notifications
Aktenzeichen Theater 

Subventionspoker am Schauspielhaus Zürich? Wie man mit Gerüchten Kulturpolitik macht

Im Januar wird die Stadt Zürich über die Verträge mit den Schauspielhaus-Intendanten Benjamin von Blomberg und Nicolas Stemann entscheiden. Weil ein klares Bekenntnis der Kulturpolitik fehlt, spielen bürgerliche Politiker und Medien mit dem Theater Schwarzer Peter. 

Gegen Benjamin von Blomberg (links) und Nicolas Stemann (rechts) ist eine Medienkampagne im Gang. Am 17. Januar wird die (Nicht-)Verlängerung ihres Vertrags bekanntgegeben.
Bild: Andrea Zahler

Das wichtigste und renommierteste Theater der Schweiz kommt nicht aus den Schlagzeilen. Erst konstruiert «Der Tagesanzeiger» einen abstrusen Mobbingvorwurf; später versuchen Kritiker und Trittbrettfahrer, den Spielplan der Intendanten verantwortlich zu machen für sinkende Abonnementzahlen. Als Neustes kratzen trübe Quellen üble Nachreden zusammen, und die «Sonntagszeitung» holt zu einem nächsten Schlag aus. Er lautet so: Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg machen die Verlängerung ihres Vertrags von einer «substanziellen Subventionserhöhung» abhängig. Die (Nicht-)Verlängerung der beiden wird am 17. Januar publik.

Zur Einordnung: Über 70 Prozent der Zuschauer des Schauspielhauses haben ihr Abonnement für die kommende Spielzeit erneuert. Die in Zürich festzumachende sinkende Auslastung beziehungsweise der nach Corona andauernde Publikumsschwund ist nicht allein ein Zürcher Phänomen. Die Feststellung betrifft Kulturinstitutionen im gesamten deutschen Sprachraum, und vor allem: Viel gravierender als Theater macht sich der Zuschauerschwund in Klubs und Kinos bemerkbar.

«Hinweise aus der Bevölkerung» führen zum Leerlauf im Ratsbetrieb

Über die neusten Vorwürfe, die an Nicolas Stemann und Benjamin von Blomberg im Raum stehen, weiss man: Es gibt dafür weder schriftliche Belege noch stehen namentlich bekannte Informanten dafür gerade. Die Theaterleitung dementierte postwendend. Doch allein das Hörensagen reicht offensichtlich aus, um in Zürich den bürgerlichen Teil Gemeinderat in Unruhe zu versetzen.

Kurz vor Weihnachten deponierten zwei FDP-Gemeinderäte eine sogenannte Dringende schriftliche Anfrage, sie taten das aufgrund «unbestätigter Hinweise aus der Zürcher Bevölkerung», wie sie schreiben. Ihre Anfrage formuliert sechs Fragen zur Vertragsverlängerung von Stemann und von Blomberg. «Hat die Leitung des Schauspielhauses Forderungen an den Stadtrat gestellt?» Und: «Besteht Exklusivität während der Verhandlungen (keine anderen Verhandlungen mit anderen Kulturinstitutionen oder dergleichen)?» Die Dringliche Anfrage erhielt Unterstützung von 33 Mitunterzeichnern vornehmlich aus dem Lager der SVP. Die Annahme, das Schauspielhaus sei mit dem Stadtrat in Geheimverhandlungen, um ihre Verlängerung abhängig zu machen von einer Besserstellung, welcher Art auch immer, scheint für seine Kritiker eine Tatsache zu sein.

Inzwischen ist das Misstrauen gegen das Theater so angespannt, dass auch der Teuerungsausgleich an den Betrieb zur Disposition gestellt wird. Die Stadt Zürich leistet der Schauspielhaus Zürich AG jeweils Beiträge zur Anpassung der Besoldungen. Die Summe richtet sich nach der Höhe des Teuerungsausgleiches, der dem städtischen Personal gewährt wird. Über die Festlegung des Betrags entscheidet der Stadtrat, die Höhe für 2022 wird Ende Februar bestimmt. Kantonale Angestellte inklusive Lehrpersonen erhalten mit 3,5 Prozent den vollen Teuerungsausgleich, damit ist der Kanton Zürich schweizweit der grosszügigste.

Wo bleibt die Unterstützung durch die Stadt?

Die Leitung des Theaters wendet sich inzwischen auf der Website des Hauses an die Zuschauer. «Liebes Publikum, wir bleiben dran. Wir sind nicht frei von Fehlern und Fehleinschätzungen, auch was unseren Kurs der Diversifizierung anbelangt. Wir werden dazulernen und ihn entschieden weiterverfolgen. Wir wollen ein Stadttheater für möglichst viele sein.»

Das sind differenzierte und selbstkritische Worte. Doch was die Intendanten inzwischen «wollen», und sei es «Dazulernen», ist nicht mehr von Belang. In der Meinung der Politik ist die Theaterleitung auf Kurs in eine Finanzkrise.

Vergessen geht im Dickicht der Schlagzeilen einiges. Stemann und von Blomberg erfüllen erstens das neue Kulturleitbild der Stadt. Inklusion und Diversifizierung sind nicht deren Hobbys, sondern städtische Vorgaben. Zweitens scheint in Zürich Kulturpolitik vornehmlich aus Finanzpolitik zu bestehen, ein Armutszeugnis. Und drittens: Wer über die Qualität des Schauspielhauses den Stab brechen will, müsste mehr als die Bilanzen kennen. Nur wer sich mit dem Bühnengeschehen beschäftigt, versteht die Bedeutung der Ziffern wirklich.

Kommentare (0)