1. Wo waren Sie, als TeleZüri am 2. Oktober 1994 erstmals live ging?
Oliver Steffen: Wie viele am TV. Die eigentliche Premiere habe ich verpasst, wie mir Hugo Bigi erst kürzlich gestanden hat. Schon am Vorabend um 22 Uhr ist er aus einer spontanen Laune heraus auf Sendung gegangen, hat die Telefonnummer ins Studio angesagt und schon riefen die ersten Zuschauer an.
2. Was war Ihr ganz persönliches Highlight?
Die Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat und die Wahl von Evelyne Widmer-Schlumpf. Statt wie erwartet einen Vormittag dauerte es unerwartete zwei Tage. Unsere Stylistin hat uns aber von Kopf bis Fuss neue Kleider gekauft, sodass wir am nächsten Morgen wieder frisch in die Stuben flimmern konnten.
3. Was war das chaotischste Live-Erlebnis?
Der Stromausfall während der Bundesratswahlen acht Jahre später. Mitten in der Produktion hiess es: «Wir haben in Zürich keinen Strom und sind nicht mehr auf Sendung.» Im hell erleuchteten und voll funktionsfähigen Studio im Bundeshaus konnten wir deshalb nicht mehr tun als warten, bis wir wenigstens pünktlich auf die Ersatzwahl von Evelyne Widmer-Schlumpf zurück waren.
4. Gibt es einen Beitrag, den Sie am liebsten vergessen würden?
Ich war an einem frühen Morgen im Januar 2008 Produzent der ZüriNews. Ein Mann rief an und erzählte, er sei von Teenagern im Hauptbahnhof angegriffen worden. Entstanden ist daraus der Kult-Beitrag über Ylmaz Z. «Angscht und Gäld han ich kei». Er ging viral und war inhaltlich korrekt, aber richtig stolz darauf bin ich bis heute nicht.
5. Bei welchem Talk-Gast füllt sich Ihre Mailbox am schnellsten?
Es sind jene, die das Publikum Nerven kosten, weil sie mit Wucht argumentieren. An der Spitze stehen wohl Jacqueline Badran und Roger Köppel. Bei beiden fluten Fans und Kritiker die Mailbox.
6. Welcher Politikerkarriere hat die «SonnTalk»-Präsenz den stärksten Schub gegeben?
Es ist eine Generation, die vom ursprünglich rein zürcherischen «SonnTalk» profitiert hat: Mario Fehr, Daniel Jositsch, Natalie Rickli, Martin Bäumle, Doris Fiala, Bastien Girod, Jacqueline Badran, Roger Köppel und so weiter. Alle wussten, die TV-Präsenz zu nutzen. Aktuellstes Beispiel ist Bundesrat Albert Rösti, der ebenfalls «SonnTalk»-gestählt ist.
7. «Mit Fädere vo tote Tier» – wie oft haben Sie Ernst Fischer und seinen Bettwaren-Spot in den letzten 30 Jahren gesehen?
Unzählige Male und ich schaue ihn trotzdem heute noch aktiv an. Noch genauer hingeschaut habe ich bei unserem Reportagemagazin +41, das den eigentlich öffentlichkeitsscheuen Ernst Fischer erstmals porträtieren durfte.
8. Ist je ein Talk-Gast nicht erschienen?
Kurzfristige Absagen kann es immer mal wieder geben. Am nervösesten war ich beim wohl berühmtesten Häftling Brian Keller, obwohl ich nicht mal moderierte. Er erschien erst zehn Minuten vor der Sendung. Kollege Hugo Bigi nahm das glücklicherweise sehr gelassen.
9. Warum ist der «SonnTalk» besser als die «Arena»?
Der «SonnTalk» ist schneller, unvorhersehbarer und mehr auf den Punkt mit drei Themen aus der Wochenaktualität. Im Studio sitzen drei Politikerinnen und Politiker, die sich dazu äussern müssen. So entstehen überraschende Positionen, unerwartete Schulterschlüsse und Emotionen. Nach 32 Minuten ist Schluss. Einfach gesagt: Das Publikum weiss, was es erhält.
10. Warum ist die «Arena» besser als der «SonnTalk»?
In der «Arena» wird auf ein Thema fokussiert und dieses mit mehr Tiefe diskutiert. Beide Sendungen ergänzen sich gut. Während der «SonnTalk» in der Region Zürich fast doppelt so viel Publikum erreicht wie die «Arena», hat die SRF-Sendung im Rest der Deutschschweiz die Nase vorn. Total kommen beide Sendungen im Schnitt auf eine etwa gleichhohe Anhängerschaft.
11. Haben Sie eine Lieblings-Werbe-Ikone aus der TeleZüri-Geschichte?
In Erinnerung bleibt mir der Besuch bei der Frau und den drei Töchtern des Teppichdoktors für einen «SommerTalk» kurz nach seinem frühen Tod. Wie die vier Frauen nun mit vollem Elan weitermachen, beeindruckt mich.
12. Wie schalten Sie ab?
Ich kann das sehr gut bei meiner Familie mit den beiden Kindern. Bei uns ist es sehr lebhaft, es wird viel gelacht und diskutiert, da tritt der Job automatisch in den Hintergrund.
13. Was war Ihr erster Gedanke, als Christoph Blocher vor laufender Kamera von der Sechseläuten-Talk-Bühne stürzte?
Vermutlich derselbe wie bei Moderator Markus Gilli: «Ui, Jesses Gott.» Er selbst nahm es mit Humor und schrieb später in einer Antwort auf unsere Entschuldigung hin: Im Flug verhalte er sich jeweils wie eine Katze und lande auf den Pfoten.
