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Kolumne

«Glamour, mon amour»: Die Frau spinnt komplett

Unsere Kolumnistin war nie Fan von Helene Fischer. Doch nach einem Konzertbesuch kann sie die Begeisterung für die Sängerin verstehen.
Der deutsche Superstar Helene Fischer bei einem kürzlichen Konzert im Hallenstadion.
Bild: Marco Masiello

Ich war bei Helene Fischer. Hätten Sie mir dies vor drei Jahren vorausgesagt, so hätte ich Ihnen mehrfach den Vogel gezeigt. Doch vorletztes Jahr kaufte ich Tickets, denn letztes Jahr gab es in unserer Familie einen runden ­Geburtstag zu feiern. Der Jubilar findet im Gegensatz zu mir kernge­sunde blonde Phänomene wie Helene Fischer oder Michelle Hunziker unbedenklich, er ist da weitaus toleranter, und ich muss zugeben, jetzt, nach dem gemeinsamen Konzertbesuch, kann ich ihn verstehen.

Denn was da im Zürcher Hallenstadion geschah, war ein Volksfest im allerbesten Sinn. Eines, an dem alle zusammenkommen und nicht nur die schöne Helene, sondern auch einander für ein paar Stunden einfach nur gut finden.

Helene Fischer sang zum Beispiel ihren Song «Regenbogenfarben», quasi die hochdeutsche Fassung unseres Kinderlieds vom «Rääääägeboge», und danach hielt sie eine Rede für Toleranz und Inklusion. Und Menschen, von denen ich gedacht hatte, dass es nichts Egaleres als das in ihrem Leben geben könnte, ­nickten, applaudierten und sagten laut: «Jawohl, das ist ganz wichtig, das finde ich auch!» Andere Menschen, die mit Regenbogenfahnen vor der Bühne standen, fühlten sich ­verstanden und applaudierten zurück.

Die Leute sagten auch Dinge wie: «Die will ich heiraten!!!!», oder: «Ou, da kommt ihr Mann, jööööh, da kommt ihr Mann!» Helene Fischer kann man bekanntlich nicht mehr heiraten, die ist ja bereits mit ihrem Tour-Akrobaten Thomas Seitel verheiratet, und es war klar, dass die beiden eine Paarnummer machen würden. Sie tanzten also an zwei Gummibändern durch die Luft, und um sie herum fiel Regen von der Stadiondecke, natürlich nicht einfach so, sondern in Mustern, als Spirale, als zwei Hände, die nacheinander fassten, als Glitzerkokon. Und ich dachte: Die Frau spinnt komplett. Denn sie hing nicht nur am Gummiband ihres Mannes, sie machte auch eine von mir aus gesehen lebensgefährliche Trapeznummer und liess sich auf eine Leiter geflochten durchs Stadion schleudern – alles live singend natürlich.

Endlich schrie sie: «Seid ihr bereitfür ‹Atemlooooooos›?!» Was soll ich sagen, die 12000 Leute waren so was von bereit für den Song und auch irgendwie breit von dem irren Breiaus Schlager, Techno, Feuer, Wasser, ­Stroboskopen und dem poetischen Luftakrobatik-Firlefanz des Cirque du Soleil, der Helene Fischer ­begleitete.

Sie liess sich auf einen riesigen ­gefesselt durch die Luft schwenken, vornüber, hintenüber, kopfüber, und zum Schluss streckte sich der Arm und sie stand hoch oben mitten in der Halle, liess den Kopf nach hinten fallen und breitete die Arme aus, sekundenlang, ein an die Maschine gekreuzigter weiblicher Christus, eine Christa quasi, die blondmähnige Verlängerung von Technik, und für einen Moment dachte ich: Helene Fischer, dieser tolle Unterhaltungstornado, kann kein Mensch sein. Helene ist eine Maschine.

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