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Startenor Rolando Villazón auf einer musikalischen Zeitreise: Bravouröse Doppelleistung mit kleineren Schwächen

Startenor Rolando Villazón trat am Donnerstagabend mit einem Liedrezital im KKL auf. Und er musste gleich noch eine zweite Aufgabe übernehmen.

Startenor Rolando Villazón bei seinem Auftritt im KKL in Luzern. Im Hintergrund Pianistin Carrie-Ann Matheson.
Bild: Bild: Jakob Ineichen
(17. November 2022)

Der mexikanisch-französische Opernsänger Rolando Villazón hat eben eine neue Tournee gestartet, mit der er durch die Schweiz, Deutschland und Österreich zieht. Das Programm ist überschrieben als «eine musikalische Weltreise durch die Zeit». Die Zeitspanne umfasst mehrere Jahrhunderte, sowohl, was die Musik angeht, als auch die Texte dazu. Villazón war an diesem Abend zu einer Doppelrolle als Solist und Moderator verdonnert. Der vorgesehene Holger Wemhoff, Chefmoderator des Senders Klassik Radio, fiel krankheitshalber aus. Und so hat der Sänger diesen Part ebenfalls übernommen. Der mexikanisch-französische Sänger spricht sehr gut Deutsch, doch der Wechsel von der Moderation zum Gesang muss für ihn doch anstrengend gewesen sein. Er meisterte dies jedoch bravourös.

«Das stört das Publikum und die Kunst»

Das Programm der ersten Konzerthälfte am Donnerstag im KKL umfasste Musik aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Mit Mozarts «Abendempfindung» KV 523 tat sich der Tenor noch etwas schwer, da fehlten Linie und Phrasierungskunst. Weit besser gelangen dem 50-jährigen Sänger Franz Schuberts «An die Musik» und «Allerseelen» von Richard Strauss. Es folgten Werke von Henri Duparc, Federico Mompou und Fernando Obradors. Diese gestaltete Villazón mit viel Leidenschaft und Emphase. Er liess sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als irgendwo im Saal oben ein Smartphone klingelte … Er meinte danach lapidar: «Das stört das Publikum und die Kunst.»

Dem «L’esule» von Giuseppe Verdi mangelte es an Schmelz und Eleganz. Weit besser gelangen dem Tenor die Arietta «Vaga luna» von Vincenzo Bellini und die feurige Tarantella «La danza» von Gioachino Rossini, untermalt mit viel Mimik und Gestik, die den ersten Teil beschlossen. Das ganze Konzert über konnte sich der Sänger auf ein inspiriertes und präzises Klavierspiel seiner Mitstreiterin Carrie-Ann Matheson verlassen.

Vertont in der Sprache der Azteken

Im zweiten Teil des Programms fühlte sich Rolando Villazón offensichtlich wohler und gelöster. Es begann mit Kurt Weills «Four Walt Whitman Songs», zu denen sein Gesang mit viel Fortesingen besser passte als bei den romantischen Stücken zuvor. Besonders eindringlich gestaltete der Tenor das «Oh Captain! My Captain!». Speziell für diese Tournee schrieb der britische Komponist und Sänger Iain Bell sein Stück mit dem zungenbrecherischen Namen «Nezahualcoyotl Ixochitlajtol», vertont in der Sprache der Azteken. Ein Werk, das zu gefallen wusste. Villazóns Kommentar dazu: «Ich liebe diese Musik immer mehr.»

Den Abschluss bildeten drei Stücke von modernen Komponistinnen, von Gisela Hernandez (Kuba), Inés Halimi (Schweiz/Frankreich) und von Maria Grever (Mexiko). Für die Werke dieser drei Frauen fand Villazon subtile Zwischentöne, und auch das Piano sprang nun besser an als noch zuvor bei den Klassikern.

Die Abende mit Rolando Villazón sind immer auch geprägt vom lateinamerikanischen Temperament und Charisma des Sängers. So auch im KKL. Er wirkte zunehmend aufgedreht, hielt sich mit clownesken Eskapaden aber zurück. Im Publikum sassen viele eingefleischte Fans. Nach Standing Ovations beschenkte er seine Zuhörer mit drei Zugaben.

Über das Ganze gesehen ein Rezital mit Licht und Schatten, gesungen in sieben Sprachen. Villazóns Stimme im heutigen Zustand spricht am besten im Forte an. Leise Zwischentöne und dynamische Feinheiten sind eher rar. Das hinterlässt den Eindruck von Kraftakten und purer Lautstärke und trübte so vor allem den ersten Teil des Konzerts. Im zweiten Teil konnte Villazón mit dieser Art von Gesang besser punkten. Nicht zu vergessen die Doppelfunktion an diesem Abend als Interpret und Moderator. So gesehen hat Rolando Villazón eine beachtliche Leistung hingelegt.

Hinweis: Das Konzert mit Rolando Villazón ist am Sonntag, 20. November, 17 Uhr, auch in der Tonhalle Zürich zu erleben.

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