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US-Vorwahlen

81-Jähriger gegen 77-Jährigen: Amerika ist gefangen im Duell Biden gegen Trump

Donald Trump führt in den Umfragen und hat Chancen, erneut ins Weisse Haus einzuziehen. Seine Kampagne erinnert an eine Netflix-Serie, deren Folgen krasser und krasser werden. Wer glaubt, eine weitere Steigerung sei unmöglich, der irrt – das hat auch mit den Medien zu tun.
Sich wiederholende Show: Es läuft in den USA erneut auf ein Duell Biden gegen Trump hinaus.
Bild: Bild: DL/pm

Ein Beitrag über Donald Trump, muss das sein? Gut möglich, dass das Ihr Gedanke war, als Sie diesen Artikel sahen. Die Frage ist berechtigt, auch der Schreibende hat sie sich gestellt. Wie schon bei den Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 zeigt sich jetzt, vor der ersten US-Vorwahl, wieder diese seltsame Symbiose zwischen den Medien und dem Antipolitiker Trump.

Es wirkt wie eine gegenseitige Besessenheit. Die Journalisten berichten ausufernd über ihn, oft mit warnendem Unterton, Trump seinerseits vergisst bei keinem Auftritt, seine Hasstiraden gegen die «Feinde des Volkes» loszulassen. Am Ende profitieren beide, denn Aufmerksamkeit ist im Polit- wie im Mediengeschäft die wichtigste Währung.

Was die Medien betrifft, gilt das natürlich vor allem für die amerikanischen Marken. Aber das Muster ist weit darüber hinaus erkennbar, weil die US-Präsidentschaft das mächtigste Amt der Welt und Trump ein unschlagbarer Showman ist. Die Klickzahlen auf Schweizer Newsportalen beweisen, dass Trump auch hierzulande interessiert. Es läuft gerade eine neue Staffel jener verrückten Reality-Serie an, mit der wir eigentlich abgeschlossen hatten – und froh darüber gewesen waren. Nun können wir wieder nicht anders als hinzuschauen.

Neue Töne bei linksliberalen Medien

Falls Sie bis hierhin gelesen haben, stellen Sie sich vielleicht eine zweite Frage. Es ist die entscheidende. Kann es wirklich sein, dass Trump ein zweites Mal gewählt wird? Auch da muss man zuerst ein Wort zu den Journalisten sagen. 2016 wurden fast alle Medien und Umfrageinstitute blamiert, die meisten hatten einen Sieg von Hillary Clinton erwartet. 2020 waren die Prognosen viel vorsichtiger. Trump galt als Favorit – bis die Coronapandemie kam und er mit Missmanagement und Sprüchen wie «das Virus wird bald von selbst verschwinden» den Sieg verspielte.

Nun ergeben Umfragen, dass Trump reale Chancen hat, ins Weisse Haus zurückzukehren. In den US-Medien häufen sich Erklärstücke dazu, wie das sein kann: Die hohe Inflation wird genannt. It’s the economy, stupid! Und man hört neue Töne. Ein prominenter Kolumnist der linksliberalen «New York Times» schreibt, Trump habe früh erkannt, dass die «Massenmigration» das «wichtigste geopolitische Faktum des Jahrhunderts» sei. Die meisten anderen Politiker weigerten sich, die Migration als Problem anzuerkennen.

Die Journalistin und Buchautorin Maggie Haberman, ebenfalls eine Gegnerin von Trump, sieht diesen jetzt viel besser positioniert als vor vier Jahren. Trump blühe im Wahlkampf auf, wenn er als Oppositioneller statt als Amtsinhaber antreten könne: «2024 ist darum eher wie 2016 als 2020.»

Aus europäischer Sicht mögen Trumps Erfolgschancen besonders unverständlich sein, weil dieser dutzendfach angeklagt ist. Warum genau das sogar ein Pluspunkt sein kann, zeigte sich exemplarisch am Donnerstag. Mehrere TV-Sender, auch solche, die Trump ablehnend gegenüberstehen wie CNN und MSNBC, übertrugen dessen Pressekonferenz zum Betrugsprozess live.

Die Anklagen als Aufmerksamkeitsbooster

Minutenlang konnte der Angeklagte ungefiltert erzählen, er sei das Opfer einer Hexenjagd, und gleich noch seine Wahlkampfparolen verbreiten. Inhaltlich erzählt er stets dasselbe, aber in der Formulierung wird er immer radikaler und beschwörender: In einem Clip präsentiert er sich gar als Geschenk Gottes. Wer glaubt, die Folgen der neusten Trump-Staffel liessen sich nicht mehr steigern, sieht sich getäuscht.

Womöglich hätte eine Mehrheit der Amerikaner genug davon, gäbe es eine überzeugende Alternative. Doch Joe Biden, 81, ist für viele vor allem eines: alt und kraftlos. Trump, bloss vier Jahre jünger, wirkt vitaler. Das ist die zweite Besessenheit dieses Wahlkampfs: Biden und Trump brauchen einander. Andere Akteure spielen bestenfalls Nebenrollen, die Republikanerin Nikki Haley dürfte die Einzige sein, die noch ein wenig Spannung aufrechterhalten kann.

Trump, der alle Verlierer verachtet, will seine Schmach von 2020 tilgen. Biden glaubt, nur er sei imstande, Trump zu schlagen, das habe er ja bewiesen. So ist Amerika in diesem Biden-Trump-Duell gefangen. Und mit Amerika der Rest der Welt.

In der Ukraine und in Nahost toben Kriege, und China weitet seinen Machtbereich aus – da wäre es auch für die Schweiz und Europa wichtig, ein gut geführtes Amerika zu haben. Wegzappen hilft nicht. Die US-Wahl ist keine Show, sondern bittere Wirklichkeit.

«Schweiz am Wochenende»-Chefredaktor Patrik Müller verbrachte 2018 ein halbes Jahr in den USA, als Trump Präsident war, und besuchte mehrere Medienhäuser. Für das «Wall Street Journal» verglich er Trumps Aufstieg mit jenem Blochers in der Schweiz.