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Tierisches Leben

Ich wäre so gern’ eine Larvacea

Endlich etwas Reales tun zur Rettung der Meere und der Atmosphäre: Unsere Kolumnistin weiss, dass ein kleines, winziges Tierchen dazu in der Lage ist. Mit diesem Beitrag schliesst die Serie.
Winzige Meereslebewesen mit grosser Leistung: Larvaceae.
Bild: Sherlock, R.E., Walz, K.R. and Robison, B.H./Wikimedia

Tiere müssen nicht grübeln. Grübeln ist eine dem Menschen vorbehaltene Überheblichkeit. Sie verhindert das Handeln und ist deshalb Anlass für weiterer Grübelei. Übers Grübeln grübeln kann nur der Mensch. Wieso, frage ich mich zum Beispiel, kann ich keine Larvacea sein? Als Larvacea wäre mein Platz in der Ordnung klar, ich wäre unverzichtbar mitverantwortlich für die Erhaltung aller Arten und von alledem, was an Leben kreucht und fleucht.

Einverstanden, Larvacea ist für Insider oder Nerds. Larvacea ist kein Knüller, Knaller und möglicherweise so unpopulär wie wenig anderes im Tierreich. Mit diesem Namen gewinnt sich keine Präsidentenwahl. Larvacea klingt durchaus so wie es sich anfühlen könnte: glitschig.

Obschon die Larve, die Maske aktuell Saison hat, Larvacea Thema einer Schnitzelbank sein könnte oder der Name einer Gugge, denkt man mit angemessenem Unbehagen an das Tier. Doch es geht auch anders und in behaglicheren Umständen. Wer sich dem mysteriösen Wesen nahefühlt, kann es gerne und leicht in einem Kaltwasser-Aquarium halten. Zur Mehrung des eigenen Ruhmes oder zur Abendunterhaltung der Gäste wird es dort allerdings wenig beisteuern. Es ist durchscheinend und sozusagen unsichtbar.

Larvacea ist eine Unterwasser-Sensation, ein Millimeter klein die kleinste, gross wie ein Frühstücks-Muffin die grösste. Als durchsichtigen Glibber driftet sie mit der Strömung in den Tiefen der Meere. Es ähnelt einer Qualle, ist aber ein Manteltierchen und besitzt in seiner Art Schwanz eine Vorstufe von Wirbelsäule. Das besondere an ihm oder ihr, in der Geschlechterfrage ist es Up-to-Date, weil zwitter: Forscher wissen, dass sie in der Lage sind, dem Wasser Kohlenstoff zu entnehmen – und den CO2-Wert der Atmosphäre zu verringern.

Larvacea filtert das Wasser und verbessert die Luft, es ist demgemäss, rein theoretisch, die perfekte Lösung für viele menschengemachten Probleme. Dass ein Mensch jemals so etwas von sich behaupten könnte - dass er die Lösung eines Problems und nicht deren Ursache sei - ,schwer vorstellbar. Deshalb: Ich wäre so gerne eine Larvacea!

Nun haben kalifornische Wissenschafter der Hoffnung auf das Tier aber einen Dämpfer aufgesetzt. Die Larvacea soll auch Plastik fressen, Mikroplastik. Die Schwebeteilchen, lange im Meer, schmecken wie Algen, und das Tierchen frisst es, weil es frisst, was ihm zutreibt. Aktuelle Studien zeigen, wie es das Mikroplastik aus dem Wasser filtert und aufnimmt.

Diese Teilchen aber lagern sich nun im Tier-Gehäuse ein. Und weil sich dieses regelmässig erneuert und zu Boden schwebt, wird ein anderes Tier sich daran genüsslich tun. Vorzugsweise, sagt man, eine Sardelle. So landet das Plastik aus dem Meer aus der Larvacea aus der Sardelle – schliesslich auf der Pizza. Wenn das die letzte Aufgabe von Larvacea ist, was ändert es, sein zu wollen wie sie? Endstation ist immer der Mensch.

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