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Jahresrückblick

Die Rekordjäger und Sturköpfe aus Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft: Das sind die Auf- und Absteiger des Jahres

Sie verschönerten die Schweiz, brillierten mit ihrer Kunst und prägten Debatten – oder sorgten für Stirnrunzeln und Verärgerung mit Sturheit oder schlechter Kommunikation.

DIE AUFSTEIGER

1. Christian Haller: mit achtzig zum Schweizer Buchpreis

Der Schriftsteller Christian Haller an seinem Wohnort in Laufenburg.
Bild: Bild: Georgios Kefalas / Keystone

Ist es etwas spät, einen, der mit achtzig Jahren den Schweizer Buchpreis gewinnt, als Aufsteiger zu bezeichnen? Nein. Immerhin ist dieser Preis der bedeutendste in seiner Laufbahn. Zoologie hat er studiert, er war Theaterdramaturg und acht Jahre lang Bereichsleiter der «Sozialen Studien» am Gottlieb Duttweiler Institute, bevor er sich in den 1980er- Jahren für ein Leben als Schriftsteller entschied. Mit seiner meisterhaften Novelle «Sich lichtende Nebel» hat Christian Haller Ende November den Schweizer Buchpreis gewonnen. (hak)

2. Renée Levi: Die Künstlerin gestaltete das Giebelfeld des Bundeshauses

Renée Levi, Basler Künstlerin und Bundeshaus-Verschönerin.
Bild: Bild: Kenneth Nars / BLZ

Sie hat es bis ganz nach oben geschafft. Die Basler Künstlerin ist auf das Dach des, zumindest politisch gesehen, höchsten Hauses der Schweiz gestiegen. Am Bundeshaus hat sie in den bislang leeren Giebel ein schillerndes Mosaik gesetzt. Das Kunstwerk heisst «Tilo», benannt nach der ersten Schwarzen, die zusammen mit elf anderen Frauen in den Nationalrat einzog. Damit setzt Levi ein Zeichen für die Diversität und die Frauen im Land. (ray)

3. Nenad Mlinarevic: der Sternekoch mit Geschäftssinn, den die Stadt Zürich liebt

Gault-Millau-Koch Nenad Mlinarevic kocht auf höchsten Niveau. 
Bild: Bild: Sabine Rock

Spitzenkoch Nenad Mlinarevic und Valentin Diem übernehmen und übernehmen: Nachdem die Stadt Zürich dem Duo bereits die «Wirtschaft Neumarkt», die «Bauernschänke» und die «Neue Taverne» verpachtet hat, wird nun das Vierblatt perfekt: Die Brasserie Sud im Hauptbahnhof gehört zum Imperium. Auf den 370 Quadratmetern bietet man Platz für rund 120 Innen- und 40 Aussenplätze sowie 40 Plätze in der «Da Capo»-Bar. (bez)

4. Miriam Cahn: Die zornige Künstlerin attackiert Emil Bührles toxisches Erbe

Die international renommierte Künstlerin Miriam Cahn. 
Bild: Bild: Oliver Berg / DPA

Sie ist unsere meinungsstärkste Gegenwartskünstlerin. Als einzige Kunstschaffende verurteilte sie öffentlich den Umgang des Kunsthauses Zürich mit dem vergifteten Erbe von Emil Bührle. Cahn drohte gar mit dem Rückzug ihrer Bilder. Das Museum zeigt die Sammlung nun im differenzierteren Kontext. Cahn ist konziliant, ihre Bilder bleiben im Museum. Im Frühling bringt sie ihre nach wie vor kritische Sicht an einem Podium im Kunsthaus vor. (M. D.)

5. Jürg Halter: Der linke Intellektuelle kritisiert schweigende Linke

Jürg Halter, porträtiert vor seinem Werk «Silence». 
Bild: Bild: Severin Bigler

Jürg Halter zeigt Haltung: Er wagt es wie kaum ein anderer, die (eigene) linke Kunst- und Kulturbubble zu hinterfragen. Letztes Jahr zeigte er auf, wie intolerant die LGBTQ-Bewegung sein kann. Diese hat ein Werk von ihm missverstanden und zur Störung seiner Ausstellung aufgerufen. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 entlarvt er Terrorismus-Versteher mit Vehemenz. Wokeness und Kulturrelativismus setzt er Humanismus entgegen. (ras)

DIE ABSTEIGER

1. Daniel Koch: hält an veralteter Lehrmeinung zu Corona fest

Daniel Koch, ehemaliger Leiter der Abteilung «Übertragbare Krankheiten» beim Bundesamt für Gesundheit.
Bild: Bild: Severin Bigler

Zweieinhalb Jahre ist es her, seit Daniel Koch als Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim BAG die Bevölkerung durch die erste Pandemiewelle lotste. Und noch immer geniesst er einiges Ansehen in der Bevölkerung - kaum ein Interview wurde 2023 besser gelesen als das mit ihm über sein Fazit aus der Pandemie.

