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Leichtathletik

Zum Glück gezwungen

Der erst 19-jährige Hürdensprinter Jason Joseph ist eines der grössten Talente in der Schweizer Leichtathletik. Am Freitagabend will er das an den Europameisterschaften in Berlin im Halbfinal zeigen.
Jason Joseph nimmt die Hürden in vollem Lauf
Bild: KEYSTONE/WALTER BIERI

Hätte Jason Joseph vor der Saison jemand prophezeit, dass er mit 13,39 Sekunden den zehnjährigen Schweizer Rekord von Andreas Kundert (13,41) unterbieten und als Nummer 11 der europäischen Saisonbestenliste nach Berlin reisen würde, hätte er ihn wohl für verrückt erklärt. Maximal eine Zeit von 13,60 hatte sich der Baselbieter zugetraut, schliesslich läuft er in diesem Jahr erstmals über die hohen Hürden, die immerhin 7,6 Zentimeter höher sind als jene bei den Junioren.

Die Umstellung erachtete Joseph zu Beginn als mühsam, auch weil der Laufrhythmus ein anderer ist. Er hatte vermehrt Muskelkater in der Hüfte. Schon bald aber merkte er, dass ihm die hohen Hürden auf Grund seiner Grösse von 1,92 m besser liegen, er sich nicht mehr klein machen muss, sondern so laufen kann, wie er läuft. Mitte Juni erreichte er in Bern eine Zeit von 13,46 Sekunden, von da an wusste er, dass der nationale Rekord möglich ist.

"Wie ein Storch im Salat"

Joseph wurde quasi zum Glück gezwungen. Nachdem ein früherer Klassenlehrer dessen Talent am Schulsporttag entdeckt und er sich dem LC Therwil angeschlossen hatte, fand Coach Philipp Schmid, dass er über die Hürden laufen solle. Josephs Begeisterung darüber hielt sich in engen Grenzen. "Der erste Wettkampf war eine totale Katastrophe", erinnert er sich. "Ich hatte die Technik überhaupt nicht im Griff, fühlte mich wie ein Storch im Salat". Es dauerte drei Jahre, bis er sich mit den Hürden anfreundete.

Dass er durchhielt, zahlt sich nun aus. Vor einem Jahr gewann er an den U20-Europameisterschaften in Grosseto die Goldmedaille. Und nun startet er in Berlin bei den Grossen. Das Ziel ist der Final und eine persönliche Bestleistung. Allerdings hätte er gerne am Donnerstagmorgen den Vorlauf bestritten, um sich an alles zu gewöhnen - die Top 12 Europas in dieser Saison sind für die Halbfinals gesetzt. Nun geht es gleich von null auf hundert. "Ich lasse es auf mich zukommen", sagte Joseph lapidar. Er will den Moment einfach geniessen. Gearbeitet hat er zuletzt mit Trainerin Claudine Müller am Start, wo er noch einiges Potenzial besitzt.

Mentale Blockade gelöst

Joseph, dessen Mutter ihn managt und dessen von der Karibikinsel St. Lucia stammende Vater das Krafttraining konzipiert und als Masseur wirkt, ist für sein Alter schon erstaunlich reif. Er selber sagt über sich, dass er sich treu bleibe und sehr selbstbewusst sei. An letzterem hat er mit einem Mental-Coach gearbeitet.

"Früher glaubte ich nicht an mein Potenzial, dachte ich klein und limitierte mich selber. Wenn der Kopf blockiert ist, macht der Körper nicht wie gewünscht mit. Mittlerweile konnte ich die Blockade lösen", so Joseph. Die Nervosität, die sich in einem komischen Gefühl im Magen äussert, ist allerdings nach wie vor gross. Vor einem Rennen wie in Berlin wird ihm alles zu viel, möchte er am liebsten von niemandem etwas wissen. Danach nimmt er allfällige Gratulationen aber gerne entgegen. (sda)

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