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Innerschweizer Leichtathletik-Verband steht vor dem Aus

Vorstände gesucht: Mit dem Rücktritt des Präsidenten und der Finanzchefin ist der Vorstand des Innerschweizer Leichtathletik Verbandes nicht mehr beschlussfähig. Eine Auflösung ist nicht ausgeschlossen.
Der Innerschweizer Leichtathletikverband organisiert unter anderem Wettkämpfe, wie hier die Mehrkampfmeisterschaften. (Bild: Hanspeter Roos (Hochdorf, 22. September 2018))

Raphael Gutzwiller und Cyril Aregger

Acht Vorstandsposten sind beim Innerschweizer Leichtathletikverband (ILV) zu besetzen. Nach den Rücktritten von Präsident Hilmar Lange und Finanzchefin Ruth Sutter aus gesundheitlichen respektive beruflichen Gründen sind nur noch drei Posten besetzt. Eine existenzbedrohende Situation für den Verband, der dies auch auf seiner Homepage kundtut: «Ohne die Neubesetzung der (. . .) Vakanzen kann der Innerschweizer Leichtathletikverband gemäss den bestehenden Statuten nicht mehr weiterarbeiten!» Denn für einen handlungsfähigen Vorstand sind gemäss Statuten fünf Vorstandsmitglieder nötig. Im Hinblick auf die Delegiertenversammlung in Willisau am Freitag hat sich Renatus Birrer (62) bereit erklärt, im Vorstand mitzuhelfen und einen Teil des Finanzressorts zu übernehmen. Doch auch so ist der ILV-Vorstand noch unterbesetzt.

Das Problem, keine Männer und Frauen zu finden, die sich ehrenamtlich im Vorstand engagieren, teilt der ILV mit zahlreichen Vereinen, nicht nur im Sport. Bei einem Verband wie dem ILV komme jedoch noch erschwerend hinzu, dass seine Mitglieder Vereine seien, sagt Markus Fähndrich, im Vorstand zuständig für die Event-Koordination. «Viele Helfer und Funktionäre sind in ihren Vereinen engagiert. Ein zusätzliches Amt beim Verband liegt da kaum noch drin», so der ehemalige Horwer Spitzenlangläufer.

Externe Buchhaltung als Zwischenlösung?

Wie geht es nun weiter? Theoretisch könnte sich heute Abend noch jemand für einen Vorstand zur Wahl stellen. Doch damit rechnet Fähndrich eher nicht. «Eine Idee wäre dann, dass die Delegiertenversammlung dem aktuellen Vierervorstand die Handlungsvollmacht ausspricht und wir die Buchhaltung extern vergeben.» Das sei zwar mit Kosten verbunden, doch nur so bleibe der zeitliche Aufwand für den ehrenamtlichen Vorstand vertretbar. «Mit dieser Lösung würden wir uns ein, zwei Jahre Luft verschaffen, um neue Vorstandsmitglieder zu finden.»

Ruth Sutter (51) aus Sachseln, die den hohen Aufwand neben dem Berufsalltag nicht mehr stemmen kann, spricht davon, dass man diese Lösung nicht zu lange durchführen kann. «Für eine externe Buchhaltung rechnen wir etwa mit Kosten von 30'000 Franken im Jahr.» Viel Geld, wenn man bedenkt, dass der ILV derzeit ein 50'000-Franken-Budget hat. «Das ginge wirklich nur vorübergehend, wir würden rote Zahlen schreiben. Denn unsere Einnahmenquellen sind sehr beschränkt», so Sutter. «Zudem ist es sehr kritisch, wenn man die Arbeiten innerhalb eines ehrenamtlichen Vorstandes plötzlich bezahlt. Das gibt wenig Motivation für eine allfällige Neubesetzung im Vorstand, diese Arbeit danach gratis auszuführen.»

