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«Der Bestatter» im Kino

Mike Müller, sind Sie ein Dinosaurier?

Nach sieben Staffeln war 2019 Schluss mit dem «Bestatter», doch die Zuschauer riefen wieder nach der Figur. Nun dürfen sich die Fans der Serie auf einen Kinofilm freuen. Im Interview spricht Mike Müller über sein Comeback als «Bestatter» auf der grossen Leinwand.

Mike Müller (58) wird bald wieder in seiner Paraderolle als «Bestatter» zu sehen sein.
Bild: SRF/Sava Hlavacek

In bester Laune nimmt Mike Müller im Lichthof des SRF-Medienhauses in Basel Platz – im Gesicht etwas mehr als nur ein Dreitagebart. Dass er noch länger werden soll für den Dreh, stresst ihn etwas. «Das soll so ein Hemingway-Bart werden», meint er. Im Oktober starten die Dreharbeiten für den Kinofilm «Der Bestatter». Der Hauptspielplatz der Handlung wird vom Aargau nach Graubünden verlegt.

Mike Müller, 2019 hatten Sie gegenüber den Medien gesagt, man dürfe den «Bestatter» nicht auspressen wie eine Zitrone. Wie verträgt sich das mit dem so frühen Comeback?

Mike Müller: Das verträgt sich gut, weil es ein Kinofilm ist. Bei jeder Serie steht man irgendwann an einem Punkt, an dem man sich fragt: Wie hört man auf? Wir hatten damals einfach realisiert, dass sich die schwierigen Fragen zu wiederholen beginnen – und dass die Antworten auf diese Fragen auch nicht besser werden. Bei einem Kinofilm hat man dramaturgisch komplett neue Möglichkeiten. Klar wird der Film eine serielle Vorgeschichte haben, die wir logischerweise mitnehmen werden. Im besten Sinn kann man diese Vergangenheit fruchtbar beackern, im schlechtesten Fall wird sie zur Belastung. Das haben wir aber nicht so empfunden.

SRF-Kulturchefin Susanne Wille betont, dass die Rückkehr des «Bestatters» aus einem Publikumswunsch heraus entstanden ist. Hätte es aus Ihrer Sicht überhaupt noch etwas zu erzählen gegeben?

Als Hauptdarsteller bin ich gar nicht in der Lage, meine Antennen so zu setzen, um die Meinung des Publikums richtig einzuschätzen. Ich höre nur Sätze wie «Schade, gibt es die Serie nicht mehr». Wer die Serie schlecht findet, sagt mir das nicht ins Gesicht. Ich glaube auch gar nicht daran, dass eine empirische Untersuchung sinnvoll wäre, um herauszufinden, was man im Kino und Fernsehen zeigen soll oder nicht. Entscheidend ist doch die Frage, ob man Lust hat, mit den Figuren aus dieser «Bestatter»-Familie nochmals eine Geschichte über neunzig Minuten zu erzählen, und das mit komplett anderen Möglichkeiten und einem viel grösseren Budget.

Wie hoch ist dieses Budget?

Drei Millionen Franken – nicht viel im Vergleich zu anderen Kinofilmproduktionen. Menschen, die Budgets erstellen, hören das nicht gern: Beim Spielen bemerke ich den Unterschied zwischen Low-Budget- und teurer Produktion gar nicht. Für einen Schauspieler ist immer entscheidend, dass man warm bleibt und spielen kann. Tausende Einstellungen sind filmisch toll, aber für mich nicht immer einfach.

Das Aargauer Publikum wird etwas enttäuscht sein über den Ortswechsel. Musste das wirklich sein?

Ich habe oft in Interviews gesagt, der Aargau sei für eine Serie ein gutes Pflaster, weil hier alles möglich ist. Mit dem Aargau kannst du die ganze Schweiz erzählen. Hier hast du alles: schöne Altstädte, ländliche Gebiete, Industrie, viel Gewässer, Spitäler und Hochschulen. Und dieser Aargau-Bezug wird im Film auch nicht völlig verschwinden. Die Geschichte wird im Aargau ihren Lauf nehmen. Die Kapo Aargau wird unter schwierigsten Bedingungen im Bündnerland ermitteln, was die dortigen Kollegen mässig toll finden.

Sie sind in der ersten Staffel als Ex-Polizist in die Serie eingestiegen. Sind Sie im Kinofilm nun Ex-Bestatter?

Ich bin es und ich bin es nicht. Leider kann ich nicht mehr dazu sagen, weil ich sonst den Plot verraten würde. Aber selbst wenn einer kein Bestatter mehr ist, wird er immer einer bleiben.

Worin liegt der Reiz, einen Kinofilm als Epilog nach der Serie zu drehen?

Es macht viel Spass, eine Serie mit einem Film abzuschliessen. Es ist für uns wie auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer interessant. Natürlich können wir uns nicht so viele künstlerische Freiheiten herausnehmen wie bei internationalen Top-Serien, etwa «Breaking Bad». Aber Kino ist ja immer ein bisschen bigger than life. An ein internationales Filmfestival gehen wir damit nicht.

In den letzten drei Jahren hat der Beruf des Bestatters eine ganz neue Aufmerksamkeit erhalten. Flossen die Erfahrungen aus der Pandemie in den Film mit ein?

