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Boxen

"Es wäre unfair, das Turnier zu annullieren"

Boxer Ukë Smajli ist nach turbulenten Tagen in London zurück in der Schweiz. Im Interview spricht er über das Erlebte, und sagt, wie es für ihn weitergeht und womit er sich die Zeit vertreibt.
In London wurde bis am 16. März noch um Olympia-Tickets geboxt
Bild: KEYSTONE/AP/Adam Davy

Der Schweiz-Kosovare Ukë Smajli kämpfte vor zwei Wochen in London am Qualifikationsturnier für Tokio 2020 als einer von über 300 Boxern um den olympischen Traum. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie fand der Wettbewerb am dritten Tag sein abruptes Ende. Da hatte der 26-Jährige seinen ersten Kampf bereits erfolgreich hinter sich gebracht.

Ukë Smajli, Sie sind vergangene Woche aus London in die Schweiz zurückgekehrt. Wie geht es Ihnen?

"Ich bin gesund, fühle mich aber nicht topfit."

Inwiefern?

"Ich habe das Boxen derzeit etwas abgestellt, da mir im Moment nichts anderes übrigbleibt. Etwas joggen oder eine kleine Trainingseinheit mit meinem Bruder, um die Technik zu erhalten, aber sonst trainiere ich nicht."

Wieso nicht?

"Einerseits sind die Trainingsmöglichkeiten beschränkt. Zudem gibt es derzeit kein Ziel, auf das ich hinarbeiten kann. Für einen Boxer ist es wichtig, auf ein Turnier hin zu planen. Man muss wissen, in welcher Vorbereitungsphase man sich befindet. Je nachdem sind die Physis, die Technik oder das Sparring im Fokus. Derzeit versuche ich einfach die Fitness zu erhalten. Für eine weitere Planung muss ich wissen, wann es weitergeht."

Das klingt nach viel Freizeit und etwas Langweile.

"So ist es nicht. Ich habe Zeit für andere Dinge, etwa meine Masterarbeit (Smajli studiert Wirtschaft an der Universität Zürich - Red.). Diese kam zuletzt wegen des Boxens zu kurz. Zudem arbeite ich ja weiterhin noch 50 Prozent."

Kommen wir zu Ihrer Zeit in London. Wie haben Sie die Situation wahrgenommen?

"Ich bin mit der Hoffnung nach London gereist, dass der Wettkampf noch über die Bühne gehen kann. Als wir ankamen, war in der Stadt auch noch keine Hektik aufgrund des Coronavirus zu spüren. Die Menschen gingen einkaufen oder trafen sich im Freien. Nur im Hotellift haben sich die Menschen den Rücken zugekehrt."

Und wie war die Situation am Wettkampf? Wurde etwa Fieber gemessen?

"Wir Boxer haben vor unseren Kämpfen sowieso immer einen Gesundheitscheck zu absolvieren. Da gehört das Fiebermessen dazu. Betreffend Coronavirus gab es aber kaum spezielle Massnahmen vor Ort. Zwar informierte das IOC über Tipps zum Schutz vor dem Virus und platzierte in den Trainingshallen Desinfektionsmittel, damit hatte es sich dann aber."

Wann und wo haben Sie von der Absage erfahren?

"Wir schauten am Montag die Kämpfe unserer Teamkollegen vor Ort, um sie zu unterstützen. Nach dem letzten Kampf mit Schweizer Beteiligung ging ich in die Trainingshalle, um meinem siegreichen Kollegen zu gratulieren. Dort erfuhr ich dann vom Trainer, dass es in einer halben Stunde eine ausserordentliche Sitzung geben wird. Dann ging alles sehr schnell, eine weitere halbe Stunde später war der Wettkampf abgesagt, und ich packte am selben Abend meinen Koffer."

Und Sie sind bitter enttäuscht?

"Ich habe es irgendwie erwartet. Auch wenn es in London noch nicht so wirkte. Über die Zeitungen und in den sozialen Medien bekam ich mit, dass die Situation ausartet. Da fragte ich mich schon: Wie lange kann das IOC vor der Entwicklung noch seine Augen verschliessen? Enttäuscht war ich darum nicht wirklich. Ich hatte meinen Kampf ja gewonnen, war bereit für meinen zweiten Einsatz. Als die Absage kam, dachte ich: 'Okay, mein Kampf wird nachgeholt.'"

Wissen Sie unterdessen schon, wie es weitergeht?

"Ich nehme schwer an, dass ich zu gegebener Zeit meinen Kampf gegen Emmet Brennan nachholen kann. Es wäre unfair, das Turnier rückwirkend zu annullieren und so die Würfel neu zu mischen. Besonders, da sich einige Boxer in London bereits einen Olympia-Startplatz gesichert haben. Ich gehe also weiter davon aus, dass ich nur noch zwei Siege von der Olympia-Teilnahme entfernt bin. Aber eine Garantie gibt es nicht." (sda)

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