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Biathlon, Benjamin Weger, Karriere

Benjamin Weger bestreitet diese Woche beim Weltcupfinale in Oslo die Derniere. Mit dem Walliser geht der erste diplomierte Schweizer Biathlet in Pension.

Diplomiert will heissen: Der 32-Jährige lancierte seine Karriere nicht als Langläufer, sondern setzte von Beginn auf die Kombination aus Präzision und Ausdauer. Oder anders gesagt: Die Jahrgänge vor Weger hatten diese Möglichkeit gar nicht.

Der Biathlon fristete in der Schweiz lange ein Mauerblümchen-Dasein. Eine weltcuptaugliche Mannschaft mit Frauen und Männern ist erst seit einem Jahrzehnt unterwegs. Die Grundlage wurde vor 18 Jahren gelegt. Seit 2004 ist die telegene Sportart bei Swiss-Ski integriert. Seither geht es langsam, aber stetig aufwärts – oder ging es aufwärts, denn derzeit fallen die Resultate durchzogen aus.

Weger hat den richtigen Jahrgang, um als Erster in den Biathlon-Kadern richtig gross zu werden. Und es gab nur einen Weg: nach oben. Der Gommer holte Medaillen bei allen Nachwuchswettkämpfen und schaffte als 20-Jähriger bereits die Olympia-Qualifikation. In den folgenden zwei Wintern folgten vier Podestplätze im Weltcup, die WM 2012 in Ruhpolding nahm er als Nummer 5 der Welt in Angriff. SRF übertrug dank Wegers Medaillenchancen 2012 erstmals live von Biathlon-Weltmeisterschaften. Nach Simon Ammann und Dario Cologna stand ein dritter Star in den Startblöcken, um aus dem Schatten der Alpinen tritt. "Alle und auch ich dachten, der Weger, der wird zu den Besten gehören", sagt der Walliser.

Aber Ruhpolding missriet gründlich und in den folgenden Jahren kam gar ein Rückschritt, ausgelöst durch Übertraining. Auch die Scheiben fielen nicht mehr. "Das ist im Kopf nicht einfach. Man muss lernen, damit umzugehen", schildert Weger diese Phase. Die Gedanken, die er akzeptieren musste, formuliert er so: "Letztlich ist es ein Privileg, dass ich Biathlon machen kann. Wegen schlechter Resultate bin ich nicht ein schlechter Mensch." Und während er um den Anschluss an die Spitze kämpfte, setzte Selina Gasparin, die Pionierin bei den Frauen, mit zwei Weltcupsiegen und Olympia-Silber in Sotschi 2014 die Glanzpunkte.

Aber Weger fing sich. Top-Ten-Klassierungen kamen en masse, doch Podestplätze im Weltcup oder ein Coup am Grossanlass blieben aus. Die Ausnahme: Im Januar 2021 stand er in Oberhof als Dritter beim Massenstart erstmals seit neun Jahren wieder auf dem Podest - zum fünften Mal insgesamt. "Ich wäre vom Niveau her in der Lage gewesen, Olympia- und WM-Medaillen zu holen. Ich wäre nicht auf Glück angewiesen gewesen", betont der 32-Jährige. Während mehrerer Jahre zählte er zu den Top-10 im läuferischen Bereich. Aber am Grossanlass wollte es nie klappen mit der Medaille. "Ich bin nicht an mir gescheitert, eher am fehlenden Wettkampfglück."

Laufvermögen lässt nach

Nicht nur der Zahn der Zeit nagt an Wegers Leistungsvermögen, auch die Steigerung des Niveaus in der Weltspitze oder die zunehmende Dichte unter den Besten lassen Podestplätze immer unwahrscheinlicher werden. Die Realität spürte Weger vergangene Woche beim Sprint in Otepää erneut: Fehlerfreies Schiessen, die beste Leistung im Langlauf in dieser Saison, und doch bloss Platz 8. Vor einem Jahrzehnt hätte eine solche Performance wohl fürs Podest gereicht.

"Heute wird vor allem schneller geschossen und gleichwohl getroffen", nennt Weger einen der Gründe. "Wenn früher einer in 20 Sekunden schoss, wurde er als Spinner abgetan. Heute rangiere ich mit meinen 30 Sekunden im hinteren Mittelfeld."

Am Samstag - falls er sich für den Massenstart qualifiziert erst am Sonntag - ist für Weger am Holmenkollen, dem Hausberg von Oslo und der Geburtsstätte des nordischen Skisports, Schluss mit dem Weltcup. Die Schweizer Meisterschaften in Realp wird er zwar noch laufen, aber im Kopf wird er schon zurückgetreten sein.

Distanz schaffen

"Ich weiss nicht, ob ich in ein Loch falle oder ob der Rücktritt zu einer Befreiung wird", sinniert der Bartträger. Der Sport sei eben Privileg und viel harte Arbeit zugleich. Konkretes hat Weger nicht vor, Pläne aber viele: Trainerausbildung, mit dem Camper verreisen, das Haus in Geschinen umbauen. "Ich muss nun zuerst einmal mit dem Kopf weg vom Sport kommen, denn Sportler führen nicht nur ein unbeschwertes Leben." Weger hatte sehr viel in den Biathlon investiert, und sich nach den sorgenlosen und erfolgreichen Anfängen "den Arsch aufgerissen", wie er es einst direkt formulierte, um den Anschluss wieder zu schaffen und sich über ein Jahrzehnt in der erweiterten Weltspitze zu halten. Er tritt als Nummer 1 des aktuellen Schweizer Teams zurück - Männer und Frauen. (sda)

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