Nein, null. Zum einen ist die Idee vor der Pandemie entstanden. Und es ist kein Film über die Pandemie aus der Sicht eines Bestattungsinstituts. Ich bin aber gespannt auf die ersten Filme, die sich mit der Pandemie beschäftigen, es sind schliesslich ein paar traumatische Sachen passiert während dieser Zeit. Sind wir ehrlich: Das ist immer gut für die Kunst. Die reine Wohlfühloase ist für Film oder Theater sehr schlecht.

Das SRF hat in letzter Zeit einige Krimiformate herausgebracht, die gut funktionieren: «Wilder» oder «Tschugger». Bei all den neuen Innovationsstrategien wirken Sie ein bisschen wie ein Dinosaurier, der zurückkehrt...

(Lacht) Das kann man so sehen mit dem Dinosaurier. Die Beschreibung passt aber auch zu dieser Figur, die ein bisschen aus der Zeit gefallen und unmodern ist, Rituale gut findet und immer auf der Seite der Toten steht. Sie ist zwar durchaus offen für Modernes, sucht es aber auch nicht aktiv. Aber ich finde – und das sage ich als Gebührenzahler –, der Sender soll breit fahren. Ich glaube auch, dass die Zeit des linearen Fernsehens noch nicht ganz vorbei ist. Die Streamingplattformen simulieren das Lineare ja, indem sie ihre Stoffe zu ganz bestimmten Zeiten veröffentlichen. So bleibt man im Gespräch.

Mike Müller (Mitte), flankiert von SRF-Kulturchefin Susanne Wille (l.) und dem neuen SRF-Leiter Fiktion, Baptiste Planche. 
Bild: SRF

Apropos im Gespräch bleiben: Sie twittern viel und manchmal auch heftig. Kollidiert die Kritik, die Sie für manche ihrer Tweets erhalten, mit der Beliebtheit ihrer «Bestatter»-Figur?

Ja, es gibt sicher Leute, die sich aufgrund von meiner Twitteraktivität von der Serie abwenden. Man redet ja im Moment sehr viel von der Cancel Culture von links. Aber die Cancel Culture von rechts ist für mich nicht erst seit der No-Billag-Abstimmung totaler Alltag. Darum kann ich es nicht so ernst nehmen, wenn von rechter Seite ein Empörungsdrama gegen mich gestartet wird. Ich werde mich nicht wie ein Winkelried in die Speere meiner Gegner werfen. Das ist mir zu kitschig. Ich sage einfach meine Meinung und wir leben in einem Land, in dem das möglich ist. Alle, die sagen, man dürfe seine Meinung nicht mehr sagen, sind Weicheier.

Denken Sie nicht manchmal, dass es besser wäre, gelassen zu bleiben? Die ganze Empörungsmaschinerie, die auf Twitter läuft, einfach mal nicht mitzumachen?

Das stimmt, aber ich kann das nicht steuern. Es gibt organisierte Shitstorms, das läuft meistens über die «Weltwoche», Roger Köppel, die AfD, das sind meistens die gleichen Kreise. Die folgen mir auf Twitter und dann erhalte ich 400 Mails am Tag. Die Empörung ist mit Social Media ausser Rand und Band geraten. Twitter ist zum Schmuddelkind geworden, trotzdem finde ich es für viele Sachen lustig. Man kann viel Unsinn twittern, man kann den politischen Gegner triezen, das gehört zu einer Demokratie. Es wird immer verbitterte Leute geben, die sich fragen, was das soll. Ich finde, Unsinn gehört zum Leben.

Das Herbstprogramm des SRF:

Das Schweizer Fernsehen hat am Donnerstag einen Teil seiner Herbstproduktionen aus der Sparte Fiktion präsentiert. Neben dem vierten Zürcher «Tatort», der die beiden Ermittlerinnen Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) am Sonntag, den 11. September, ins Umfeld eines Pharmakonzerns führt, standen Serien im Fokus.
Fans des Walliser Chaos-Cops Bax (David Constantin) dürfen sich auf Nachschub freuen: Die zweite Staffel «Tschugger» läuft ab Mitte September bei Sky und ab 18. Dezember auf SRF. Diesmal wähnt sich Bax einer Verschwörung auf der Spur, die den Untergang des Wallis bedeuten könnte.
Neu im Programm ist die schnelle, experimentelle Produktion «Emma lügt», geschrieben von Laura de Weck. Regie bei den sechs Folgen rund um ein Mädchen, dessen Lügengeschichten bald ins Herz von Fake News zielen, führte Bettina Oberli. Sehr klamaukig wirkte die Basler Krimiserie «Die Beschatter» rund um dilettantische Detektive, die am 30. Oktober startet.
Sprachlich leicht zu verwechseln mit den «Beschattern» ist «Der Bestatter». Der kehrt – das war die überraschende Verkündung des SRF – nach dem Serienende 2019 zurück. Allerdings nicht in Form einer achten Staffel, sondern als Kinofilm. Dieser soll im Frühjahr 2023 ins Kino kommen.
Regie führt Markus Fischer, in die Titelrolle schlüpft erneut Mike Müller, auch die alten Weggefährten kehren zurück. Als Begründung für das Comeback sagte SRF-Kulturchefin Susanne Wille: «Immer wieder erreichten uns Bitten nach der Rückkehr des Kultcharakters.» Man freue sich, diesen Wunsch nun erfüllen zu können.

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