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Theater

Theater-Gestalterin ohne Brechstange

Barbara Frey erhält den Schweizer Grand Prix Darstellende Künste / Hans-Reinhart-Ring 2022. Damit wird eine Regisseurin und Intendantin geehrt, die über die Landesgrenzen hinaus zu den grossen Namen zählt.
Bild: KEYSTONE/APA/APA/GEORG HOCHMUTH

Als "umsichtige Intendantin" wird Barbara Frey in der Mitteilung des Bundesamts für Kultur zur Vergabe des wichtigsten Schweizer Theaterpreises beschrieben – und als Intendantin, die ihren Zürcher Theaterspielplan "ohne Brechstange" gestaltet habe. "Schweizer Ruhe und Understatement" attestierte ihr die "Süddeutsche Zeitung" im Zusammenhang mit ihrem jüngsten Engagement als Leiterin der Ruhrtriennale im deutschen Ruhrpott.

Sonderlich an- und aufregend lesen sich solche Beschreibungen nicht. Besonders nicht in einer Zeit, in der die Theater nach der Pandemie-Zäsur um die Wiedergewinnung des Publikums buhlen müssen.

Die Schlagworte stehen aber nicht für Langeweile. Es geht vielmehr darum, das Feingefühl der Theaterfrau im Umgang mit den Stoffen und den Formen der Bühnenkunst zu umschreiben. Gerade dieses hat sie zur begehrten Regisseurin an allen grossen deutschsprachigen Häusern werden lassen. Und das zeichnet sie als regieführende Intendantin des Schauspielhauses Zürich (2009 bis 2019) und aktuell des Gesamtkunstfestivals Ruhrtriennale aus.

Barbara Frey ist 1963 in Basel geboren, hat in Zürich Germanistik und Philosophie studiert und sich als Schlagzeugerin in Rockbands und an der Seite des international bekannten Trommelkünstler Fritz Hauser ausgetobt.

Zu ihrem erklärten Traumort Theater gelangte sie denn auch vorerst als Musikerin. Das war 1988 am Theater Basel. Das Dreispartenhaus avancierte unter der Intendanz von Frank Baumbauer zur stilbildenden Bühne im deutschsprachigen Traum und zur grossen Talentschmiede. An Freys Seite gelang unter anderem auch einem weiterer Theatermusiker der Durchbruch als Regisseur und grosser Theatermacher: Christoph Marthaler.

Theater auf Basis von Literatur

Mit Marthaler teilt Frey das Faible für das Musikalische und ihren humorvoll-poetischen Blick auf die Banalitäten und Monstrositäten des Alltags. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied: Frey erfindet auf der Bühne keine eigenen Welten, sie gestaltet sie nach literarischen Vorlagen. Sie mache Theater auf Basis der Literatur, schrieb der Theaterautor Thomas Jonigk in einer Rückschau auf die Zürcher Intendanz. "Sie vertraut den Texten, denen sie sich annimmt."

Ihr Credo umschrieb sie selber in einem Interview mit der Fachzeitschrift "Theater der Zeit" so: "Theater ist eine alte Kunst, und bei allen sinnfälligen und notwendigen Erneuerungen müssen wir auch auf Beständigkeit bauen."

Das heisst nicht, dass Barbara Frey als Regisseurin aussergewöhnliche Konzepte und Ideen scheute. In ihrer ins Groteske überführten Inszenierung von Witold Gombrowiczs Satire "Yvonne, die Burgunderprinzessin" liess sie zum Beispiel auch die weiblichen Hauptrollen von Männern spielen.

Treue Weggefährtin

Als Intendantin zeigte sie sich auch sehr offen für ganz andere Produktions- und Regiehandschriften. Während der Basler Baumbauer-Ära in den 1980ern hatte sie neben Marthaler unter anderem auch den Stückezertrümmerer Frank Castorf und den Slapstick-Dompteur Herbert Fritsch kennengelernt. Beide konnten später am Zürcher Schauspielhaus zusammen mit weiteren Regiepersönlichkeiten so etwas wie ästhetische Antithesen zu Freys eigenen Inszenierungen abliefern.

Ebenfalls in Basel war es 2003 mit der gefeierten Uraufführung des Stücks "Die sexuellen Neurosen unserer Eltern" zur ersten Kollaboration mit Schriftsteller Lukas Bärfuss gekommen, mit dem sie am Zürcher Schauspielhaus weiter zusammenarbeitete.

Barbara Frey bezeichnete ihre Rolle als Intendantin einmal als "Gastgeberin", die sich einem "Treuebegriff" verpflichtet fühle. "Das hat nichts mit Romantik zu tun, sondern mit der Einsicht in die Notwendigkeit von Komplizenschaft", sagte sie in einem Interview rückblickend auf ihre Zeit als Theaterchefin in Zürich.

Auch in Bezug auf das schwierige Theaterpflaster Zürich erwies sie sich als überaus treue Person. Zehn Jahre lang leitete sie die Traditionsbühne - so lange wie kaum jemand vor ihr. Und es waren zehn Jahre ohne die grosse Krisen, die das Haus vor und auch nach ihr erschütterten. Inhalt ging vor Skandal. "Die Zeit von Frey wird als das Jahrzehnt des Burgfriedens in die Zürcher Theatergeschichte eingehen", schrieb die "Neue Zürcher Zeitung" im Sommer 2019 zu ihrem Abschied. (sda)