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Lucerne Festival

Dirigent will Konzert zu Ende bringen und setzt sich für Klimakleber auf der KKL-Bühne ein: «Lasst sie reden, sonst gehe ich»

Klimaaktivsten haben am Freitagabend bei einem Konzert von Lucerne Festival im KKL die Bühne betreten und einen Unterbruch erzwungen. Das Publikum reagierte teilweise aufgebracht. Die Polizei kontrollierte insgesamt fünf Personen. Sie müssen mit Anzeigen rechnen.

Klimaaktivisten von Renovate Switzerland haben am Freitagabend gegen 21.35 Uhr eine Aufführung von Bruckners vierte Symphonie durch das Bayrische Staatsorchester im KKL anlässlich des Lucerne Festivals unterbrochen. Zwei Aktivisten stürmten mitten im Konzert auf die Bühne und klebten sich ans Dirigentenpodest, wie Renovate Switzerland auf X (ehemals Twitter) schreibt.

Polizei weist mehrere Personen weg

Wie die Luzerner Polizei am Samstag mitteilt, handelte es sich um eine unbewilligte Protestaktion. Die Polizei habe nach der Aktion aufgrund einer Meldung des KKL mehrere Personen kontrolliert und die Aktivisten weggewiesen. Es handelt sich um zwei Personen, die im Saal waren, und drei Personen, die sich auf dem Europaplatz vor dem KKL aufhielten. Sie müssen mit Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und Nötigung rechnen, schreibt die Polizei. Die Ermittlungen laufen.

Die beiden Klimakleber, welche T-Shirts mit der Aufschrift «act now!» trugen, sorgten für einen kurzen Unterbruch. Dirigent Vladimir Jurowski liess sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und dirigierte weiter. Als das Konzert weiter lief, rief eine Kleberin in den Saal: «Wir haben einen Klimawandel, wir müssen jetzt handeln!». Das Publikum reagierte aufgebracht. Konzertbesucher riefen den Klimaklebern zu, dass sie raus sollen. Eine Aktivistin zeigte sich unbeirrt und schrie in den Saal: «Hitzewelle tötet – Überschwemmungen: Es ist jetzt Zeit».

Intendant Michael Haefliger verurteilt die Aktion

Lucerne Festival hat ein Statement seines Intendanten Michael Haefliger zum Vorfall abgegeben. Darin heisst es: «Wir bedauern sehr, dass das Konzert durch zwei Klimaaktivisten überraschend unterbrochen wurde. Grundsätzlich verstehen wir, dass man sich für die Anliegen der Natur einsetzt. Für die Art und Weise allerdings, wie die Aktivisten agierten, haben wir überhaupt kein Verständnis. Sie haben unsere Besuchenden sowie die Künstlerinnen und Künstler gestört. Dirigent Vladimir Jurowski reagierte ruhig und gab den Aktivisten die Möglichkeit, sich kurz zu äussern. Um eine Eskalation zu vermeiden, wurde darauf verzichtet, die Aktivisten gewaltsam aus dem Saal zu bringen. Auf diese Weise ist es gelungen, das Konzert bereits nach vier Minuten fortzusetzen.» (are)

Bei den Klimaklebern handelt es sich laut Angaben von Renovate Switzerland um Psychomotorikerin Selina Lerch (28) und Anthony Zufferey (20), Student internationale Beziehungen. Gemäss Mitteilung von Renovate Switzerland kam es auf der Bühne zu einem spontanen Deal zwischen Dirigent Jurowski und den Klimaklebern. Renovate Switzerland schreibt: «Nach 10 Minuten, am Ende des Satzes, sprach Dirigent Jurowski mit den beiden Aktivisten und erklärte danach dem Publikum, dass er ihnen das Wort geben möchte. Er hatte mit den beiden vereinbart, dass sie ihr Anliegen erklären dürfen und im Gegenzug das Konzert danach ungestört zu Ende gebracht werden kann.»

Buhrufe aus dem Publikum

Dirigent Jurowski habe nach vereinzelten weiteren Buhrufen gegenüber dem Publikum insistiert. Jurowski wird von Renovate Switzerland wie folgt zitiert: «Wenn sie die beiden nicht ausreden lassen, verlasse ich die Bühne». Lerch erinnerte daraufhin in kurzen, eindringlichen Worten an den Klimanotstand und gab ihrer Angst davor Ausdruck. Nachdem sie sich bei Jurowski bedankt hatten, verliessen die beiden die Bühne. Das Konzert sei danach ungestört zu Ende geführt worden.

Die beiden Aktivisten kleben sich am Dirigentenpodest fest, während das Orchester weiterspielt.
Bild: Bild: zvg

Gemäss dem Konzertberichterstatter unserer Zeitung hat der Dirigent sehr souverän reagiert. Aus dem Publikum habe es vereinzelte sehr heftige Reaktion gegeben – auf Hochdeutsch. Als die Aktivisten gemäss Abmachung mit dem Dirigenten zu sprechen begannen, gab es einzelne Buhrufe aus dem Publikum, worauf der Dirigent in deutlichen Worten kundtat, dass man nun kurz zuhören solle. Das Statement der Aktivistin sei dann sehr allgemein, also ohne Bezug etwa zum Lucerne Festival, und eher langweilig gewesen. Das Konzert ging dann zu Ende, Dirigent und Orchester erhielten tosenden Applaus.

Klima-Aktivisten suchen immer wieder spektakuläre Ziele für ihre Festklebeaktionen. An Ostern blockierten sie etwa die Zufahrt zum Gotthard-Strassentunnel . Der Ton gegen die Bewegung verschärft sich, denn die Aktionen rufen auch immer wieder Kritiker auf den Plan, selbst in Umweltkreisen. Zahlreiche Politiker fordern ein härteres Vorgehen, in sozialen Netzwerken werden die Klima-Aktivisten verstärkt angefeindet. Die Störung am Lucerne Festival ist die vierte Aktion in diesem Sommer nach «Auftritten» am Filmfestival Locarno, dem Diamond-League-Meeting im Letzigrund in Zürich und dem Golfturnier in Crans-Montana.

Sicherheitskräfte bringen einen Klimakleber vom Golfplatz in Crans-Montana weg. 
Bild: Bild: Jean-Christophe Bott / Keystone (3. 9. 2023)
Stewards bringen zwei Klimakleber im Letzigrund anlässlich des Diamond-League-Meetings in Zürich weg. 
Bild: Bild: Michael Buholzer / Keystone (31. 8. 2023)
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