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Klassikerin des Monats

Iris von Roten: das Vorbild aller ungeliebten, weil zu klugen Baslerinnen

Ihr Hauptwerk «Frauen im Laufgitter» löst einen Skandal aus. Es plädiert für resolute Gleichheit von Mann und Frau und für freie Liebe.

Lange eine Reizfigur, heute eine feministische Ikone: Iris von Roten.
Bild: Getty

Wie kürzlich die Bundesratswahlen gezeigt haben, gibt es in diesem Land eine Urangst vor zu klugen Baslerinnen. Ihr Vorbild ist die 1917 in Basel geborene Iris von Roten, eine Pionierin der Schweizer Frauenbewegung. Aber selbst ihren Mitstreiterinnen gilt sie lange Zeit nur als Reizfigur.

Nur keine «Schattenexistenz» werden, sagt sich die promovierte Juristin früh. Sie beginnt ihre Karriere in den letzten Kriegsjahren als Redaktorin beim «Schweizer Frauenblatt».

Sie dient den Gegnern als abschreckendes Exemplar einer «Emanze»

Damals gelangt sie schon zu ähnlichen Einsichten, wie sie Simone de Beauvoir 1946 in ihrem bahnbrechenden Buch «Das zweite Geschlecht» veröffentlicht. Auch Iris von Roten bekommt zu spüren, dass sie nicht als Frau geboren worden ist, sondern von der patriarchalen Gesellschaft erst zur Frau gemacht wird.

Ihr eigenes Hauptwerk «Frauen im Laufgitter» erscheint 1958, also im Jahr vor der ersten Schweizer Volksabstimmung zum Frauenstimmrecht. Iris von Roten dient den Gegnern als abschreckendes Exemplar einer «Emanze». Auch viele Frauen geben nicht den Männern, die allein abstimmen dürfen, die Schuld am negativen Abstimmungsergebnis, sondern Iris von Roten und ihrem vermeintlichen Skandalbuch.

Sie äussert sich viel zu scharfzüngig für ihre Zeit

Sie schreibt schlicht zu kühn und scharfzüngig für die Zeit. Nach zwei Auflagen bleibt ihr Buch bis 1991 ungedruckt liegen. Besonders der zweite Teil mit dem Titel «Wie es der Frau in der Liebe und ihrem Drum und Dran ergeht» bewegt sich so sehr im Tabubereich, dass die Verächterinnen lieber die Autorin skandalisieren, als sich mit den Gleichstellungsthemen des Werkes auseinanderzusetzen.

«Frauen im Laufgitter» ist eines der kompromisslosesten Bücher, das je in der Schweiz entstand. Iris von Roten nimmt die Gleichheit von Mann und Frau ernst, lehnt die von gemässigten Vertreterinnen der Frauenbewegung postulierte «égalité dans la différence» kategorisch ab. Sowohl in Beruf und Einkommen als auch im Sexualleben akzeptiert sie zwischen Frauen und Männern keine Unterschiede. Dieser resoluten Gleichberechtigung hat sich zu ihren Lebzeiten kaum jemand angeschlossen.

Eine Ausnahme ist ihr Mann, der Walliser Richter, Politiker und Frauenrechtler Peter von Roten. Sie bekennen sich beide zur freien Liebe, wie sie Iris von Roten in «Frauen im Laufgitter» ausführlich würdigt. Auch in dieser Hinsicht ist sie ihrer Zeit voraus. Das Werk beginnt mit dem fulminanten Satz: «Hier ist das Buch, das ich mit 20 Jahren gerne gelesen hätte, aber nicht fand.»

Iris von Roten: Frauen im Laufgitter. Verlag eFeF. 604 Seiten.

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