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Rad Strasse

Die Demaskierung von Landis' Parforceritt

Floyd Landis sichert dem Schweizer Team Phonak 2006 den Gesamtsieg an der Tour de France. Am 27. Juli 2006 schlägt die Freude in Enttäuschung um: Landis hat betrogen.
Floyd Landis ergattert für Team Phonak am 23. Juli 2006 den Gesamtsieg an der Tour de France
Bild: KEYSTONE/EPA/OLIVER WEIKEN

Zwei Bier und vier Whiskey. So las sich vor 14 Jahren der Beipackzettel zu der positiven Dopingprobe von Floyd Landis von der Tour de France 2006. Denn positive Dopingbefunde bringen als Beilage immer auch eines mit sich: spektakuläre, teils krude Erklärungsversuche der Sportler für die nachgewiesenen Werte. Verdorbenes Fleisch, zu viel Sex oder wie im Fall von Landis zwei Bier und vier Whiskey, sollen erklären, was keiner Erklärung bedarf - und bei Landis in einen der weitest reichenden Dopingfälle im Radsport mündete.

Als das Schweizer Radsport-Team Phonak am Donnerstag, dem 27. Juli 2006, in einem Communiqué bekannt machte, dass der Teamleader und vermeintliche Tour-Sieger Floyd Landis an der wichtigsten Rundfahrt des Jahres positiv auf Testosteron getestet worden war, erklärten sich die Ereignisse der vergangenen Tage und Wochen wie von alleine: Landis unentschuldigtes Fernbleiben an dem Rennen im niederländischen Chaam tags zuvor, sein übermenschliches Comeback während der Tour de France in der Vorwoche und die übermässige Wasserzufuhr während dieses Parforcerittes.

Sieben Tage hatte die Heldengeschichte des amerikanischen Radprofis in Diensten der Schweizer Equipe Bestand, ehe sie zum Ammenmärchen verkam. Landis hatte es vom unbezahlten Radfahrer zum Sieger des grössten und wichtigsten Radrennens der Welt gebracht, trotz grosser Hüftproblemen und eines zwischenzeitlich riesigen Rückstandes im Gesamtklassement - alles nur geklaut. Den positiven Test gab der damals 30-Jährige just nach der Etappe ab, in der er den Grundstein für seinen Triumph an der Grande Boucle gelegt hatte.

Landis war nach einem Einbruch in der 16. Etappe aus dem Favoritenfeld gerutscht, ehe er das Blatt mit einer 125 km langen Solofahrt in der 17. Etappe wendete. Sein Husarenritt von Saint-Jean-de-Maurienne nach Morzine machte aus einem Rückstand von über acht Minuten ein Defizit von noch 30 Sekunden. Landis, der geschlagenen Phonak-Fahrer, war wieder der Kronfavorit. Doch Landis griff bei seinem Wunder auf illegale Mittel zurück. Beim Amerikaner, der vor seinem Engagement bei Phonak Lance Armstrong als wichtigsten Helfer zu drei Tour-Titeln führte, wurde in der 17. Etappe ein anormales Verhältnis von Testosteron und Epitestosteron festgestellt.

Vom Verteidiger zum Endgegner

Die Nachricht des nächsten gedopten Phonak-Aushängeschildes, 2004 war mit Landis' Landsmann Tyler Hamilton im Schweizer Team bereits ein alter Weggefährte Armstrongs des Dopings überführt worden, verbreitete sich am jenem Donnerstag vor 14 Jahren wie ein Lauffeuer. Was damals noch niemand wusste: Der prominente Dopingfall sollte den Radsport noch Jahre später beschäftigen, und über Umwege gar zum Sturz des siebenmaligen Tour-Siegers Armstrong führen.

In einer ersten Etappe waren von Landis' Fehlverhalten vor allem die Schweizer Equipe Phonak und der Athlet selber betroffen. Das "Phonak Cycling Team" wurde per Ende 2006 durch Besitzer Andy Rihs aufgelöst, gegen Landis, der Doping zunächst bestritt, eine zweijährige Sperre ausgesprochen. Als sich die Zwangspause des Radprofis aus Pennsylvania ihrem Ende näherte, lernte Landis erneut, wie schnell sich das Blatt im Radsport wenden kann. In einem doping-verseuchten Sport wollte plötzlich niemand mehr etwas mit ihm zu tun habe, dem des Doping überführten Kollegen.

Selbst sein ehemaliger Teamkollege Armstrong, der Landis anfänglich verteidigt hatte, wandte sich von seinem alten Kumpanen und Doping-Mitwisser ab, wollte ihn nicht mehr in seinem Team haben. Ein Entscheid, der die Beziehung der beiden Amerikaner auf eine neue Ebene brachte. 2002 hatte Armstrong als Captain des Teams "U. S. Postal Service" für die Verpflichtung von Floyd Landis gesorgt, im Jahr 2005 standen sich die beiden Amerikaner an der Tour als Konkurrenten gegenüber, fünf Jahre später wurden sie sich spinnefeind.

Landis, der Verstossene, belastete Armstrong mit neuen Vorwürfen und legte umfassendes Geständnis über die Dopingpraktiken in seinem Ex-Team ab. Drei weitere Jahre sollte es dauern, bis Armstrong dem Druck von Landis und Co. nachgab und bei Oprah Winfrey ebenfalls jahrelanges Doping gestand. Über Bier und Whiskey sprach Armstrong nicht. (sda)

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