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Kunsturnen

Die unerwartete Schweizer Medaillenhoffnung

Nach dem Einzug in den Boden- und den Sprungfinal ist Benjamin Gischard an den Kunstturn-Europameisterschaften in Stettin in den Gerätefinals der Schweizer Hoffnungsträger auf eine Medaille.
Benjamin Gischard kämpft am Boden und am Sprung um EM-Medaillen
Bild: KEYSTONE/EPA PAP/MARCIN BIELECKI

Aus seinen Ambitionen hatte Benjamin Gischard vor den Titelkämpfen in Stettin keinen Hehl gemacht: "Ich möchte eine Medaille", sagte der 23-Jährige aus Herzogenbuchsee. "Diese ist zwar schwierig zu erreichen - aber es ist langsam Zeit, sich höhere Ziele zu setzen." 2015 und 2016 hatte Gischard am Sprung den Final erreicht, Edelmetall blieb in beiden Fällen aber ausser Reichweite.

Nach der Qualifikation liegt Gischard auf Kurs. Am Boden erhielt er mit 14,800 Punkten die drittbeste Wertung der 106 Teilnehmer und qualifizierte sich damit erstmals für einen Final an diesem Gerät. Vor allem mit seinen Landungen, auf die er in der Vorbereitung einen starken Fokus gelegt hatte, punktete er. "Die Kampfrichter sind erpicht darauf, dass diese sitzen", sagte Gischard.

Am Sprung bietet sich ihm am Sonntag eine zweite Medaillenchance, obwohl er sein Programm im Schwierigkeitsgrad abgewertet hat. Noch springt er die beiden für die WM im Herbst in Stuttgart geplanten Sprünge - den Dragulescu und den Kasamatsu mit Doppelschraube - im Training noch nicht stabil. In Anbetracht der Stärke der Konkurrenz am Sprung lohnt es sich nicht, ein unnötiges Risiko einzugehen. "Ich brauche ihn gesund für die WM", sagte Nationaltrainer Bernhard Fluck.

Im Gegensatz zu Oliver Hegi, Pablo Brägger und Christian Baumann hat Gischard noch keine Einzelmedaille an internationalen Titelkämpfen gewonnen, dennoch ist er ein wichtiger Bestandteil des Schweizer Teams, das sich in den letzten Jahren in der erweiterten Weltspitze etabliert hat. In Stettin bestreitet der Berner bereits seinen achten Grossanlass, seine Stärken liegen dort, wo die Schweizer Riege ihre Schwächen hat. Neben Boden und Sprung gehört Gischard auch am Pauschenpferd und an den Ringen zu den besten in der Mannschaft.

Als pflichtbewusst, fokussiert und mit viel Spass in der Turnhalle beschreibt Fluck seinen Schützling. "Und er ist reifer geworden." In der Vergangenheit hatte sich Gischard oft kurz vor Titelkämpfen noch verletzt und war danach angeschlagen angetreten, nun ist er so fit wie schon lange nicht mehr. Zudem hat er im technischen Bereich Fortschritte gemacht. "Er leitet die Rotationen besser ein, was zu kontrollierten Landungen führt", sagte Fluck. "Und er hat die Kraft in den Beinen, diese zu stehen."

Nicht nur in der Turnhalle gibt Gischard Gas, seit 2017 absolviert er ein Fernstudium in Rechtswissenschaften. Vor und zwischen den beiden Trainings in Magglingen lernt er jeweils, damit er am Abend und am Wochenende etwas Zeit zum regenerieren hat. Selbstdisziplin ist dabei gefragt, "aber manchmal bin ich schon am Anschlag". In drei Jahren will Gischard den Bachelor abschliessen, danach soll ein Masterabschluss an einer klassischen Universität folgen. "Dahin ist es aber noch ein weiter Weg."

Derzeit geniesst bei Gischard das Kunstturnen Priorität. Im Juni steht in Aarau das Eidgenössische Turnfest im Programm, das nur alle sechs Jahre stattfindet. Und im Oktober soll an den Weltmeisterschaften in Stuttgart die zweite Olympia-Qualifikation in Folge mit dem Team folgen. Eine EM-Medaille in Stettin käme da zum Auftakt in ein aufregendes Wettkampfjahr gerade recht. (sda)

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