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Poggio - Jubilar und heimlicher Star

Mit Mailand - Sanremo steht am Samstag der erste grosse Klassiker der Saison an. Die Zahl der Favoriten ist wie immer gross, der heimliche Star ein Altbekannter: Poggio, das letzte Hindernis.
Stefan Küng wird sich erstmals in seiner Karriere dem Poggio stellen müssen
Bild: KEYSTONE/LAURENT GILLIERON

291 Kilometer liegen zwischen der Modemetropole Mailand und Sanremo an der ligurischen Küste. Obschon das Rennen "La Primavera" oder "Fahrt in den Frühling" genannt wird, werden die Fahrer oft von garstigen Bedingungen begleitet. Selbst vor Schneefall blieb das Rennen in der Vergangenheit nicht verschont. Am Samstag aber sind 20 Grad und Sonnenschein vorausgesagt.

So unberechenbar das Wetter und so lange der Weg ans Mittelmeer ist, so intensiv präsentiert sich jeweils die letzte Rennphase. Im Mittelpunkt: der Poggio di Sanremo, ein 3,7 Kilometer langer Anstieg mit einer maximalen Steigung von acht Prozent, dessen Kulminationspunkt nur 5,4 Kilometer vom Ziel entfernt ist. Er stellt "Cipressa", die zweitletzte Steigung, die 20 Kilometer vor dem Ziel gewöhnlich für eine erste Selektion unter den Fahrern sorgt, deutlich in den Schatten.

Der Anstieg zum Poggio di Sanremo hat selten Sieger, aber oft Verlierer hervorgebracht. Sprinter, die den Anschluss verlieren und ihre Hoffnungen begraben müssen. Andersrum kann ein explosiv vorgetragener Angriff am Poggio genügen, um einige Sekunden herauszufahren und in der folgenden Abfahrt nicht mehr eingeholt zu werden.

So geschehen im letzten Jahr, als sich im Aufstieg nach Vincenzo Nibali eine Lücke auftat und sich der gewiefte Sizilianer am Ende wenige Meter vor den Sprintern ins Ziel rettete. Nibali düpierte mit seinem Vorstoss die gesamte Konkurrenz, wie es 2008 bei seinem Sieg auch Fabian Cancellara gelungen war.

In den ersten Jahren fand Mailand - Sanremo, das am Samstag zum 110. Mal ausgetragen wird, ohne den Poggio statt. Erst 1960 wurde die Schlusssteigung in die Streckenführung aufgenommen. Damit ist sie in diesem Jahr zum 60. Mal Teil des ersten der fünf Monumente des Radsports.

Küngs Premiere

Für Stefan Küng ist es das erste Mal, dass er bei Mailand - Sanremo am Start steht. Der Thurgauer darf nach seinem Wechsel von BMC zu Groupama-FDJ künftig auch in den grossen Klassikern auf eigene Rechnung fahren. Am Samstag bildet er eine Doppelspitze mit dem endschnellen Franzosen Arnaud Démare, der das Rennen 2016 im Sprint gewonnen hat.

Ein bisschen unsicher sei er schon, was ihn bei seiner Premiere bei Mailand - Sanremo erwarte, meinte Küng. Sein Ziel sei es, "den Poggio in der ersten Gruppe zu überqueren. Danach schauen wir weiter." Falls er es zusammen mit Démare ins Finale schaffen sollte, werde er versuchen, seinem Teamkollegen den Sprint optimal vorzubereiten. Ist Küng im Finale auf sich alleine gestellt, muss er die Entscheidung selber suchen. "Vielleicht mit einem Angriff auf den letzten Kilometern. Oder dann im Sprint", sagt Küng, der wie einst Cancellara über ausgezeichnete Rollerfähigkeiten verfügt.

Doch die Konkurrenz im Sprint und die Liste der potenziellen Siegesanwärter sind gross. Elia Viviani, Michael Matthews, Fernando Gaviria, Dylan Groenewegen, Matteo Trentin, Caleb Ewan, John Degenkolb oder Alexander Kristoff, sie alle haben schon Sprinterfolge bei grossen Rundfahrten eingefahren. Kristoff (2014) und Degenkolb (2015) wissen ausserdem, wie man auf der Via Roma in Sanremo gewinnt. Auch mit Olympiasieger Greg van Avermaet, Weltmeister Alejandro Valverde oder Alleskönner Peter Sagen (2013 und 2017 Zweiter) ist in den Klassikern immer zu rechnen. Und natürlich mit Nibali, dem Sieger aus dem Vorjahr.

Sie alle sind auf ihre Helfer angewiesen, solche wie die Schweizer Reto Hollenstein (Katjuscha-Alpecin), Michael Schär (CCC) oder Marc Hirschi, die ebenfalls auf der provisorischen Startliste figurieren. Dass es Hirschi in seiner ersten Profisaison ins siebenköpfige Aufgebot von Sunweb geschafft hat, darf als starkes Zeichen gewertet werden. Der Berner ist mit 20 Jahren und 214 Tagen der zweitjüngste Fahrer im Feld. Für den U23-Europa- und -Weltmeister gilt es deshalb vorab, wertvolle Erfahrungen für die Zukunft zu sammeln. Die Fahrt über den Poggio wird eine davon sein. (sda)

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