückkehren.» Um zu belegen, dass wieder alles «normal» sei, wie er wiederholt sagte, nannte er eine Statistik des Transportministeriums. «Ich habe aktuelle, erstaunliche Zahlen erhalten. Am chinesischen Neujahrsfest wurden 5 Milliarden Reisen verzeichnet, das ist sehr eindrücklich.» Das liege auch daran, dass die Gesundheitsversorgung hervorragend funktioniere, es seien genügend Spitäler und Pflegepersonal vorhanden, um Kranke zu behandeln. Unabhängige Berichte klingen jedoch ganz anders.

Liu He rief in den Saal: «Kommen Sie nach China. Sie sind willkommen und werden mit offenen Armen willkommen geheissen.» Abgesehen von einem PCR-Test würden bei der Einreise keine Auflagen gelten, auch keine Quarantäne. Anpassungen seien möglich, aber «im Grossen und Ganzen» gebe es keine Probleme mehr. Er erntete zurückhaltenden Applaus, doch die Irritation im Publikum war greifbar. (pmü)

15:00 Uhr

Cassis stellt nach Treffen mit Selenska neues Hilfspaket für Ukraine in Aussicht

Olena Selenska, die Gattin des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski, ist eine der prominentesten Persönlichkeiten dieses Jahr am WEF. In ihrer Ansprache beim Eröffnungsanlass rief sie zu Einigkeit und Zusammenhalt gegen den russischen Aggressor auf.

Im Anschluss traf sie sich zu einem Gespräch mit dem Aussenminister Ignazio Cassis. Sie überbrachte ihm einen Brief Selenskis. Cassis und der Präsident kennen sich vom letzten Jahr, als Cassis Kiew besuchte und sich stark für den Wiederaufbau engagierte.

Nach dem Treffen erklärte Cassis, Frau Selenska sei «nicht als Politikerin gekommen, sondern als First Lady». Sie habe Anliegen im humanitären Bereich, etwa für Waisenkinder, vorgebracht. Umstrittene Fragen, wie die Schweizer Neutralität oder die Blockade von Waffen- und Munitionslieferungen durch den Bund, standen offenbar im Hintergrund.

Hingegen kündete Cassis ein neues Hilfspaket an. Ende Jahr hatte der Bundesrat 100 Millionen Franken Winterhilfe für die Ukraine bewilligt. In dieser Grössenordnung dürfte sich wohl auch das neue Paket bewegen, das im Februar oder März bereit sein sollte. Es gehe noch nicht um die Finanzierung des Wiederaufbaus, wo dann von viel grösseren Beträgen die Rede sein werde, sagte Cassis. (sbü)

11:31 Uhr

Ursula von der Leyen begrüsst «meine liebste Olena»

Die EU-Kommissionspräsidentin nennt First Lady Selenska «meine liebste Olena». Ursula von der Leyen sagt, Europa werde «immer an der Seite der Ukraine» stehen, welche mit ihrer Widerstandskraft die ganze Welt beeindruckt habe und entgegen allen Erwartungen die Russen habe zurückdrängen können. «Russlands Verbrechen bleiben nicht ungestraft.»

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Bild: Laurent Gillieron / KEYSTONE

Von der Leyen betont, Europa habe die Abhängigkeit von russischer Energie innert weniger als einem Jahr massiv reduziert, nämlich um 80 Prozent. «Europa hat die Macht seines gemeinsamen Willens bewiesen», sagt sie, wie davor schon in der Pandemie. Die EU-Kommissionspräsidentin führt auch den deutlichen Rückgang des Gas-Preises (um ebenfalls 80 Prozent) auf die gemeinsamen Anstrengungen zurück.

Wie davor schon Schwab, Berset und Selenska zieht auch von der Leyen eine Linie vom Krieg zum Klimawandel. Die EU wolle bis 2050 klimaneutral sein. Die gute Nachricht für den Planeten sei, dass auch Japan einen ehrgeizigen Plan habe, Indien habe Anreize für Cleantech eingeführt, Grossbritannien und die USA ebenso: «Allein die USA und die EU investieren zusammen eine Trillion Euro, um die Klimaneutralität voranzutreiben.» (pmü)

11:15 Uhr

Olena Selenska spricht über das Schicksal der Kinder

Grosses Rascheln im Kongresszentrum: Olena Selenska redet auf Ukrainisch, und das versteht kaum einer der 1070 Gäste im Saal. Die Teilnehmenden kramen die Übersetzungs-Kopfhörer hervor, die unter jedem Stuhl liegen. «Wir müssen der Bedrohung ins Auge sehen, der Bedrohung, dass die Welt nicht weiter bestehen wird, wie wir sie kannten», sagt sie. Und fragt, was es nicht nur für die Ukraine, sondern für die Welt bedeute, wenn Landesgrenzen nicht mehr respektiert würden, wenn brutale Waffengewalt vorherrsche.

