notifications
Luzern

Die Kultband Napalm Death ist gut gealtert und kommt in den Sedel

Wer nicht recht weiss, was man vom Konzert im Sedel in Luzern erwarten kann, dürfte positiv überrascht werden. Die britischen Grindcore-Pioniere sind noch lange nicht müde.
Napalm Death sind (von links): Mitch Harris (Gitarre), Mark «Barney» Greenway (Gesang), Danny Herrera (Schlagzeug) und Shane Embury (Bass).
Bild: Bild: Jorgen Paabu/PD

Wenn man so rumfragt im Freundes- und Bekanntenkreis, haben Napalm Death vor allem für heute mittelalte Männer mit Hang zu harter Musik eine besondere Bedeutung. Kult seien sie, Helden ihrer Jugend. Aber auch jene, die damals meinten, ihr Kassettli sei kaputt (viel Geschrei und tiefe, aggressiv gespielte Riffs), können sich zumindest an die britischen Grindcore-Pioniere erinnern. Grindcore hat seine Wurzeln im Hardcore Punk und im Crustcore der frühen 80er-Jahre. Mit Crustcore ist sowohl ein Musikstil als auch eine Subkultur gemeint, die aus dem Anarcho- und Hardcore Punk heraus entstanden sind.

Sie hörten wohl «Scum», das Debütalbum aus dem Jahr 1987, die damals jungen Männer, «From Enslavement to Obliteration» (1988) und «Harmony Corruption» (1990). Wer die Band aus Birmingham, England, weiterfolgte, konstatierte eine Weiterentwicklung, die bis heute anhält. Die neuen Sachen seien auch nicht zu verachten, meint einer, und bezeichnet es als «Death Metal mit Wave-Einschlag». Das jüngste Mini-Album «Resentment Is Always Seismic – a Final Throw of Throes» enthält acht Tracks, darunter zwei Covers: eine dreckigere, aber auch funky Version von «People Pie» der britischen Industrial/Alternative Rock Band Slab! (mit Frauenbackgroundgesang im Refrain!) und «Don’t Need It», ein ultraschneller Hardcore-Reggae-Song der US-Band Bad Brains als Death-Metal-Variante.

Nun sind Napalm Death nach 2022 schon wieder auf Europatournee und spielen sogar zweimal in Neuseeland. In die Schweiz kommen sie ins Musikzentrum Sedel in Luzern. Gute Typen seien sie, immer noch fast in Originalbesetzung – Sänger Mark «Barney» Greenway (mit kurzem Unterbruch) und Bassist Shane Embury sind seit Ende der 80er dabei, Gitarrist Mitch Harris und Schlagzeuger Danny Herrera seit Anfang der 90er. Auch deshalb sind Napalm Death Kult.

Kein Mensch ist illegal

Einer der erwähnten Männer, heute 52, hat Napalm Death einmal in Ostberlin live gesehen, es sei ein Hammerkonzert gewesen. Was darf man heute von ihnen erwarten? Paris, Februar 2023: Mark «Barney» Greenway sitzt im Stuhl, er hat sich beim Konzert in München sieben Wochen davor den Fussknöchel gebrochen. Auf der Bühne. Den Liveauftritt lassen sie sich trotzdem nicht nehmen, Mitch Harris lässt zur Bekräftigung kurz seine Gitarre aufheulen. Und dann legen sie los mit «Contagion», «musikalisch auf manisch-intensive Live-Moshpit-Action ausgerichtet», wie Embury, der Musik und Text geschrieben hat, sagt. Inhaltlich geht es aber um Familien aus Lateinamerika und die gefährlichen Reisen, auf die sie sich begeben, um die Chance auf ein besseres Leben zu erhalten. «Contagion» ist auf der Platte «Throes of Joy in the Jaws of Defeatism» aus dem Jahr 2020. Der Albumtitel verrät die Partnerschaft zum aktuellen. Sich die Freude bewahren, nicht in der Negativität versinken und einfach versuchen, ein guter Mensch zu sein. Auch ihre Urwüchsigkeit trägt zum Kultstatus der Band bei.

Nach den ersten Takten von «Contagion» hüpfen schon alle durch- und aneinander. Vor allem ältere Männer. Aber auch eine junge Frau wirft sich von der Bühne in die Menge. Jedoch nicht, bevor der Sänger zu Solidarität, Freundschaftlichkeit und Miteinander aufgerufen hat, auch und vor allem mit Geflüchteten. Mehr im Alltag als am Konzert. Denn, je härter die Musik, desto friedlicher die Stimmung.

All das lässt darauf schliessen, dass man sich aufrichtig auf das Konzert der britischen Kultband im Musikzentrum auf dem Hügel über dem Rotsee freuen darf. Mark «Barney» Greenways Fuss wird inzwischen längst verheilt sein.

PS: Shane Embury hat eine Autobiografie geschrieben, in der es genauso um die Bandgeschichte wie auch die Entwicklung von Death Metal und Grindcore von den Anfängen bis heute geht: «Life?… and Napalm Death». Die Publikation ist auf den Herbst geplant.

Napalm Death, Support: Deconvolution und Sin Logica: Samstag, 22. Juli, 20 Uhr, Sedel, Luzern; www.sedel.ch , Vorverkauf: www.seetickets.com .

Kommentare (0)