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Esoterik

Ist das Feminismus oder kann das ins Gesicht? Superstar Marina Abramović begeht Verrat an ihrem Geschlecht    

Das Kunstidol Marina Abramović wechselt ins Beauty-Business: Ihre Schönheitslinie ist ein Rückschritt in die Zeit vor Alice Schwarzer.
Strahlend wie der junge Morgen. So kann eine 77-jährige aussehen, wenn sie die richtigen Pflegeprodukte benutzt: Feminismus-Idol Marina Abramović behauptet das.    
Bild: Bild: Andy Rain/EPA

Eine Frau fällt Frauen in den Rücken. Und nicht irgendeine. Es ist jene Künstlerin, die Zeit ihres Lebens das Klischee des schwachen Geschlechts unterlaufen hat. Marina Abramović, gerne mit Messern unterwegs, die sie gegen sich selbst richtet, wechselt von der Kunst ins Beauty Business. Statt einen durch Selbstbewusstsein gestählten Körper verkauft sie jetzt Lotionen für einen perfekten Teint.

Wer zu den Ersten gehören will, meldet sich auf ihrer Website an, der Vorzugspreis lockt. Abramović, 77 Jahre alt – medial im Strahlenglanz einer 37-jährigen – verkauft ihr neustes Werk höchstpersönlich. Schlappe 200 Franken löhnt man zum Beispiel für ihre ultimative «Face Lotion». Wenig eigentlich, wenn man weiss, dass man dabei Teil ist einer Eucharistie: Die Künstler-Paste besteht aus Vitamin C, Brot und Wein. Halleluja!

Mit Brot und Wein will Abramović 110 Jahre alt werden, erklärt sie in Interviews. Für eine lebende Legende gilt «The sky is the limit». Ernst gemeint ist das wohl nicht. Wollte die Künstlerin mit ihrer messianischen Botschaft in die Sandalen von Jesus steigen, müsste sie zuerst rechnen lernen: Nicht 110, sondern 33 Jahre Lebenszeit stünden ihr dann zu.

Eine Kindheit voller Gewalt macht sie zur Gewaltkünstlerin

Für Generationen von Frauen war Abramović ein Vorbild. Ob man in der Kunstszene zugange war oder bloss mit der eindrucksvollen Frau als inneren Richtmeter älter wurde. Mit halben Sachen gab sie sich nie zufrieden. Als junge Künstlerin ritzte sie sich das Zeichen des Teufels in den Bauch, geisselte sich, bis der Rücken blutete, und schlug ihren Partner während Stunden hart ins Gesicht – in einem Museum. Postminimal-Art war das und der Beginn einer grossen Performance-Karriere. Abramović tat Dinge, die im Widerspruch standen zu den Erwartungen an ihr Geschlecht.

Später liess sie sich vom Publikum mit Hammer, Axt, Nägeln, Gürtel, Peitschen – und einer geladenen Pistole traktieren. 2009/10 dann denkwürdige drei Monate im Museum of Modern Art New York: 721 Stunden sass sie wortlos insgesamt 750’000 Besuchern gegenüber, berühren verboten dieses Mal. Auch sie liessen sich das nicht entgehen und nahmen Platz: Sharon Stone, Tilda Swinton, Björk und Lady Gaga.

Kunstkritikerinnen erklärten sich den Extremismus der Serbin mit der Künstlerbiografie. Als Kind kommunistischer Eltern und Tito-Partisanen soll sie mit Prügel und Härte erzogen worden sein; ihre tiefreligiöse Grossmutter wiederum vererbte ihr die Anfälligkeit für Geisterglauben. Diese Prägung findet in der Alterskarriere der Dame offenbar ihren Ausdruck.

Alles Selbstmarketing, oder was?

Abramovićs Wandel zur Schönheitsschamanin geht schon länger ein Abdriften in die Eso-Ecke voraus. Die Schweiz wird es im Herbst erleben, das Kunsthaus Zürich feiert sie mit einer Retrospektive. Nicht nur im Museum, in echt. Man wird die Künstlerin besichtigen können, wenn sie in einem Sondertram Menschen auf Meditationskurs bringt.

Allerdings unternimmt sie die Schweiz-Reise nicht allein, wie man nun weiss. In ihrem spirituellen Gepäck führt sie die Botschaft einer kasachischen Medizinerin. Dr. Nonna Brenner soll die treibende Kraft hinter Abramovićs geistiger Neuorientierung sein. Sie betreibt in Salzburg, «mit Blick auf den unberührten Fuschelsee, inmitten flüsternder Kiefern» das Dr. Brenner Anti-Aging Center.

Dort ist die Künstlerin letzten Frühling von ihrer Borreliose geheilt worden. Und dort – besagt die Erzählung, die den Kunstbetrieb in Verlegenheit bringt, weil man um den Verstand eines Idols bangt –, hat Abramović mit Brenner eben jene heilige Rezeptur entwickelt für das Manna, das wir uns ins Gesicht klatschen sollen. Erinnert das nicht an etwas? Vor 63 Jahren hat der Konzeptkünstler Piero Manzoni «Künstlerscheisse» in Dosen verkauft. Wahre Kunst kommt von innen. Wahre Schönheit halt eben doch nicht.

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