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«Vermisst»

Der neue Krimi von Christine Brand: Frauen verschwinden auf rätselhafte Weise – doch einen Hinweis gibt es gleich zu Beginn

Mit «Vermisst» startet die erfolgreiche Schweizer Krimiautorin Christine Brand eine neue Reihe um Fälle über verschwundene Personen. Der Auftakt ist trotz einiger Abstriche sehr gelungen.

Mehrere Frauen sind über einen Zeitraum von vielen Jahren verschwunden, deren Fälle sehr auffällige Gemeinsamkeiten haben: Es geschah jeweils just am fünften Geburtstag ihres Kindes, derweil der jeweilige Vater schon zuvor abgehauen war. Und diese inzwischen erwachsenen Kinder erhalten bis heute mysteriöse Geburtstagskarten. Es braucht im neuen Krimi von Christine Brand nicht wahnsinnig viel Fantasie um zu merken, dass diese Vaterschaften auf den Täter hinweisen.

Christine Brand.
Bild: Bild: Alessandro Della Valle / Keystone

Christine Brand offenbart auch dessen Motiv und psychologischen Hintergrund schon am Anfang ziemlich klar und verzichtet damit auf die genretypische überraschende Wendung am Schluss. Und dass aus Opfern später Täter werden, ist zwar nicht übermässig originell, aber natürlich allzu oft wahr.

Exzellentes Timing zwischen den Erzählsträngen

Handwerklich ist dieser Krimi, wie immer bei Christine Brand, sehr gut gemacht. Etwa punkto Timing der Erzählstränge. In diesem Fall ermittelt nämlich nicht nur Kripo-Frau Malou Löwenberg, sondern auch Dario, dessen Mutter damals auch verschwunden ist. Noch als Erwachsener hat er die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sie noch lebt.

Auch wenn Malou und Dario als Team agieren, sind sie oft an unterschiedlichen Schauplätzen, was Christine Brand die rasanten Wechsel in den Kapiteln ermöglicht. Und an deren Ende immer wieder Cliffhanger. Dass diese auch im Stile von «Sie sieht mit Entsetzen, dass sich der Türknauf dreht» sind, mag man verzeihen. Solcherlei ist ein typisches Mittel, um Spannung zu erzeugen. Und spannend ist es die ganze Zeit.

Eine überzeugende neue Protagonistin

Das liegt nicht zuletzt an den Frauenfiguren, allen voran Malou Löwenberg. Sie hat TV-Reporterin Milla Nova als Protagonistin abgelöst. Und ist eine sehr interessante Person mit Ecken und Kanten, scharfsinnig, mutig, ohne irgendwie übermenschlich zu wirken, ganz im Gegenteil. Als Figur ist sie sehr plastisch gezeichnet, die Beziehung zu ihrem Vater, der als Demenzkranker in einer Anstalt lebt, gibt ihr zusätzliche Emotionalität.

Auch andere Frauenfiguren sind stark, etwa die nach den Ereignissen im letzten Brand-Krimi inhaftierte Ex-Polizistin Bettina Flückiger. Obschon gezeichnet vom Gefängnis, vermag sie Malou wichtige Anregungen zu geben. Die Männerfiguren wirken weniger positiv. Dario ist ein Weichei mit obsessiven Tendenzen. Was aufgrund seiner Kindheit ein Stück weit verständlich ist. Manous Vorgesetzter Bandini, den man ebenfalls aus früheren Brand-Krimis kennt, hat sich zum schwerfälligen Bürokraten entwickelt. Und ihr eigentlich bester Polizeikollege entpuppt sich als machistischer Schnösel. Oder noch Schlimmeres?

Inspiriert durch Mann, der seine Mutter suchte

Dem Lesevergnügen schadet das nicht. Zudem hat man immer den Eindruck, dass Christine Brand gut Bescheid weiss über das, wovon sie schreibt. Etwa über polizeiliche Ermittlungsarbeit. Während sie in vielen ihrer früheren Bücher sehr nahe auf reale Fälle Bezug genommen oder sogar wahre Verbrechen geschildert hat, ist dieser Krimi – Auftakt einer neuen Reihe – fiktional.

Inspiriert ist er aber dennoch von der Realität; von Frauen, die in einem Zeitraum von Jahrzehnten verschwanden. Drei von ihnen hat man nie gefunden. Zudem hatte Christine Brand Kontakt zu einem Mann, dessen Mutter spurlos verschwand, als er ein kleiner Junge war. Und der sie suchte, bis vor einigen Jahren Teile ihres Skeletts auftauchten. Dass Christine Brand die emotionale Situation von traumatisierten Menschen sehr gut versteht und wiederzugeben vermag, zeigt sie auch im neuen Krimi.

Vermisst. Blanvalet, 530 Seiten.

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