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Kulturstadt

«Die Zauberformel ‹Bilbao-Effekt› gibt es leider nicht»

Dank dem Guggenheim-Museum verwandelte sich die sterbende Industriestadt Bilbao vor 25 Jahren in eine blühende Kulturmetropole. Ein Vorbild für andere Städte?

Das Guggenheim-Museum in Bilbao von Frank O.Gehry. 
Bild: Luis Tejido / EPA EFE

Diese Geschichte ist fast zu schön, um wahr zu sein: Bilbao, eine unansehnliche Industriestadt an der nordspanischen Atlantikküste, stand vor dem wirtschaftlichen Verfall. Werften, Eisenhütten und Fabrikanlagen verwaisten und verrosteten. Bei über 25 Prozent lag die Arbeitslosigkeit . Viele Menschen zogen weg. Dann kam das Wunder: Am 18. Oktober 1997 eröffnete ausgerechnet in dieser grauen Stadt ohne Arbeit und Perspektiven das Guggenheim-Museum und verwandelte Bilbao in eine saubere, reiche und blühende Kulturmetropole.

Das Touristengeld fliesst in Strömen

Die Zahlen aus Bilbao sind beeindruckend: Aus den utopisch geschätzten 400000 Besuchern pro Jahr wurde rund eine Million. Allein im vergangenen Jahr spülte das Museum 197 Millionen Euro in die Stadt. Heute gehört das Guggenheim-Museum Bilbao mit dem Madrider Prado und dem Königin-Sofía-Museum zu den meistbesuchten Museen Spaniens. Andy Warhol, Gerhard Richter, Jackson Pollock, Jeff Koons, David Hockney – das Guggenheim zeigte seit seiner Eröffnung in 170 Ausstellungen die grössten Kunststars unserer Zeit. Zum 25-Jahr-Jubiläum präsentiert man ab Donnerstag in «Sections/Intersections» ausgesuchte Werke der imposanten Guggenheim-Sammlung. Die meisten Besucher kommen aber, um Frank O. Gehrys verrücktes Gebäude aus Titan, Sandstein und Glas zu sehen.

Luzern versuchte es beim KKL mit dem Bilbao-Effekt

Niemand weiss, wer den Begriff «Bilbao-Effekt» erfunden hat. Doch viele Städte wollten ihn kopieren. Die Formel schien einfach: Ein Star-Architekt baut ein spektakuläres Museumsgebäude, und schon kommen die Touristenmassen. «Aber die Zauberformel Bilbao gibt es leider nicht», stellt Alain Thierstein klar. Der Professor für Raumentwicklung an der Technischen Universität München untersuchte Bilbao-Nachahmer-Projekte in Städten wie Wolfsburg, Graz oder Luzern. Luzern habe sich mit Jean Nouvels Kultur- und Kongresszentrum KLL dem «Bilbao-Effekt» genähert, die Zahlen der Tagestouristen und das Ansehen als Festivalstadt stiegen. «Dennoch blieb auch in Luzern eine Neupositionierung der Stadt wie in Bilbao aus», so Thierstein.

Kultur als Sahnehäubchen einer Stadtsanierung

Andere Städte scheiterten, weil sie den «Bilbao-Effekt» mit einem «Guggenheim-Effekt» verwechselten, versichert Stadtplanungs-Experte Roberto San Salvador aus Bilbao. «Star-Architektur kann das Ansehen einer Stadt verbessern. Den Bilbao-Effekt kann man aber nicht mit dem Guggenheim-Museum erklären. Denn das ist nur das Sahnehäubchen zahlreicher Entwicklungsmassnahmen.» Die Stadt verwandelte die verrosteten Werften in Grünflächen und verlegte den innerstädtischen Hafen flussabwärts Richtung Atlantik. Das ermöglichte den Bau von Brücken, mit denen man Stararchitekten wie Santiago Calatrava beauftragte. Dieser baute auch einen neuen Flughafen, der dank der wachsenden Beliebtheit Bilbaos über hervorragende Direktanschlüsse in europäische Metropolen verfügt. Sir Norman Foster baute eine U-Bahn, Rafael Moneo eine Bibliothek.

Sogar James Bond nutzte 1999 das Guggenheim-Museum als Kulisse

Gerade dieser städtische Transformationsplan sowie das Angebot, dass die Guggenheim-Foundation für ihr Museum den Standort und den Architekten frei auswählen konnte, führten dazu, dass sich das hässliche Industriestädtchen gegen Konkurrenten wie Venedig durchsetzen konnte. Das Museum löste daraufhin eine wichtige Investitionswelle aus. Internationale Firmen siedelten sich in Bilbao an. Man hatte zudem das Glück, dass mit dem erst gerade aufkommenden Internet die mediale Aufmerksamkeit auf die Entstehung und Eröffnung des Museums grösser war, als sie heute wäre. Sogar für James Bond. Bereits 1999 kämpfte Pierce Brosnan in «Die Welt ist nicht genug» vor dem Guggenheim-Museum gegen die Bösen.

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