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Schwimmen

Jérémy Desplanches in Nizza durchgestartet

Seit fünf Jahren lebt und trainiert Jérémy Desplanches in Nizza. Dort hat es der Genfer zum Europameister gebracht. Nun will er bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen auftrumpfen.
Jérémy Desplanches trainiert in Nizza hart für seine Träume
Bild: KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Einige Kilometer entfernt von der berühmten Promenade des Anglais, den Stränden und den anderen zahlreichen Postkarten-Sujets der südfranzösischen Stadt hat sich Desplanches zum europäischen Spitzenschwimmer entwickelt. Im Industrieteil der Stadt springt er genau um sieben Uhr ins Bassin - sieben Tage in der Woche, 49 Wochen im Jahr. In die touristische Zone begibt er sich nur selten - um sie Freunden zu zeigen oder um Fotografen ein Bild vor schöner Kulisse zu ermöglichen.

Desplanches steht immer mehr im Fokus. Der 24-jährige Genfer wurde im letzten Jahr in Glasgow Europameister über 200 m Lagen, Anfang letzter Woche schlug er in Budapest den amerikanischen Weltmeister Chase Kalisz. Nur 17 Schwimmer haben seine Paradedistanz schneller bewältigt als er. Seine Leistungen in den letzten Monaten und seine Bestzeit von 1:56,86 lassen die kühnsten Träume zu. Bei der WM in Südkorea (12. bis 28. Juli) sieht er sich "nicht als simpler Aussenseiter, sondern als Medaillenkandidat".

Desplanches hat einen beeindruckenden Weg zurückgelegt, seit er 2014 nach Nizza gekommen ist. Mit einer Bestzeit von 2:03,90 wurde er von Trainer Fabrice Pellerin für eine Woche auf Probe in die Trainingsgruppe aufgenommen. "Das war ein Schlag für mein Ego. Ich war immerhin Schweizer Meister. Aber ich schwamm im Training allen hinterher, auch den Frauen und zwar mit einigem Rückstand", lacht er.

Die Fortschritte liessen nicht lange auf sich warten. Im Dezember 2014 erreichte er bei der Kurzbahn-WM den 19. Platz. "Ich war zufrieden, konnte mir aber nicht vorstellen, noch schneller zu schwimmen. Bei der Nachbesprechung sagte mit Fabrice aber, nun könne ich die Halbfinals und die Finals anvisieren." Schritt für Schritt stieg er in der Hierarchie auf. Er sagte sich: "Ich will nicht vergeblich 20 Jahre trainiert haben."

Obwohl die Tage, die er mit seiner Lebenspartnerin und Teamkollegin Charlotte Bonnet, Medaillen-Gewinnerin bei den Olympischen Spielen 2012, trainingsintensiv sind, geniesst Desplanches, was er tut. "Das liegt sicher auch daran, dass ich nicht zu früh angefangen habe, so hart zu trainieren", erzählt er. "Als Junior fand ich immer tausend Ausreden, um nicht ins Becken zu steigen. Ich hätte früher hart arbeiten können, doch dann wäre ich heute schon ausgelaugt."

"Ich will mehr"

Desplanches habe eine "intakte Energie", lobt sein Coach. Und diese Energie benötigt der Romand, denn die neun Schwimmer vom Olympic Nice Natation legen zweimal pro Tag rund 5000 m zurück und machen zusätzlich immer wieder mal eine gefürchtete Sprint-Serie von zehnmal 50 m. Sein Trainingspensum sei auf diesem Niveau eher unterdurchschnittlich, versichert Desplanches, der rund zehn Stunden pro Tag schläft und dazu am Nachmittag eine Siesta einlegt.

Sein Plan geht auf. Desplanches macht Monat für Monat Fortschritte, selbst wenn seine Bestzeit aus dem Jahr 2017 datiert. "Ich habe im letzten Jahr viel gelernt. Ich habe alles auf die Europameisterschaften ausgerichtet, nicht auf eine besonders gute Zeit, sondern auf den Sieg. Das half mir, mich durchzusetzen." Nun sind die Olympischen Spiele 2020 das ultimative Ziel.

Wie auch immer das Rennen dannzumal in Tokyo ausgeht, seine Karriere sieht Desplanches schon als gelungen an. "Als ich Junior war, hatte ich nicht den Anspruch, Meister von irgendwas zu werden", erinnert er sich, macht aber sofort klar, dass das nicht heisst, dass er sich mit dem Erreichten zufrieden gibt. "Ich will mehr. Ich bin bereit, noch eine Weile wie ein Verrückter zu trainieren und Steaks, Teigwaren und Karotten zu essen." (sda)

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