notifications
Sammlung Rosengart

Wolfgang Sieber auf den musikalischen Spuren von Picasso

Wie passt eine Hausorgel zur unbändigen Bildsprache Picassos? Das jüngste Konzert in der Sammlung Rosengart gab mit einem Trio um den Organisten Wolfgang Sieber überraschende Antworten.
Kammermusik mit Orgel: Kontrabassistin Madlaina Küng, Akkordeonistin Andrea Stocker und Organist Wolfgang Sieber in der Sammlung Rosengart Luzern.
Bild: zvg

So wollüstig geht es in Klassikkonzerten normalerweise nicht zu und her. Da bäumt sich der Mann über der Frau auf und bläst sie mit seiner Schalmei in einen Taumel hinein, bei dem sich Gesicht und Körper – zwei Brüste, eine Halt suchende Hand, ein verrenkter Fuss – auflösen. Das Bild von Pablo Picasso zieht in dem für Konzerte genutzten Saal der Sammlung Rosengart vorne prominent den Blick auf sich. Und so fragt man sich, wie zu diesem Sinnbild erotischer Ekstase ausgerechnet Musik mit einer Hausorgel passen soll.

Im aktuellen Museumskonzert nämlich brachte am Dienstag eine solche der Organist Wolfgang Sieber mit – und dazu auch Akkordeonistin Andrea Stocker und Kontrabassistin Madlaina Küng. Tatsächlich brauchte es eine Weile, bis man Picassos unbändige Bildsprache und die Musik zusammenbrachte. Im ersten Medley wirkten Haydns Kompositionen für eine Flötenuhr in ihrer Mechanik wie das Gegenteil zum Freigeist Picasso. Die Idee, unter dem Motto «Klassik tanzt» Musik zusammenzustellen, die einen Moment der Bewegung enthält und damit Geschichten erzählt, wie Sieber in den Moderationen erklärte, nahm mit Beethovens «Musik zu einem Ritterballett» Fahrt auf: Die Orgel verblüffte mit orchestralem Glanz, das Akkordeon verströmte weiche Moll-Melancholie, und beide Instrumente vereinten sich, getrieben vom kernigen Kontrabass, zum Hörner-Geschmetter bei der Jagd – ein erster Höhepunkt in der raffinierten Kombination der drei Instrumente

Variété statt bildungsbürgerliche Klassik

Das Motto «Klassik tanzt», von Angela Rosengart persönlich vorgeschlagen, setzte bewusst den Akzent nicht auf bildungsbürgerliche Klassik, die Picasso nicht interessierte. Seine musikalische Heimat lag im spanischen Flamenco und im Pariser Variété – und der musikalische Querdenker Wolfgang Sieber führte diesen Geist weiter und zurück zur Klassik selber. Das Mozart-Medley trumpfte mit einer pfannenfertigen Kleinen Nachtmusik auf. Aber danach verschattete der Schalmeiton des Akkordeons das Benedictus aus der «Krönungsmesse», die Sarastro-Arie des Kontrabasses transformierte sich improvisatorisch in den türkischen Marsch. Und so kehrten sich die Perspektiven immer wieder um, wie man es an Bildern von Picasso rundherum an den Wänden beobachten kann.

Höhepunkt dieser Anverwandlung der Klassik an eine entgrenzte imaginäre Weltmusik waren nach der Pause Lieder von Franz Schubert. Die raffinierten Arrangements (alle von Sieber) nutzten hier den Schmelz des Akkordeons, die Rauheit des Kontrabasses und die mystischen Farben der Orgel, um diese Winterreisen sowohl erstarren zu lassen wie auch aufzutauen. Und dies so ergreifend, dass man sich das ganze Werk in dieser Besetzung wünschen würde.

Eigentliche Tanzstücke von Rachmaninow (eine Perle zum Mitschunkeln: «Polka Italienne»), Ogiński, Bartók und Kodály liessen das Konzert zwar leicht ausklingen. Aber auch da verband das vorzügliche Trio volksmusikalischen Drive mit dem Feinsinn von Kammermusik, für die sich die Hausorgel, hier weit mehr als ein Jahrmarktsinstrument, vorzüglich eignet.

Nächste Veranstaltung in der Sammlung Rosengart: Angela Rosengart im Gespräch mit Karl Bühlmann, Di, 4. Juli, 19.00 Uhr.

Kommentare (0)