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BMX

Ungeahntes BMX-Hoch

Eine WM-Favoritin und zwei Weltklasse-Fahrer: Der Schweizer BMX-Sport erlebt ein sportliches Hoch. Dabei fristet die Sportart hierzulande nach wie vor ein Nischendasein.
Bild: KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Er wolle sich nicht beklagen, sagt der Nationaltrainer David Graf. Schliesslich sei seine Disziplin bei Swiss Cycling, dem nationalen Radsportverband, gut aufgehoben und profitiere von den Erfolgen im Mountainbike und auf der Bahn mit. Und doch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass sich der Winterthurer, der bis vor einem Jahr selbst noch aktiv auf höchstem Niveau mitmischte, in einer Nische bewegt. Rund 500 lizenzierte BMX-Fahrer gibt es in der Schweiz. Das sind rund 50-mal weniger als in Frankreich (24'000 Lizenzierte bei 67 Millionen Einwohnern), das zu den führenden Nationen gehört, und 80-mal weniger als in den USA (40'000/330 Mio.), dem Land mit den meisten Aktiven.

Umso beachtlicher ist, was die Schweiz aus dem überschaubaren Fundus macht. Zoé Claessens ist mit 21 Jahren Weltklasse, Simon Marquart und Cédric Butti gehören zum erweiterten Kreis, sind Hoffnungsträger für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. "Wir holen am meisten aus den Mitteln heraus", sagt Graf.

Seit Roger Rinderknecht die Disziplin BMX Racing nach der Jahrtausendwende ins nationale Blickfeld gerückt und Tatjana Schocher 2003 WM-Bronze gewonnen hat, hat sich in der Schweiz eine Szene etabliert. Doch geändert hat sich nicht allzu viel. Auch heute sind die Möglichkeiten für ambitionierte Junioren beschränkt, auch heute muss vieles individuell vorantreiben, wer es nach oben schaffen will. Auf Mannschaftsebene konzentriert sich fast das ganze nationale Geschehen auf wenige gut funktionierende Klubs, allen voran jene in Echichens, Genf und Winterthur.

Spärliche Infrastruktur

Zwar erreicht die Sportart die Öffentlichkeit inzwischen dank den etablierten Pump Tracks und Anlagen wie jenen in Grenchen und Winterthur. Eine weltcuptaugliche Strecke sucht man in der Schweiz aber vergebens. Am Sitz des Rad-Weltverbandes UCI in Aigle gibt es das Centre Mondial du Cyclisme (CMC) mit guter Infrastruktur, der Zugang ist aber eingeschränkt. Von den Schweizer Top-Athleten trainiert derzeit nur die ansässige Zoé Claessens dort, als Teil einer internationalen High-Performance-Trainingsgruppe und dank speziellem Vertrag mit dem CMC.

Ein nationales Leistungszentrum für BMX-Fahrer gibt es nicht, und auch der Zugang zu Sportschulen fehlt. "Ein Zentrum in der Schweiz wäre extrem wichtig", sagt Graf. Weit fortgeschritten sind die Aktivitäten diesbezüglich nicht. Das Anliegen ist deponiert, mehr nicht. Für die Vorbereitung auf die nächsten Sommerspiele in zwei Jahren müssen die Top-Athleten auf das bestehende Angebot zurückgreifen, frühestens im Zyklus darauf könnte sich etwas tun.

"Im Moment braucht es viel Eigeninitiative. Das hat auch Gutes, denn so entwickeln sich starke Individuen", sagt Graf. "Wünschenswert wäre vor allem, dass die Jungen besser abgeholt, betreut und begleitet werden." Denjenigen, die den Weg eingeschlagen haben, bietet sich zumindest die Möglichkeit der Sportler-RS - ein wichtiger Pfeiler für Athleten aus weniger populären Sportarten.

Der Weg führt ins Ausland

Aktuell treibt der Ist-Zustand manchen Elitefahrer ins Ausland. Die Vorzeige-Beispiele dafür sind Graf, Marquart und Butti. Graf und Butti verlegten ihre Trainingsbasis im Verlauf ihrer Karrieren zwecks besserer Infrastruktur nach Stuttgart. Marquart trainiert derzeit im niederländischen Papendal zusammen mit Justin Kimmann - auf der wohl besten Anlage der Welt mit einem der Besten der Szene.

Graf war eine Zeit lang das einzige Schweizer Aushängeschild. Der 32-Jährige wusste sich zu helfen, führte lange gewissermassen eine Ich-AG. In seinem Sog entwickelte sich der 25-jährige Marquart zu einem Fahrer von internationalem Format. Wie auch der knapp drei Jahre jüngere Butti, 2017 Welt- und Europameister bei den Junioren und inzwischen zweifacher Podestfahrer im Weltcup. Der Romand trainiert unter den Fittichen Grafs, seit er 14 Jahre alt ist. Marquart hat den Ehrgeiz und die harte Arbeit im Blut. Sein Vater ist im Radsport verwurzelt, allerdings auf der Strasse.

Zoé Claessens wurde das BMX quasi in die Wiege gelegt. Sie kommt aus einer grossen BMX-Familie. Ihr Vater ist der Gründer des Echichens BMX Clubs, vier ihrer sechs Geschwister, zwei ältere Brüder und zwei jüngere Schwestern, betreiben den Sport ebenfalls wettkampfmässig.

Gemeinsam haben die Schweizer Elite-Athletinnen und Athleten, dass sie sich selber organisieren. (sda)

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