«Wir dürfen unseren Kindern kein zweites Tschernobyl überlassen»: Die ukrainische Präsidentengattin Olena Selenska.
Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone

Selenska sagt: Ohne die Beendigung des russischen Angriffskrieg könne man auch andere grosse Krisen wie etwa den Klimawandel nicht lösen. Sie wirbt für den 10-Punkte-Plan ihres Ehemannes, Präsident Wolodimir Selenski. «Wir müssen diesen Krieg so schnell wie möglich beenden», sagt Selenska. Sie geht auch auf die nukleare Bedrohung ein: «Wir dürfen unseren Kindern kein zweites Tschernobyl überlassen.» Ebenso wenig dürfe es sein, dass man Hungersnöte zulasse.

Selenska spricht auch von den Kriegsverbrechen, etwa in Butcha. Ein besonderes Augenmerk schenkt sie dem Schicksal der Kinder. Sie müssten in dauernder Angst leben, sich verstecken, und die Angriffe würden ganze Familien auslöschen. «Es gibt keine Grenze für die Grausamkeiten der russischen Angriffe.» Heute morgen seien eben wieder 43 Menschen getötet worden, sagt Selenska.

Sie appelliert: «Wenn wir zusammenstehen, können wir den Frieden erreichen.» Ihr Mann hat einen Brief geschrieben - an Alain Berset, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und an den chinesischen Präsidenten Xi Jingping. (pmü)

11:06 Uhr

Nun betritt Alain Berset die Bühne

Der Bundespräsident spricht auf Englisch. Die Nachkriegszeit erfahre gerade ihre grösste Krise. Die Ukraine sei brutal angegriffen worden, ebenso die internationale Ordnung und der Multilateralismus. Die Schweiz werde jede Anstrengung unternehmen, unter anderem im UNO-Sicherheits und in Genf, um der internationalen Rechtsordnung wieder zum Durchbruch zu verhelfen.

Sorgt sich um die Demokratie: Bundespräsident Alain Berset, hier mit Klaus Schwab.
Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone

Klimawandel, Krieg, Migration, Hungerkrisen – Berset erwähnt wie davor schon Schwab die ganz grossen Herausforderungen. Er erinnert sich an seinen WEF-Besuch 2011, als mehr Zuversicht herrschte. Doch schon damals habe Klaus Schwab vor wachsenden Ungleichheiten gewarnt, lobt Berset den WEF-Gründer.

Es sei toxisch, dass die Demokratie angegriffen würde. Gemäss Studien von «Freedom House» sei die Demokratie weltweit unter Druck. Institutionen würden angegriffen, und sie würden deshalb erodieren.

Berset geht auch auf die Pandemie und ihre Folgen ein. Nur durch gemeinsame Anstrengungen sei es gelungen, in kurzer Zeit Impfstoffe zu entwickeln und global zu verteilen. Das Impfprogramm Covax habe eine entscheidende Rolle gespielt. Das zeige: Kooperation sei wichtig, blosse Eigeninteressen führten zu keiner Lösung. (pmü)

10:57 Uhr

12 Minuten verspätet: Klaus Schwab und Alain Berset betreten gemeinsam die Bühne

Der WEF-Gründer geht ans Mikrofon, Berset nimmt vorerst auf einem Sessel auf der Bühne Platz. «Kooperation in einer fragmentierten Welt sei das Motto», startet Schwab. Die Folgen von Covid und die Transformation der Energieversorgung seien Katalysatoren des wirtschaftlichen Wandels. Schwab betont auch: Mittlere und untere Einkommen würden unter dieser Entwicklungen getroffen - insbesondere auch durch die Inflation. Das spalte die Gesellschaft.

Klimawandel, die nukleare Bedrohung, neue Viren: Solche Gefahren seien existenziell für die Menschheit, sagt Schwab in seiner dystopisch anmutenden Einleitung. Man könne diese Probleme nur gemeinsam überwinden, indem Spaltung und Fragmentierung vermindert würden. Davos könne hier eine Rolle spielen: Gemeinsame Verantwortung, Respekt, Investitionen in die Zukunft seien jetzt gefragt - «so können wir die Herausforderungen zu Chancen machen», schliesst Schwab. (pmü)