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Langlauf

Das alljährliche Leiden am Berg

Am Dienstag steigen die Weltbesten im Langlauf wieder auf die Skipiste. Statt runter geht es zur Alpe Cermis hoch. Alljährlich wird beim prestigeträchtigen Finale der Tour de Ski gelitten.
Dario Cologna im Jahr 2012 auf dem Weg zu seinem dritten Triumph
Bild: KEYSTONE/AP/Elvis Piazzi

"Weh tut es gleichwohl, die Meter gehen nur langsam vorbei", sagte Cologna im Januar 2018 nach dem letzten Triumph beim Klassiker. Der in Davos sesshaft gewordene Münstertaler hatte damals den vierten Gesamtsieg in trockene Tücher gelegt und sich endgültig zum Mister Tour de Ski gekürt. Vier Siege (2009, 2011, 2012, 2018), drei weitere Podestplätze und insgesamt zehn Top-Ten-Klassierungen zieren das Palmarès. Kein anderer schnitt bislang in diesem Etappenrennen derart erfolgreich ab wie der (einstige) Allrounder. In seiner letzten Saison nun verzichtet Cologna kurzfristig auf die Strapazen. Der Reizhusten erfordert eine andere Herangehensweise an die Olympischen Spiele in Peking.

Die Russin Natalia Neprjajewa und der Norweger Johannes Hösflot Klaebo kämpfen heuer in der Waldschneise zur Alpe Cermis um den Gesamtsieg. Im 3,6 km langen Anstieg mit 425 Höhenmetern und Passagen mit bis zu 28 Prozent Steigung liefert das meistgesehene Langlaufrennen nicht Aufnahmen fürs Technik-Lehrbuch, sondern Bilder des Leidens. Selbst die Männer klettern im "Weiberschritt" hoch, die Schmerzen werden in den Gesichtern abzulesen sein. "Ich bin froh, dass ich diesen Aufstieg nur einmal im Jahr zurücklegen muss", hatte Cologna einst gesagt.

Oslo eigentlich härter

Der 50-km-Lauf in Oslo, der zweite Klassiker im Weltcup-Kalender, weist 2000 Höhenmeter auf - nur nimmt das keiner wahr. Oslo ist anstrengender, aber die Alpe Cermis gefürchteter. Am Holmenkollen ist der Läufer im Pulk unterwegs, kann sich im Feld verstecken, zwischendurch erholen. Im Anstieg am Gegenhang von Cavalese hingegen ist jeder auf sich allein gestellt, muss den eigenen Rhythmus laufen, genau auf den Körper horchen. Wer ohne Reserven die erste der drei ganz steilen Rampen erklimmt, wird nicht durchhalten. Wer einen Einbruch hat, erholt sich nicht mehr, zumal auch die zahlreichen Spitzkehren immer wieder den Rhythmus brechen.

Leicht fliegt besser, heisst es im Skispringen. Leicht steigt auch besser, allerdings nur bedingt. Denn der Langläufer lebt primär von seinem Motor, auch im Anstieg. Allerdings ist das Erklimmen der Alpe Cermis eine mentale Angelegenheit. "Man muss sich auf das Rennen freuen!", betont der Schweizer Langlauf-Chef Christian Flury. Nur wer sich überwinden und reinknien könne, werde letztlich Erfolg haben.

Tragische Unfälle

Die Alpe Cermis ist zum Markenzeichen des Leidens geworden. Und die Strecke hoch zum Ziel bei der Mittelstation entstand aus einer leidvollen Vergangenheit. Ursprünglich führte die Gondelbahn von Cavalese hoch über dem Tal direkt zur Alp. 1976 riss ein Tragseil, 43 Menschen starben. Die Bahn nahm erneut ihren Betrieb auf, bis 1998 ein US-Militärflugzeug im Tiefflug das Seil kappte und 20 Menschen in den Tod riss. Danach wurde umgedacht, die Gondelbahn nimmt nun den Umweg über den Talboden. Aus diesem Grund schlugen die Förster die Schneise für eine Abfahrtspiste in den Wald, in der nun der Mythos Alpe Cermis entstand. (sda)

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