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Kino

Blaue Aliens auf Rekordkurs, das Phänomen «Barbenheimer» und der Triumphzug von Sandra Hüller: Das sind die Highlights aus dem Kinojahr 2023

Trotz monatelangem Doppelstreik in Hollywood passierte vieles im Kino, das sich langsam wieder von den Coronaeinbrüchen erholt.
Greta Gerwigs grellpinke Emanzipationsgeschichte «Barbie» mit Ryan Gossling und Margot Robbie war der Kassenschlager des Jahres.
Bild: Bild: Imago/www.album-online.com

Nach den Zeiten grosser Ungewissheit und mässiger Einnahmen ob der Corona-Pandemie startete das Kinojahr mit einer Aufholjagd in Blau: Ende Januar knackte der im Dezember 2022 gestartete «Avatar: The Way of Water» bereits die Marke von 2 Milliarden US-Dollar Einspielergebnis weltweit. Regisseur James Cameron hatte einmal mehr gepokert und gewonnen. Der Action-Blockbuster war noch lange nicht tot.

Zumindest, wenn er nicht von Marvel kam. Für den Comicgiganten war 2023 gemessen an den eigenen Erwartungen kein gutes Jahr. Lediglich «Guardians of the Galaxy Vol. 3» konnte an die Glanzzeiten anknüpfen. «Ant-Man and the Wasp: Quantumania» und «The Marvels» stiessen grösstenteils auf negative Kritiken und lockten bei weitem nicht mehr die Massen ins Kino.

Zudem serbelte der hauseigene Streamingdienst Disney+, ein Sparplan musste her. Auch die Disney-Originalfilme «Elemental» und «Wish» überzeugten nicht vollends, ausgerechnet zum 100-Jahr-Jubiläum des Konzerns. Eine letzte Hiobsbotschaft kam zum Jahresende: Jonathan Majors, einer der heissen Newcomer Hollywoods, sukzessive in der Rolle des nächsten Superschurken Kang aufgebaut, wurde vor Gericht wegen eines tätlichen Angriffs schuldig gesprochen; Disney beendete daraufhin sofort die Zusammenarbeit.

Der Hype um «Barbenheimer»

Das grösste Phänomen des Kinojahrs zog im Sommer mit «Barbenheimer» herauf. Der 20. Juli wurde zu einem Fanal für das Kino, die beiden wichtigsten Sommerhits starteten genau an diesem Tag: Greta Gerwigs grellpinke Emanzipationsgeschichte über Barbie, die berühmteste Puppe der Welt. Und das gigantische Biopic über J. Robert Oppenheimer, den Erfinder der Atombombe von jenem Regisseur, für den das IMAX-Format noch zu klein scheint: Christopher Nolan.

Anstatt sich gegenseitig Publikum wegzunehmen, profitierten beide Produktionen voneinander und generierten einen wochenlangen Hype. Den gewann «Barbie» am Ende an den Kinokassen sogar mit 1,4 Milliarden Dollar – zum ersten Mal erreichte eine Frau allein auf dem Regiestuhl die Milliardengrenze. Beide Filme führen das Feld der Nominationen für die Golden Globes 2024 an und werden wohl zusammen mit dem – bisher nur an Festivals gelaufenen, brillanten «Poor Things» – um die Oscars wetteifern.

Doch die Euphorie um «Barbenheimer» wurde bald überschattet: Exakt zur Veröffentlichung der beiden Filme trat die Schauspielgewerkschaft von Hollywood in den Streik. Seit Mai hatten bereits die Drehbuchautorinnen und Autoren die Arbeit niedergelegt. Nichts ging mehr in der Traumfabrik, heiss erwartete Filme wie «Dune 2» oder «Deadpool 3» mussten ins nächste Jahr geschoben werden.

Erst im November konnte eine Einigung erzielt werden. Doch die Fragen nach dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz und finanzieller Modalitäten bei den Streamern werden die Branche gewiss nicht zum letzten Mal umgetrieben haben.

Sandra Hüller avanciert zum US-Liebling

Der Schweiz war eine internationale Aufmerksamkeit wie zuletzt 2022 am Toronto Film Festival nicht beschieden. Doch vor allem Frauen legten tolle Filme vor: Ursula Meier mit «La Ligne», Jackie Brutsche mit «Las Toreras» und Carmen Jaquier mit «Foudre». Der «grosse Kanton» Deutschland hingegen mischte Hollywood auf: Edward Berger samt Crew konnte an der Oscar-Verleihung vier Statuen für «Im Westen nichts Neues» erringen.