«Eine Auflösung will niemand»

Falls sich niemand für den Vorstand findet, ist die Ansetzung einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung derzeit die wahrscheinlichste Option. Diese würde wohl auf Mitte März einberufen – vor dem Beginn der Aussensaison. Bis dahin könnten sich neue Vorstandskandidaten melden. Klappt dies nicht, wäre die Ansetzung einer weiteren ausserordentlichen DV möglich, um weiter Zeit zu gewinnen. Oder die Delegierten beschliessen die Auflösung des Verbandes. «Doch das will niemand», ist Fähndrich überzeugt. Auch Sutter sagt: «Wir hoffen alle irgendwie, dass wir jemanden finden können und der Verband weiter bestehen kann.»

Der ILV besteht inzwischen seit 46 Jahren. Seit Beginn mit dabei ist Fredy Mollet, der noch immer als Beirat dem Verband zur Seite steht. «Alle, die in all den Jahren im Vorstand dabei waren, haben sehr viel Herzblut in diesen Verband gesteckt. Wenn er nun plötzlich aufgelöst werden würde, wäre das sehr schmerzhaft», sagt der Emmer, inzwischen fast 80-jährig. Früher sei es noch deutlich leichter gewesen, Freiwillige zu finden, so Mollet. «Aber das wurde in den letzten Jahren leider immer schwieriger. Besonders noch für einen Verband, da viele denken, dass die Arbeiten deutlich schwieriger seien. Aber eigentlich sind die Aufgaben eines Verbandes sehr mit denjenigen der Vereine vergleichbar.»

Das Mittelstück würde fehlen

Falls der ILV tatsächlich aufgelöst werden müsste, würden die Innerschweizer Meisterschaften sowie die Kadertrainings ausfallen. Das wäre insbesondere darum schlimm für die Innerschweizer Leichtathletik, weil Athleten, die zwar sehr talentiert sind aber noch nicht in die Nationalmannschaft kommen, keine Vergleichsmöglichkeiten in der Region mehr hätten. «Ich denke, diese Meisterschaften und die Kadertrainings sind als Mittelstück zwischen Vereinen und nationalen Meisterschaften sehr wichtig», so Sutter, die darauf hinweist, dass ohne eigenen Innerschweizer Verband die Vereine auch national kein Gehör mehr finden würden. «Deshalb müsste es auch im Interesse der Vereine sein, dass der Verband weiter bestehen kann.»

Noch eher unklar scheint, was genau passiert, wenn der ILV aufgelöst werden müsste. Klar ist: In irgendeiner Form braucht es einen Verband. Swiss Athletics würde das Vermögen und das Inventar des Verbandes im Falle einer Auflösung verwalten bis zur Gründung eines neuen Kantonalen oder Regionalen Verbandes. Sutter hofft derweil auch darauf, dass der nationale Verband Vorschläge macht: «Vielleicht hat ja Swiss Athletics einen Lösungsvorschlag.» So findet sie etwa auch, dass die Strukturen überarbeitet werden müssen. Denn selbst, wenn jetzt Nachfolger gefunden werden können: «Das Problem wird bei den nächsten Rücktritten wohl erneut auftreten.» Deshalb stellt sie eine nationale oder überregionale Lösung in den Raum.

Swiss Athletics selber will sich auf Anfrage noch nicht gross zum ILV äussern. «Wir sind über die Schwierigkeiten informiert. Allerdings haben wir nicht viele Informationen, so dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht konkret zur Situation äussern können», teilt Mediensprecher Beat Freihofer mit. Geschäftsführer Peter Bohnenblust wird an der heutigen DV teilnehmen. Klar sei aus Sicht des nationalen Verbandes aber, dass es einen Innerschweizer Verband brauche. «Es braucht diese Mittelstufe mit regionalem Kader», sagt Freihofer. Eine Lösung könne Swiss Athletics aber auch nicht aus dem Hut zaubern. Freihofer sagt, dass ein Zusammenschluss mit benachbarten Kantonalverbänden immerhin geprüft werden müsse. Kandidaten dafür wären wohl die Verbände von Schwyz, dem Aargau oder Bern.

Zuerst aber hoffen alle Beteiligten, dass noch gerade rechtzeitig die dringend gesuchten neuen Vorstandsmitgliedern gefunden werden können – und so der ILV doch noch überlebt.

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