Selten hat der Findungsprozess nach einem Chefredaktor der Schweiz so hohe Wellen geworfen, wie nach dem Rücktritt von Markus Spillmann bei der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Als ruchbar wurde, dass Markus Somm, Verleger und Chefredaktor der Basler Zeitung im Rennen war, wurden Mitarbeiter, Aktionäre und Abonnenten dagegen mobilisiert.
Seit dieser Woche ist klar, wie der neue Kapitän heisst: Eric Guyer, bisher Leiter des Auslandressorts. Gleichzeitig wurde Felix E. Müller, der Chefredaktor der NZZ am Sonntag, sowie die ehemalige stellvertretende Chefredaktorin des Sterns, Anita Zielina, in die Chefredaktion gewählt.
Die Diskussion um die Personalie geschieht vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Wandels, in dem das Medienhaus steckt. Dazu gehört die Schliessung der Druckerei im zürcherischen Schlieren, die damit verbundenen Entlassungen sowie die Auslagerung des Druckauftrags an die Konkurrentin Tamedia - vor Jahren kaum denkbar.
Wegen der Schliessung der Druckerei und den damit zusammenhängenden Wertberichtigungen und Rückstellungen präsentierte die NZZ-Mediengruppe am Freitag einen Verlust von fast 40 Millionen Franken. «Ab Mitte 2015 werden wir unsere Druckkosten variabel gestalten. Mit dem Rückgang von Print sinken dann auch die Kosten. Weil Digital mit geringeren Kosten verbunden ist, ist der Grenzdeckungsbeitrag von Digital entsprechend höher», sagt der CEO der NZZ-Mediengruppe, Veit Dengler.
Operativ fanden die Erosionen im Kerngeschäft jedoch einen Boden. Der Umsatz des Medienhauses belief sich im vergangenen Geschäftsjahr auf 471,1 Millionen Franken, nur wenig tiefer als im Vorjahr. Laut Dengler konnte man allein bei der NZZ und der NZZ am Sonntag die verkauften Digital-Abonnemente um 49 Prozent auf rund 16 600 steigern.
Die Zahlen zeigen, wie es strategisch mit der Mediengruppe weitergeht. Doch anders als die Medienhäuser Ringier oder Tamedia will man bei der NZZ die Umsatzeinbussen im Kerngeschäft nicht mit betriebsfremden Geschäften kompensieren. «Unsere Strategie beruht auch in Zukunft darauf, mit Medien oder mediennahen Geschäften Geld zu verdienen», so Dengler.
Einen Tag vor der NZZ publizierte Tamedia ihre Zahlen. Der Reingewinn stieg dort – unter anderem dank des Buchgewinns aus dem Verkauf der Publigroupe-Aktien – gar um mehr als ein Drittel auf 159,7 Millionen Franken. Die digitalen Plattformen wie Homegate.ch oder Jobs.ch steuern dabei rund 24 Prozent zum Umsatz bei. Beim Gewinn sind es 33 Prozent. Bei der NZZ liefern die Erträge aus den mediennahen Bereichen wie Konferenzen oder dem zugekauften Wirtschaftsinformationsdienst Moneyhouse.ch einen rechten Teil des Betriebsertrags ab.
Bei der NZZ bleibt neben Veit Dengler vor allem Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod, der die NZZ Gruppe seit 2013 präsidiert, im Fokus der Aufmerksamkeit. Noch halten die «Freunde der NZZ», wie sich eine aktivistische Aktionärsgruppe nennt, an ihm als Präsidenten fest. Doch der Antrittsbonus, den dieser aufgrund seiner Leistungen bei Galenica erhielt, die er von der Apothekengruppe zu einem erfolgreichen Pharmaunternehmen gezimmert hatte, ist spätestens nach dem missglückten Versuch Markus Somm als neuen Chefredaktor zu installieren, aufgebraucht.
Beobachter gehen sogar davon aus, dass Jornods Tage bei der NZZ bald gezählt sind. «Der Unerfahrene», bezeichnete ihn das Wirtschaftsmagazin Bilanz bei seinem Amtsantritt. «Denn er wusste nicht, was er tat», bilanzierte die Fachzeitschrift Schweizer Journalist seine Rolle in der Causa Somm.
Ein Rückblick auf seine Zeit bei Galenica, wo er seit 1975 tätig ist, zeigt jedoch, dass Jornod sehr wohl Sitzleder beweisen kann. Es dauerte Jahre bis er aus der Einkaufsgemeinschaft eine Aktienperle machte, auf die sogar der Investor Martin Ebner schwört.