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Lucerne Festival

Frühjahrsfestival: Flüchtiger Flirt mit Yuja Wang und sechs Händen am Flügel

Das Frühjahrsfestival von Lucerne Festival startete fulminant mit dem Lucerne Festival Orchestra unter Ivan Fischer. Aber die Primetime am Samstag gehörte der Rachmaninow-Comedy von Igudesman & Joo.

Das Frühjahrsfestival ist mit gerade mal drei Konzerten – zwei davon mit dem Lucerne Festival Orchestra – das kleinste Satellitenfestival von Lucerne Festival. Für aufregende Exklusivität sorgten aber äussere Umstände. Der eine war am 1. April der 150. Geburtstag von Sergej Rachmaninow, zu dem am Samstag das «Happy Birthday»-Programm des Musik-Comedy-Duos Igudesman & Joo Premiere hatte. Und wegen einer Erkrankung von Chefdirigent Riccardo Chailly gaben gleich zwei Gastdirigenten ihr Debut an der Spitze des Orchesters.

Im Konzert vom Freitag zeigte Ivan Fischer, wie die Klangkraft und solistischen Qualitäten des Klangkörpers auch im frühromantischen Stilbereich zur Geltung kommen können. Zu einem schmetternden Eröffnungstusch steigerte sich Schuberts Ouvertüre «im Italienischen Stil». Mit zügig vorangepeitschten Tempi fand die erste Sinfonie des 15-jährigen Mendelssohn zu jenem filigranen Elfenflirren, das – mit dem später komponierten und hier eingefügten Scherzo – zum Markenzeichen des Komponisten wurde. Damit war die Latte hoch gelegt für das zweite Konzert unter dem Gastdirigenten Andrés Orozco-Estrada am Sonntag.

Das Duo Igudesman& Joo mit Special Guest Yuja Wang in der Show zu Rachmaninows 150. Geburtstag.
Bild: Bild: Lucerne Festival/Priska Ketterer (Luzern, 1. 4. 2023)

Die Pointe war, dass schon hier ein Pianist als Solist mitwirkte. Der polnische Pianist Rafal Blechacz (vgl. separaten Beitrag) fügte sich mit seiner filigranen Wiedergabe von Chopins zweitem Klavierkonzert wunderbar ins schlanke Musizieren des Orchesters ein. Er liess den Ton singen, fächerte den runden, warmen Klang bis in glöckelnde Sprühregen auf, die hier wie aus Mendelssohns Elfenreich herübergeweht wurden. Mit dem Verzicht auf jede Virtuosenpranke war das wie ein pianistischer Gegenpol zum Konzert vom Samstag.

Lachen und Weinen dicht beieinander

Ein Hauch von Marilyn Monroe: Aleksey Igudesman (links) und Hyung-ki Joo .
Bild: Bild: Lucerne Festival/Priska Ketterer (Luzern, 1. 4. 2023)

Tatsächlich stand im Happy-Birthday-Konzert von Aleksey Igudesman (Violine) und Hyung-ki Joo (Klavier) der Flügel ganz anders im Zentrum. Dass hier Rachmaninow mit einem Comedy-Programm gewürdigt wird, schien dazu angetan, Klischees vom sentimentalen Spätromantiker zu revidieren. Das funktionierte raffiniert in musikalischen Nummern, die Rachmaninows Musik selber zum Ausgangspunkt nahmen. Da etwa, wo der mit allen Wassern gewaschene Pianist Hyung-ki Joo sich pathetisch ins zweite Klavierkonzert stürzte. Gesteigert zu Schluchztiraden zu Eric Carmens Pop-Cover «All by myself» lagen hier die Tränen des Lachens und Weinens dicht beieinander.

Die Polizistennummer: Jagd durch die Musikgeschichte des Klaviers.
Bild: Bild: Lucerne Festival/Priska Ketterer (Luzern, 1. 4. 2023)

Der auf Youtube millionenfach angeklickte Rachmaninow-Sketch des Duos, in dem Igudesman dem Pianisten präparierte Holzlatten reicht, damit dieser die weit gespannten – und im Konzertsaal unglaublich donnernden – Akkorde auf die Tasten hauen kann, bewährte sich als Höhepunkt des Programms. Wo Igudesman in der Rolle des Polizisten Joos «Flugschein» am Flügel kontrolliert und ihn durch die Musikgeschichte des Klaviers jagt, verbindet sich virtuose musikalische Comedy mit witzigen Dialogen.

Allerdings zeigt sich, dass mit Rachmaninow-Anekdoten allein die anderthalb Stunden nicht zu bestreiten sind und der Abend bei manchen Füllnummern durchhängt. Das galt auch für den punktuellen Einbezug der Starpianistin Yuja Wang. Bei ihren sympathisch spontanen Auftritten – im knappsten Mini und sechshändig flirtend mit dem Duo am Flügel – durfte sie mehr nacktes Bein als pianistische Virtuosität vorführen. Das schmälerte freilich nicht den tosenden Applaus des Publikums, der repräsentativ für die drei Abende des Kurzfestivals war: Mit insgesamt 4500 Besuchern erreichen die drei Konzerte ein Auslastung von 90 Prozent.

Letztes Konzert: Heute Sonntag, 2. April, 18.30, Konzertsaal KKL, das Lucerne Festival Orchestra spielt Schumann (Cello-Konzert) und Mendelssohn (Sinfonie «Lobgesang»)

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