Sandra Hüller. 
Bild: Bild: Annette Riedl/dpa

Sandra Hüller ist die in Europa und auch in den USA mit Würdigungen überhäufte Schauspielerin des Jahres, dank zweier triumphaler Rollen: Als Frau unter Mordanklage im Gerichtsdrama «Anatomie d’une chute» und als eiskalt-abgründige Hedwig Höss in dem im Februar 2024 in den Kinos startenden KZ-Drama «The Zone of Interest». Auch Wim Wenders lief gleich doppelt in Cannes: Mit dem Künstlerfilm «Anselm» ebenso wie einem der schönsten, liebevollsten Filme des Jahres: «Perfect Days».

Top 5 Filme International

1. «The Banshees of Inisherin»: Eine lange Männerfreundschaft auf einem verschnarchten irischen Inselchen wird von Regisseur Martin McDonagh so blutig wie absurd zertrümmert.

2. «Perfect Days»: Der japanische Schauspieler Kōji Yakusho brilliert bei Wim Wenders in der Rolle eines Toilettenputzers in Tokio, der vom Glück der kleinen Dinge erfüllt ist.

3. «Tár»: Todd Fields äusserst präzises und komplexes Drama um den Fall einer Star-Dirigentin (Cate Blanchett) entzieht sich einfachen moralischen Schuldzuweisungen.

4. «Oppenheimer»: Christopher Nolan’s «Oppenheimer» befeuerte mit «Barbie» einen Doppelhype und ist auch sonst ein düsteres, gigantomanisches Gegenstück zum knallbunten Emanzipationsspass.

5. «Aftersun»: Beim melancholischen Indie-Festivalliebling von Charlotte Wells über scheinbar harmlose Ferien in der Türkei verbirgt sich die Komplexität im Kleinen.

Flop: «Manta Manta – Zwoter Teil»: Die Ausraster von Til Schweiger am Set trugen sicher nicht dazu bei, diesen Rohrkrepierer von einer Fortsetzung charmanter zu machen.

Top 5 Filme Schweiz

1. «La Ligne»: Eine dünne Linie soll eine explosive Mutter-Tochter-Beziehung auf Distanz halten, präzise beobachtet von Regisseurin Ursula Meier.

2. «Foudre»: Selten wurde die jugendliche Erforschung der Sexualität mystischer dargestellt als in «Foudre» von Carmen Jaquier, die dafür zwei Schweizer Filmpreise erhielt.

3. «Las Toreras: » Jackie Brutsche nimmt uns in ihrem Dokumentarfilm mit nach Spanien, auf Spurensuche nach dem Grund für den Tod der Mutter.

4. «I Giacometti»: Susanna Fanzun kratzt unerbittlich an der heilen Fassade der Künstlerfamilie und fördert dabei auch Verstörendes zutage.

5. «El Agua»: In ihrem komplexen Spielfilmdebüt widmet sich Elena López Riera den Fluten in Spanien – und patriarchalen Mythen.

Flop: «Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste»: Margarethe von Trottas neuer Film wärmt nur Klischees und Halbwahrheiten über Ingeborg Bachmanns Liebe zu Max Frisch auf.

Top 5 Serien

1. «Geister – Exodus»: Die dritte Staffel von Lars von Triers absurdem Krankenhaushorror ist zum Schreien komisch und zeigt, dass der Däne auch ein Menschenfreund sein kann.

2. «Succession»: Das Ende der Dramedy um den Reichenclan Roy erlöst niemanden von Schuld und Verantwortung, belässt aber manches auch in der Schwebe, zum Glück.

3. «Bodies»: Eine Leiche, die zu drei verschiedenen Zeiten in einer Londoner Gasse auftaucht, steht im Zentrum der packendsten Mystery-Serie des Jahres auf Netflix.

4. «Tschugger»: In der dritten und voraussichtlich vorletzten Staffel rund um die Walliser Chaos-Cops schwingt sich nicht nur der Schmetterling zu neuen Höhenflügen auf.

5. «Liebes Kind »:Die sechsteilige Krimiadaption stellt hoch spannend und mit erzählerischem Geschick lange die Gewissheiten des Publikums auf den Kopf.

Flop: «Der Schwarm» : Schleppende Handlung, alberne Dialoge. Auch Frank Schätzing, der Autor der Bestsellervorlage, befand: «Es pilchert mehr, als es schwärmt.»

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