14. Was ist das Beste am Journalismus?
Journalismus ist der schönste Beruf der Welt und ein absolutes Privileg. Man erlebt Geschichte und Geschichten aus der ersten Reihe. Diese den Menschen sachgerecht erzählen und einordnen zu dürfen, erfüllt mich jeden Tag.
16. Werden Fernsehmoderatoren dereinst durch künstliche Intelligenz ersetzt?
Können Sie sich eine digital erzeugte Patricia Boser vorstellen? Mir graut es davor. Echte Menschen werden auch künftig mehr Nähe und Glaubwürdigkeit erzeugen können. Ich will aber nicht ausschliessen, dass es spezifische KI-Sendungen mit computergenerierten Moderatorinnen oder Moderatoren geben wird.
15. Mögen Sie Roboterkameras?
Nein, sie sind Maschinen. Menschen hinter der Kamera sind mir lieber. Aber die Roboterkameras sind ein Teil der technologischen Entwicklung.
17. Welchen Talk-Gast hätten Sie gern mal im Studio?
Lustigerweise habe ich keinen Traumgast. Sehr attraktiv sind für mich hochaktuelle Themen, die sich am Tag selbst ereignet haben.
18. Wenn es Donald Trump wäre, was würden Sie ihn als Erstes fragen?
Am besten direkt mit der Tür ins Haus: «Ist Ihre Frau Melania für einmal auch mit dabei?» Im Wissen, dass seine Ehe wohl nur noch Schein ist, und sein «Nein» der Grundstein für weitere persönliche Fragen sein kann. Ich rechne in den nächsten sechs Wochen aber nicht mit einem Besuch von ihm im Studio.
19. Ist Jacqueline Badran als Gast ein Traum oder ein Albtraum?
Ein Traum, weil sie eine Meinung hat und diese argumentativ unterlegen kann. Ein Albtraum, weil ich sie dauernd unterbrechen und stoppen muss.
20. Was ist die wichtigste Kleiderregel?
Die Kleider sollen weder vom Thema noch vom Gast ablenken.
21. Wie geht es Markus Gilli?
Er freut sich sehr über das 30-Jahr-Jubiläum von TeleZüri und dem Sender, den er massgeblich als Journalist, als Talker und als Chef geprägt hat. Sein Privatleben hat er schon während seiner Zeit als TV-Gesicht privat gehalten und das, finde ich, sollte man respektieren.
22. Gerhard Pfister gilt als grösster SRF-Kritiker, wer ist eigentlich der grösste TeleZüri-Kritiker?
Vermutlich Roger Schawinski. Er wünscht sich regelmässig mehr Veränderung im Programm. Weil es heute im Vergleich zum Beginn viele neue Sendungen gibt und wir dauernd weitere erfinden, kann ich mit der Kritik gut leben. Der Kern – News und Talk, getragen von der Aktualität – ist ja tatsächlich noch da, weil beides hervorragend funktioniert.
23. Bei welchem Talk-Gast dachten Sie: «Den hätten wir lieber nicht eingeladen»?
Am meisten stört es mich bei politischen Diskussionen über Abstimmungsvorlagen, wenn die beiden Gäste nicht auf Augenhöhe sind.
24. Wer wählt aus, welche Anrufer in die Livesendung von «TalkTäglich» durchgeschaltet werden?
Zuerst entscheidet die Telefonistin, wer in die Warteschleife kommt. Während der Sendung sind es die Moderierenden.
25. Was machen Sie gleich wie Roger Schawinski?
Ich verfüge ebenfalls über eine grosse Leidenschaft für den Journalismus und wähle jederzeit eine kritische Herangehensweise an Gäste und Thema, gespickt mit dem nötigen Humor.
26. Was machen Sie anders als Roger Schawinski?
Ich stelle mich und meine Meinung weniger in den Mittelpunkt und sehe mich mehr als Diskussionsleiter. So bin ich auch als Mensch. Roger Schawinski ist ebenfalls so, wie er ist. Beides ist authentisch und das finde ich zentral.
27. Wen duzen Sie, wen siezen Sie?
Jene, mit denen ich per Du bin, duze ich. Ich empfinde das sonst als gestellt und nicht transparent. Heute ist man viel schneller per Du als noch vor zwanzig Jahren und respektiert sich trotzdem.
28. Welches ausländische TV-Format schauen Sie regelmässig?
Ich konsumiere regelmässig News und Talks wie beispielsweise Markus Lanz. Sehr gerne höre ich aber auch Podcasts wie «How I built this» zur Inspiration. Beides auf dem Arbeitsweg. Abends, wenn die Kinder im Bett sind, nutze ich die Zeit für Gespräche mit meiner Frau.
29. Haben Sie ein Vorbild?
Ich habe von Markus Gilli enorm viel lernen dürfen. Das schätze ich sehr. Es ist mit ein Grund, dass ich heute da bin, wo ich bin. Gleichzeitig sieht man durch den Konsum von anderen Talksendungen immer wieder Details, die man einbauen kann.
30. Was wünschen Sie sich für die nächsten 30 Jahre TeleZüri?
Das Team kämpft täglich dafür, den Menschen das relevante Geschehen in Zürich, der Schweiz und auf der Welt erzählen und erklären zu können. Genau diese Leidenschaft und diesen aussergewöhnlichen Teamgeist, der seit Tag eins herrscht, wünsche ich TeleZüri auch für die nächsten dreissig Jahre. (chm)