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Ski Freestyle

Freestyler benötigen neue Infrastruktur

Die Schweizer Winter-Freestyler bangen um ihr Renommee. Während andere Nationen wie Japan dank neuer Infrastruktur einen Aufschwung erleben, hinkt die Schweiz hinterher.
Sacha Giger, Direktor Ski Freestyle und Snowboard von Swiss-Ski, sagt, was der Schweizer Freestyle-Nachwuchs benötigt, um weiterhin mit den Besten mitzuhalten
Bild: KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER

Es hat etwas Kurioses: In den Sozialen Medien kursiert seit ein paar Wochen dieses Video von Snowboarder Nicolas Huber, das komplett seinem Habitus widerspricht. Huber, auf der Foto- und Videoplattform Instagram unter dem Pseudonym "der Nudist" bekannt, wobei der Benutzername bei ihm Programm ist, bleibt für einmal mehr Nicolas Huber als Nudist: Er trägt Kleider, spricht mit normaler Stimme und lässt die Mätzchen weg. Denn Huber geht es darum, eine Botschaft klar zu machen, eine Bitte der gesamten Schweizer Freestyle-Szene: eine Bitte um Unterstützung.

Huber und andere Freestyle-Exponenten bewerben derzeit das Crowdfunding-Projekt "Bag to the Future". Ziel der Aktion unter Leitung der Stiftung Passion Schneesport ist es, so erklären es die Initiatoren, 50'000 Franken für den Freestyle-Nachwuchs zusammenzutragen. Konkret geht es darum, Geld und Aufmerksamkeit zu generieren für ein Projekt, an dem Swiss-Ski schon seit einiger Zeit arbeitet: der Anschaffung eines eigenen Landingbags - einem riesigen Luftkissen für die Winter-Freestyler. Schnee ist für ein Training auf einer solchen Anlage keine Voraussetzung mehr, das Verletzungsrisiko durch die Landung auf der weicheren Unterlage würde minimiert.

Die Schweiz würde durch den Bau einer solcher Sommeranlage keineswegs Pionierarbeit bei den Winter-Freestylern leisten. Kanada, die USA, Österreich und allen voran die Japaner greifen bereits darauf zurück. Anfänglich wurden solche Luftkissen in der Halfpipe eingesetzt. Seit es allerdings möglich ist, die Tricks bei guter Landung auszufahren, ohne im Luftkissen einzusinken, trainieren auch die Slopestyle-Athleten auf den übergrossen Airbags.

Japans Pionierarbeit belohnt

Wollen die Schweizer Freestyler sich diese Luftkissen derzeit zu Nutze machen, stellen sich organisatorische wie auch finanzielle Fragen. In Österreich, das aufgrund der Distanz für die Swiss-Ski-Athleten noch am idealsten wäre, ist die Trainingsanlage zu klein, um Höchstschwierigkeiten einzuüben. Reisen in die USA oder nach Kanada sind kostenintensiv. Im vergangenen Winter zog es Swiss-Ski mit einigen Athleten zum Trainingslager in das kanadische Québec, wo auf Landingbags trainiert werden kann.

Allerdings kommt das Schweizer Team so pro Jahr nur auf ein paar vereinzelte Trainingstage auf diesen Anlagen. "Mit den zwei, drei besten Athleten einmal im Jahr dorthin zu reisen, ist auf Dauer auch nicht nachhaltig", sagt Sacha Giger, Direktor Ski Freestyle und Snowboard von Swiss-Ski. Auch, weil andere Nationen wie etwa die Japaner drei bis vier Tage pro Woche auf den Luftkissen trainieren - und das während des ganzen Jahres. Dies schlägt sich besonders in der Nachwuchsarbeit nieder. Bereits früher war das Erlernen neuer Tricks auf Schnee mit grosser Überwindung verbunden. Dass die Tricks über die Jahre technisch immer noch anspruchsvoller geworden sind, verlangt den Athleten heutzutage aber noch mehr Schneid ab. Umso wichtiger wird die Möglichkeit, die Tricks ohne allzu grosses Verletzungsrisiko üben zu können.

Japan hat als erste Nation grossflächig auf Landingbags gesetzt - fast zwei Dutzend solcher Anlagen soll es mittlerweile geben. Und es ist nicht zu übersehen, dass immer mehr junge Japanerinnen und Japaner auf Weltcup-Stufe vorpreschen. So führt mit Takeru Otsuka ein 17-jähriger Snowboarder aus Kanagawa den Big-Air-Weltcup an. Bei den Frauen liegen Miyabi Onitsuka (20) und Reira Iwabuchi (17) vorne. "Wollen wir mit diesen Nationen mithalten, brauchen wir eine eigene Anlage in der Schweiz", sagt deshalb Giger.

Als möglichen Standort in der Schweiz nennt Giger Leysin oder Davos. In der Waadtländer Gemeinde sind bereits erste Hürden betreffend einer möglichen Baubewilligung genommen worden. Die Realisation des Projekts in Leysin wird im Hinblick auf die Youth Olympic Games 2020 in Lausanne weiter vorangetrieben. Die Finanzierung allerdings ist noch nicht abschliessend geklärt. Die 50'000 Franken vom Crowdfunding - bisher sind es rund 15'000 Franken - wären ein Tropfen auf den heissen Stein. Rund 300'000 Franken dürften alleine die Anschaffungskosten für Bag und Matten kosten, dazu würde in Leysin ein Gerüstbau für die Anlage nötig. Die gesamte Umsetzung dürfte rund eine Million kosten.

Seit jeher gehört die Schweiz in Sachen Freestyle-Sportarten weltweit zur Elite: Sie stellte in Skiakrobat Sonny Schönbächler 1994 in Lillehammer etwa den ersten Olympiasieger der Disziplin Aerials, oder vier Jahre in Nagano mit Snowboarder Gian Simmen auch den ersten olympischen Champion in der Halfpipe. Bis heute hat sich am Status der Schweizer Freestyler wenig geändert. Die Freestyle-Weltmeisterschaften in Park City Anfang Februar schloss die Swiss-Ski-Delegation als vierterfolgreichste Nation ab - hinter den Schwergewichten USA, Kanada und Russland. Ein eigener Landingbag soll dieses Standing erhalten. (sda)

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