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Popkultur

Hässliche Kleider sind gute Unterhaltung: Ich liebe «Worst dressed»-Listen

Ich habe keine Ahnung von Mode. Das hält mich aber nicht davon ab, Promis auf dem roten Teppich für ihre Geschmacksverstauchungen zu verurteilen. Obwohl ich in ihrer Situation nicht besser, sondern, wie Heidi Klum mal so schön sagte, aussehen würde «wie ein Storch im Salat». Trotzdem: Mode ist Geschmackssache, und darüber lässt sich streiten.

Vergangene Woche wurden die Golden Globes vergeben, in der Nacht auf Montag sind die Emmys dran, Anfang Februar die Grammys und im März die Oscars. Dazwischen sind noch einige mehr, aber ganz ehrlich: Diese ewig lange Selbstbeweihräucherung interessiert immer weniger Zuschauer. Ganz anders der rote Teppich. Nach jeder Preisverleihung fluten die «Worst dressed»-Listen das Internet und haufenweise Menschen lästern über die Outfits der Stars. Ich auch.

Mein Senf zu den Kleidern der vergangenen Golden Globes:

Vor ein paar Jahren gab es im US-Fernsehen die Sendung «Fahion Police». Vier «Style Experten» be- und vor allem VERurteilten die Kleider der Stars. Es war fies, aber ich fand's lustig. Bis eine der Moderatorinnen 2015 in den Rassismus stolperte und meinte, die achtzehnjährige Zendaya habe an den Oscars mit ihren Dreadlocks ausgesehen, als würde sie nach Marihuana riechen. Das war nicht mehr lustig und die Show war futsch.

Heute wäre so ein Format undenkbar, aber gelästert wird weiterhin. In geschriebener Form. Das ist insofern praktisch, als man nicht «aus Versehen» beleidigend wird und sich zumindest überlegen muss, was man da auf die Tastatur hämmert. Ausserdem kann man sich besser verstecken und muss sein Gesicht nicht zeigen.

Und ich muss zugeben: Ich würde keinem dieser Promis ins Gesicht sagen, was ich von ihren Geschmacksverstauchungen halte. Dafür bin ich viel zu wenig konfliktbereit. Und viel zu feige. Denn eigentlich will ich ja niemanden verletzen. Warum lästere ich dann trotzdem?

Cher gewann ihren Oscar 1988 in diesem Outfit, das damals für Furore sorgte und heute fast schon untergehen würde.
Bild: Bild: Keystone

Weil Mode Geschmackssache ist. Ausserdem ist sie kreativ, mutig und experimentierfreudig. Wäre sie das nicht, würden wir immer noch so stylisch rumrennen wie Neandertaler. Und gerade weil Mode so vielseitig ist und sich rasend schnell ändert, geht halt auch mal was daneben. Natürlich ist es nicht lustig, wenn man sich zurechtmacht – oder professionellen Stylisten vertraut, nur damit sich am nächsten Tag alle das Maul zerreissen. Ausser, man macht sich das zunutze.

Lady Gaga in ihrem legendären Fleisch-Kleid an den MTV Video Music Awards 2010.
Bild: Bild: Keystone

Cher war eine der Ersten, der die Meinung anderer nicht nur herzlich wurst war, sondern die mit gewagten Outfits bewusst Aufmerksamkeit erregte. Lady Gaga hat vor allem zum Start eine ganze Karriere daraus gemacht. Und dann wäre da noch Björk. 2001 trug sie an den Oscars ein Schwanenkleid mit der passenden eierförmigen Tasche. Plötzlich kannte die ganze Welt die isländische Sängerin, und sie wurde quasi zur Mutter aller «Worst dressed»-Promis. Noch heute geniesst das Outfit Kultstatus. Und das beweist auch: Oft sind es genau diese Momente, die uns in Erinnerung bleiben.

Björk im legendären Schwanen-Kleid an den Oscars 2001.
Bild: Bild: Keystone

Klar, praktisch immer sind es Frauen, und das hat durchaus etwas Sexistisches. Als Mann muss man nur einen Anzug anziehen und im schlimmsten Fall sieht man halt nicht wie James Bond, sondern eher wie ein Kellner aus. Allerdings fällt immer wieder auf, dass manche Männer auch experimentieren und mal etwas anderes anziehen wollen. Auch auf die Gefahr hin, dass auch sie auf den «Worst dressed»-Listen landen. Und genau das ist der Punkt.

Mode ist alles, aber nicht langweilig. Sie ist Ausdruck unserer Persönlichkeiten, sie ist spielerisch, unterhaltsam und noch mal: Geschmackssache. Und über Geschmäcker lässt sich eben streiten. Muss man darum eine ganze Liste machen? Nein. Aber man darf. Solange man niemanden dabei persönlich beleidigt, während man selbst in Trainerhose und Chips-futternd vor dem Bildschirm hockt und meint, man könne es besser.

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