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Heute vor 48 Jahren

Der unheimliche Fluch des Bob LaBonte

Es geht nur um Curling. Aber der WM-Final am 25. März 1972 in Garmisch schreibt eine skurrile Geschichte. Der amerikanische Skip Bob LaBonte verflucht das kanadische Curling. Und er hat Erfolg.
So sah Curling in den frühen Siebzigern aus. Hier das legendäre Attinger-Team an der WM 1974 in Bern
Bild: Keystone/PHOTOPRESS-ARCHIV/STR

Heute ist Curling ein Sport in olympischer Dimension. 64 Landesverbände von Afghanistan bis Wales bilden den Weltverband. Die Verbände buhlen um die Plätze an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Die besten Teams trainieren und spielen professionell oder halbprofessionel. Die Curler sind athletisch geworden.

1972 war dies noch anders. Es war mehr Spiel als Sport. Eine WM-Qualifikation gab es nicht. Da seinerzeit in nur acht Ländern einigermassen seriöses Hallencurling gespielt wurde, durften alle mitmachen. Auch die Schweiz, 1966 ein Gründungsmitglied des internationalen Verbandes.

Am Ehrgeiz fehlte es den Curlern schon damals nicht. Die Kanadier waren noch deutlicher als heute die Besten. Bis dorthin hatten sie an 11 von 13 WM-Turnieren und Vorgängern der WM-Turniere gewonnen. Orest "The Big O" Meleschuk, Kanadier indianischer Abstammung, war mit seinem Team aus Manitoba in Garmisch der turmhohe Favorit. Die sieben Spiele der Vorrunde gewannen die Kanadier alle, die meisten deutlich. Im Halbfinal kanterten sie die Schotten nieder. Der Gegner im Final schien ein beliebiger zu sein. Es waren die Amerikaner, die von den Kanadiern - im Curling - schon damals belächelt wurden.

Der Italo-Amerikaner Roberto "Bob" LaBonte führte ein Team aus dem Bundesstaat North Dakota an, der im Norden an Meleschuks Manitoba grenzt. Die Underdogs bissen sich an den Kanadiern fest und hatten vor dem 10. End den Sensationssieg in Reichweite. Meleschuk benötigte zwei Punkte, um sich in ein Zusatz-End zu retten. Meleschuks Aufgabe mit dem zweiten Stein im 10. End war keine leichte. Vor dem Versuch setzte er eine Zigarette in Brand. Filmaufnahmen zeigen, wie die Zigarette aus dem Mundwinkel hing, als Meleschuk über das Eis glitt. Ja, es waren andere Zeiten.

Der Versuch geriet nicht optimal. Einer der beiden Steine, die hätten zählen müssen, lief gegen den Rand des Hauses - und ein paar Zentimeter zu weit. Selbst aus dem ungünstigen Winkel der Kamera ist noch heute zu erkennen, dass der amerikanische Stein besser lag. Die US-Curler hatten die Sensation geschafft. Vielmehr: Sie hätten die Sensation geschafft, wenn Bob LaBonte seinen Körper beim überschwänglichen Jubel kontrolliert hätte. Der Skip rutschte nach dem Freudensprung aus, fiel auf den Hintern und bewegte mit dem Fuss den fraglichen kanadischen Stein.

Eine klare Regel besagt, dass sich die Teams nach jedem End über das Resultat einig sein müssen, bevor sie die Steine abräumen. In 1000 von 1000 Fällen ist dies kein Problem. Im 1001. Fall, in Garmisch, entstand daraus ein Drama. Die Kanadier beharrten darauf, dass sie das Resultat noch nicht sanktioniert hatten. Das einzig Faire wäre es gewesen, wenn sie den Amerikanern zum WM-Titel gratuliert hätten. Das Schiedsgericht hatte nach den Paragraphen keine andere Wahl, als Meleschuk Recht zu geben. Es kam beim Stand von 9:9 zum Zusatz-End, die Amerikaner hatten den letzten Stein. Bob LaBonte hatte einen gut machbaren letzten Stein für den Sieg. Aber er spielte ein bisschen zu lang. Kanada war Weltmeister.

Im totalen Ärger über das unfaire Verhalten verwünschte LaBonte noch auf dem Eis das gesamte kanadische Curling. "The Curse of LaBonte" (LaBontes Fluch) lautete so: "Kanada wird in den nächsten zehn Jahren nie mehr Weltmeister werden."

Dass der Fluch zur Legende wurde, lag daran, dass er auf unheimliche, mysteriöse Weise tatsächlich wirkte. Ab 1973 stellte Kanada wie gewohnt Jahr für Jahr den WM-Topfavoriten. Aber von 1973 bis 1979 hiessen die Weltmeister der Reihe nach Schweden, USA, Schweiz (Otto Danieli mit Zürich Crystal), USA, Schweden, USA und Norwegen. LaBonte qualifizierte sich in dieser Zeit für keine WM mehr, aber seine Landsleute rächten sich nach Lust. Sieben Weltmeisterschaften am Stück ohne Titel - diese Durststrecke im kanadischen Männer-Curling ist bis heute einzigartig. Später vergingen nie mehr als drei Jahre ohne Triumph der Kanadier.

LaBonte konnte den Fluch nicht während der von ihm gewünschten zehn Jahre am Leben erhalten. Aber schon die sieben Jahre sind phänomenal. Erst 1980 wurde der Fluch besiegt, als Rick Folk an der Heim-WM in Moncton gewann. Von dort weg ging wieder alles den gewohnten Gang. Kanada siegte 1982, 1983, 1985, 1986, 1987, 1989, 1990... (sda)

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