Umso gravierender ist es, dass der erfahrene Arzt an einer inzwischen veralteten Lehrmeinung festhält, welche auch von der WHO korrigiert wurde: Sars-Cov-2 werde häufig via Tröpfchen aus naher Distanz und via Oberflächen übertragen – nicht hauptsächlich mit kleinsten Aerosolen durch die Luft. Und er findet Masken nur sinnvoll, weil die Leute dann auf Distanz blieben voneinander.

Unverständlich, dass Daniel Koch den zahlreichen neuen Studien der letzten zwei Jahre keinen Glauben schenkt. Diese belegten: Sars-Cov-2 ist hochansteckend via Aerosole, weshalb es zum Beispiel zu Massenansteckungen an Grossevents kam. (kus)

2. Philippe Bischof: Er manövriert Pro Helvetia immer mehr ins Abseits

Philippe Bischof, noch bis Sommer 2025 Direktor Pro Helvetia.
Bild: Bild: Anita Affentranger

Erst holte der Direktor der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia eine russische Mitarbeiterin nach Zürich, dann beförderte er sie. Schliesslich wurde sie seine Lebenspartnerin. Erst als der Unmut beim Pro-Helvetia-Personal wegen der Interessenkonflikte wuchs, entschied sich Bischof zum Rückzug – bleibt aber noch bis Sommer 2025 im Amt. Seit dem russischen Angriffskrieg verfolgt Pro Helvetia laut NZZ am Sonntag einen putinfreundlichen Kurs. (js)

3. Jürg Läderach: Der Schoggikönig gerät wegen Vorwürfen ins Zwielicht

Jürg Läderach geriet dieses Jahr wegen einer Privatschule in die Schlagzeilen.
Bild: Bild: zvg

Gegen Jürg Läderach, Patron des gleichnamigen Schokoladen-Herstellers, wurden im vergangenen Herbst schwere Vorwürfe erhoben. An einer von ihm mitbegründeten, religiösen Schule im sankt-gallischen Kaltbrunn sollen in früheren Jahren mehrere Kinder gezüchtigt worden sein. Ehemalige Schülerinnen und Schüler berichten gegenüber SRF von physischer und psychischer Gewalt. Läderach bestreitet, jemals Kinder geschlagen zu haben. (fot)

4. Leitungstrio Theater Neumarkt: Kommunikationsdesaster bei delikatem Diskriminierungsfall

Julia Reichert, Hayat Erdogan und Tine Milz (v. l.) , Co-Leiterinnen des Zürcher Theaters Neumarkt.
Bild: Bild: Walter Bieri / Keystone

Weil eine libanesische Schauspielerin nicht mit einem Israeli auf derselben Bühne stehen wollte, hat das Theater Neumarkt die beiden über Monate getrennt beschäftigt. Ob diese Entscheidung antisemitistisch motiviert war oder ein rein arbeitsrechtlicher Konflikt, ist derzeit Gegenstand mehrerer Untersuchungen. Doch in der Kommunikation nach aussen hat das Leitungs-Trio um Julia Reichert, Tine Milz und Hayat Erdogan gründlich versagt. (jst)

DER UMSTEIGER

Thomas Zurbuchen: von der Nasa an die ETH

Thomas Zurbuchen ist diesen August in die Schweiz zurückgekehrt und lehrt nun an der ETH Zürich.
Bild: Bild: Oliver Bartenschlager / ETH Zürich

Er möchte die Schweiz und Europa an die Spitze der Raumfahrtforschung bringen: der aus der kleinen Berner Gemeinde Heiligenschwendi stammende Astrophysiker Thomas Zurbuchen. Nach über zwanzig Jahren in den USA ist er nun zurückgekehrt und wurde Professor an der ETH Zürich.

Unter anderem möchte er dort den einen der weltweit besten Masterstudiengänge in Weltraumwissenschaft und
-technologie lancieren. Zurbuchen war so lange Forschungschef der US-Raumfahrtbehörde Nasa wie niemand vor ihm. In dieser Funktion verantwortete er ein Budget von 7,6 Milliarden US-Dollar - und war damit einer der einflussreichsten Wissenschafter der Welt.

Unter seiner Leitung verzeichnete die Nasa einige ihrer grössten Erfolge, darunter die Landung des ersten Helikopters auf einem anderen Planeten und den Start des James-Webb-Teleskops. (sny)

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