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Sport

Wie eine Obwaldnerin in Japans Wäldern still ihren Triumph genoss

Die gehbehinderte Theres Huser gewann 1998 an den Paralympics in Nagano die Goldmedaille im Biathlon. Dies trotz einer fast schlaflosen Nacht.
(Bild: Keystone (Nozawa Onsen, 6.März 1998))
(Bild: Keystone (Nozawa Onsen, 6.März 1998))
Theres Huser (pd)

Theres Bühlmann

Theres Bühlmann

Theres Bühlmann

Die Antwort kommt schnell. «Mein absoluter Karrierehöhepunkt war der Sieg im Biathlon an den Paralympics in Nagano», sagt Theres Huser. In Japan erfüllte sich für die damals 43-jährige Obwaldnerin – der im Alter von drei Jahren wegen eines Knocheninfektes das linke Hüftgelenk entfernt werden musste – ein Traum: Einmal an den Paralympischen Spielen ganz oben auf dem Podest zu stehen. Auch nach über zwanzig Jahren bleibt ihr dieser 6.März 1998 in starker Erinnerung, die Details sind noch präsent, fast jeder Schritt, jeder Handgriff. Biathleten im Behindertensport tragen übrigens ihre Waffen während des Wettkampfes nicht mit sich, um so die Chancengleichheit zu wahren. Diese werden ihnen am Schiessstand von einem Teambetreuer überreicht.

Beim ersten Schiessen auf der 7,5-Kilometer langen Strecke blieb eine Scheibe stehen, aus der Ruhe bringen liess sie sich aber nicht. «Als ich zum zweiten Schiessen kam, verliess meine stärkste Konkurrentin Majorie van de Bunt gerade ihren Platz, ich sah noch kurz ihr Trefferbild, welches einen Fehlschuss aufwies. Da wusste ich, wenn ich fehlerfrei bleibe, laufen wir beide um die Goldmedaille.» Und Theres Huser traf alle fünf Scheiben. Im Wissen, dass ihr Sieg nun in Reichweite lag, sei sie wie eine Rakete aus dem Stand herausgeschossen. «Ich habe mich dann völlig verausgabt und lief verkrampft.»

Das Atmen fiel ihr immer schwerer, die Muskeln brannten, blau sei sie gelaufen. Dann folgten die letzten 500m, mit einem steilen Anstieg. «Ich wusste nicht, wie ich da hochkommen soll.» Support bekam sie von Hippolyt Kempf, der 1988 Olympiasieger in der Nordischen Kombination wurde und in Nagano als Guide den sehbehinderten Adrian Mosimann betreute. «Hippolyt muss gesehen haben, dass ich am Anschlag war. Er stand in der Trainerzone und schrie mir zu: ‹Thesi, da musst du rauf, und zwar in diesem Tempo, heja, heja›, und gab mir mit seinen rhythmischen Zurufen die Pace an.» Was sie auch noch realisierte, waren Anfeuerungsrufe der anderen Nationaltrainer. Dies sei unüblich gewesen, und habe sie zusätzlich motiviert. «Diesen Anstieg werde ich nie mehr vergessen», blickt sie zurück. Am Ziel bekam sie die Meldung vom Physiotherapeuten Pesche Borner: «Du hast es geschafft.» Dann ging alles schnell, unmittelbar nach der Rückfahrt ins olympische Dorf folgte die Siegerehrung. «Uns blieb keine Zeit zum Umkleiden, rasch die Delegationsjacke übergezogen, und so standen wir in den verschwitzten Rennanzügen auf dem Podest.»

Der emotionale Empfang in der Heimat

Beim Anhören der Nationalhymne sei es ihr heiss und kalt den Rücken runtergelaufen, «da spürte ich, all die jahrelangen Entbehrung haben sich gelohnt.» Vor lauter Erschöpfung konnte sie diesen Freudentag nicht richtig geniessen. Erst einige Tage später lief sie abseits des Olympiastadions entspannt durch die Wälder von Hakuba, genoss allein, zufrieden, glücklich und stolz diesen Triumph. Vergessen auch die Nervosität, als bei der Startnummernausgabe am Vortag des Wettkampfes ihr Puls in die Höhe schnellte, der sie in der Nacht kaum schlafen liess. «Aber so etwas muss man aushalten.»

Bei der Rückkehr in Kloten wurde die Delegation von der damaligen Bundesrätin Ruth Dreifuss empfangen. «Es war sehr eindrücklich und feierlich, aber es zog mich nach Hause.» Beim Dorfeingang in Sachseln sah sie eine Signalisation der Feuerwehr und wunderte sich über deren sonntägliche Übungen. Auf dem Postplatz wartete der damalige Gemeindepräsident Paul Iten. Erst als sie die vielen Menschen sah, die zu ihrem Empfang erschienen, realisierte sie, weshalb die Feuerwehr zur Verkehrsregelung ausrücken musste. Das Fest im Mattlisaal, von dem sie auch nichts ahnte, habe sie überwältigt. Sie trug während der ganzen Feier ihre Delegationsjacke. «Ich hatte meine Emotionen nicht mehr im Griff, zitterte am ganzen Körper und wollte nicht, dass man dies sah.»

Theres Huser nahm bereits als Langläuferin 1992 an den Paralympics 1992 in Albertville teil, und gewann über 15km Skating die Silbermedaille. Zwei Jahre später in Lillehammer resultierten erneut zwei silberne Auszeichnung im Langlauf über 5km und 15km, und auch Platz2 im Biathlon, welcher damals auf dem Paralympischen Programm Premiere feierte. «Dann musste ich mich entscheiden, entweder Langlauf oder Biathlon, beides war nicht mehr machbar», sagt sie. Und entschied sich für Letzteres. In Tobolsk (RUS) liess sie sich 1997 zur Europameisterin krönen. Ein weiterer prägender Schritt auf dem Weg zu ihrem grössten Moment.

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