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WTA Tour

Die Zeit läuft gegen Serena Williams

Ähnlich wie Roger Federer wird Serena Williams mit der Wimbledon-Absage der besten Chance auf einen weiteren Grand-Slam-Titel beraubt. Der Unterschied: Federer hat den Rekord, den Williams anstrebt.
Serena Williams kämpft in extremis um den Ball - und auch um einen Rekord.
Bild: KEYSTONE/AP/Elaine Thompson

Serena Williams tut zurzeit, was viele Millionen Menschen weltweit tun, wenn auch in etwas glamouröserer Umgebung als die meisten. Sie isoliert sich mit ihrem Mann Alexis Ohanian und der zweijährigen Tochter Olympia zuhause in Florida. "Ehefrau sein, Mutter sein, Kochen, Putzen, Frühlingsputz, Gesichtsmasken, Make-up-Tipps", beschrieb sie ihren Tagesablauf Mitte März auf Instagram und kündigte an, sich für sechs Wochen in die häusliche Isolation zurückzuziehen.

Am Anfang habe sie dem Coronavirus keine grosse Bedeutung zugemessen, gab sie zu. "Ich dachte, das betrifft mich ja nicht wirklich." Als das Turnier in Indian Wells abgesagt wurde, habe sie noch gedacht: "Ok, das ist etwas schräg, aber jetzt hab ich ein bisschen freie Zeit und werde diese geniessen." Zwar gibt es keine Anzeichen, dass Williams oder ihr nahestehende Personen am Virus erkrankt sind, doch die 38-jährige Amerikanerin begann dennoch, sich immer mehr Sorgen zu machen. "Dann kam eine Absage nach der anderen und es setzten Unruhe und Besorgnis ein." Williams kam zum Schluss: "Das ist schwerwiegend. Leute, bleibt jetzt zuhause."

Die ungeliebte Margaret Court

Williams dürfte neben den gesundheitlichen Bedenken irgendwann auch klar geworden sein, dass ihre Chancen auf einen weiteren Grand-Slam-Titel rapide schwinden. Als sie im Januar 2017 am Australian Open ihren 23. Grand-Slam-Titel holte, schien es nur eine Frage der Zeit, ehe sie Rekordhalterin Margaret Court ein- und überholen würde. Dann kam mit der Schwangerschaft eine erste Zäsur. Nach einer schwierigen Geburt kehrte Williams stark zurück. In den entscheidenden Momenten hatte sie ihre zuvor beängstigende Selbstsicherheit aber verloren. Zweimal in Wimbledon (gegen Angelique Kerber und Simona Halep) und zweimal am US Open (gegen Naomi Osaka und Bianca Andreescu) verlor sie als Favoritin Grand-Slam-Finals - jedes Mal in zwei Sätzen. Auffallend: Bevor sie Mutter geworden war, hatte Williams' Finalbilanz bei Major-Turnieren 23:6 gelautet.

Das Wissen um das nahende Ende ihrer Karriere hat die gemäss vielen Experten beste Tennisspielerin der Geschichte in den kritischen Situationen nervös werden lassen. Und auf dem Papier ist sie eben (noch) nicht die beste. Die Australierin Margaret Court holte von 1960 bis 1973 24 Grand-Slam-Titel. Da sich die Australierin in der Zwischenzeit als Predigerin gegen die Rechte von Homosexuellen einen eher unrühmlichen Ruf erworben hat, würde es fast die ganze Tennisszene freuen, wenn Williams deren Rekord auslöschen würde. Wegen des Coronavirus schliesst sich das Zeitfenster jedoch noch schneller als dies ohnehin der Fall war.

Mit Wimbledon wurde Williams die wahrscheinlich beste Chance auf einen weiteren grossen Titel genommen, die Durchführung des US Open im vom Coronavirus stark gebeutelten New York ist hochgradig gefährdet. Auch Roger Federer verlor mit der Absage des Traditionsturniers im Südwesten Londons eine der letzten Möglichkeiten auf einen 21. Grand-Slam-Triumph. Der gleichaltrige Basler hat zwar drei Titel weniger als Williams, aber eben (noch) einen mehr als Rafael Nadal und drei mehr als Novak Djokovic. Sollten in diesem Jahr keine weiteren Turniere mehr stattfinden, würden seine ersten Verfolger zumindest nicht aufholen.

Die Zeit läuft davon

Serena Williams steht hingegen unter Zugzwang. Viele Experten sind skeptisch, ob es mit dem Rekord noch klappt. Die Eurosport-Kommentatorin Barbara Schett sagt: "Ich war überzeugt, dass sie den 24. Titel im letzten Jahr holt. Jetzt glaube, ich dass ihr langsam die Zeit davonläuft. Und die aktuelle Zwangspause hilft sicher nicht." Vielleicht ist dies im Leben der exzentrischen Amerikanerin aber auch gar nicht mehr so wichtig. Auch mit 23 Grand-Slam-Titeln im Einzel (dazu kommen 14 im Doppel und 2 im Mixed) sowie vier Olympiasiegen (einer im Einzel, drei im Doppel) hat sie ihren Platz im Tennis-Olymp längst auf sicher. (sda)

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