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Lucerne Festival

Moderne Orchestersinfonik für Faulenzer und Bergwanderer

Das Lucerne Festival Contemporary Orchestra spielt am Festival eine Schlüsselrolle: Ein «Achttausender» der Neuen Musik und zwei Uraufführungen spannten ein Bogen über drei Jahrzehnte.
Der Composer in residence als Dirigent:  Enno Poppe
leitet das Lucerne Festival Contemporary Orchestra.
Bild: Priska Ketterer/Lucerne Festival

Im Paralleluniversum der zeitgenössischen Musik spielt das Lucerne Festival Contemporary Orchestra eine so prominente Rolle wie das Lucerne Festival Orchestra im traditionellen Repertoire. Ja, es ist noch exklusiver mit aufwendigen Uraufführungen und Klassikern der Moderne.

Damit holte es am Samstagmorgen das Paralleluniversum aus dem Elfenbeinturm heraus. Das galt schon für die Einführung von Enno Poppe in Mathias Spahlingers «passage/pay­sage». Die Menschen, sagte der als Dirigent auftretende Composer in residence, liessen sich in ihrem Freizeitverhalten in zwei Gruppen einteilen: Jene, die am Strand faulenzen, und jene, die auf Bergwanderungen Erlebnisse suchen, die «ohne Anstrengung nicht zu haben sind». Wie Spahlingers «Achttausender», den Poppe in eine Reihe stellte mit grosssinfonischen Werken seit Mahler und Bruckner.

Orchestrale Fülle auch in den Uraufführungen

Zum Bild der Bergtour passte, dass das 50-minütige Werk in Etappen gegliedert ist, denen man ohne Mühe folgen kann. Das Orchester gab der kaleidoskopischen Vielfalt der ersten Etappe lebenspralle Sinnlichkeit, führte sie über in meditative Klangfelder und steigerte im durchführungsartigen dritten Teil Atem- und Schabgeräusche zu gleissendem Sonnenglanz. In den ausgedehnten, immer breiter zerstreuten und sich verflüchtigenden Streicherpizzicati zum Schluss entfalteten die wie einsame Sterne aufglimmenden Klänge magische Wirkungen.

Dirigierte eine der beiden Uraufführungen: Die Portugiesin Rita Castro Blanco
Bild: Priska Ketterer/Lucerne Festival

Auch in den Uraufführungen (im Auftrag der Roche Commissions, dirigiert von Jungdirigenten) fand man den Weg mühelos durch die grossorchestrale Materialfülle. David Moliner gliedert seine mythologisch aufgeladene «Dämonische Iris» effektvoll mit archaischem Schlagwerk. Hovik Sardaryans «Ikone» gewinnt Spannung aus der Gegenüberstellung linear fliessender, in Klagegesten gipfelnder Klangprozessionen und statischer Mysterien: Orchesterwerke, die zeigen, dass neue Musik heute Bergtouren anbietet, die selbst für Faulenzer attraktiv sein können.

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