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Super League

Marco Streller wirkt als neuer FCB-Sportchef

Marco Streller steigt um und ein. Der frühere Top-Stürmer und Captain des FC Basel trägt als Sportchef beim Titelhalter mehr Verantwortung denn je.
Marco Streller will sich in seiner neuen Rolle als Sportchef des FC Basel zurechtfinden
Bild: KEYSTONE/GEORGIOS KEFALAS

Im Interview mit der Nachrichtenagentur sda streift der 36-Jährige diverse Themen, die Rotblau in den kommenden Monaten und Jahren bewegen könnten. Und der neue Verwaltungsrat gibt zu: "Der riesige Umbruch braucht Zeit." Hohe Ziele, grosse wirtschaftliche Herausforderungen, enormer Druck. Streller lernt seine alte Heimat neu kennen und will Rekordmeister werden.

Marco Streller, Ihr Arbeitstag dauert inzwischen bedeutend länger als 90 Minuten inklusive Verlängerung.

"Aktuell dreht sich alles um den FC Basel. Die Anforderungen sind hoch. Es gibt immer mehr Agenten, die Ansprüche der Spieler steigen, die Befindlichkeiten werden umfassender. Jeder will etwas von mir, der Alltag ist intensiv."

Ist diese Herausforderung mit Ihrem Profil vereinbar?

"Ich kenne meine Stärken und Schwächen ganz genau, entsprechend sind wir aufgestellt. Und ich möchte nicht, dass mir am Ende meine Frau die Koffer vor die Türe stellt. Mir wird es nicht schwer fallen zu delegieren."

Ein Teamplayer als Sportchef?

"Das Team um mich herum ist tatsächlich entscheidend. Zwischen Remo Gaugler (Kaderplaner), Roland Heri (Leiter Administration und mir passt kein Blatt Papier. "

Dazu wurde Ihnen mit dem Verwaltungsrats-Delegierten Jean-Paul Brigger ein eigentlicher Supervisor zur Seite gestellt. Wer hat das letzte Wort?

"Beide standen als Spieler genug lang im Rampenlicht. Ich mache mir null Sorgen, keiner wird intern die Ellbogen ausfahren, keiner kommt dem anderen in die Quere. Jean-Paul nimmt im In- und Ausland repräsentative Aufgaben wahr. Er besitzt das Netz und die Erfahrung. Operativ trage ich im Sport die Verantwortung. Das ist ganz klar."

Der FCB thront seit bald einer Dekade unangefochten an der nationalen Spitze. Die Luft ist dünn, der Spielraum gegen oben ist gering. Was kann ein neuer, unerfahrener Sportchef auf diesem Niveau überhaupt bewegen?

"Für mich ist die Aufgabe eine Verpflichtung gegenüber der Fussball-Region Basel. Als Bernhard Heusler und Georg Heitz einen Rückzug in Betracht zogen und sich mit möglichen Nachfolgern befassten, war ich von Beginn weg orientiert. Für mich klang ihr Commitment mir gegenüber nicht wie eine Anfrage, sondern eher wie eine Aufforderung, Verantwortung zu übernehmen. Ich betrachte mein Amt als Verpflichtung. Mich verbinden extreme Emotionen mit dem Klub. Ich bin einer aus den eigenen Reihen. Ich weiss, wie der Verein funktioniert. Mir ist aber auch klar, wie enorm gross die Fussstapfen der Vorgänger sind."

Sie wurden vom erfolgreichsten Führungs-Duo der FCB-Geschichte forciert. Interpretieren Sie das garantierte Vertrauen auch als Nachweis, das nötige Format für den Job zu haben?

"Vorweg: Ich bin nicht allwissend, ich kann mich einschätzen! Die Flughöhe ist imposant. Heusler und Heitz waren Strategen. Sie führten und etablierten den Verein auf einem unglaublichen Niveau. Dass sie den Klub anvertraut haben, verstehe ich als pure Wertschätzung."

Nach acht Titelfeiern in Serie wird die Unruhe in Basel bei ausbleibendem Erfolg sofort Bundesliga-Intensität erreichen.

"Der Respekt ist da. Ich will sicher nicht der Erste sein, der das Ende dieser fantastischen Serie zu verantworten hat."

Droht denn keine Sättigung? Lokale Beobachter registrierten weniger Leidenschaft als zu Beginn des Basler Aufschwungs.

"Ich lebe Passion vor. Wir müssen dafür sorgen, dass das richtige Feuer auch im Stadion wieder vermehrt entfacht wird. Während der Parade durch die Stadt feierten von Babys bis zu Grossvätern alle den FCB, Zehntausende waren da! Da spürte ich, es ist noch keine Sättigung da."

Sie glauben an eine dauerhafte Ekstase?

"Basel wird es immer wieder schaffen, Euphorie zu erzeugen. Anfang Juni haben wir den zweiten Stern zelebriert. Eine langfristige Vision muss sein, Rekordmeister zu werden. Die Leute kann man immer noch von den Sitzen reissen, davon bin ich überzeugt."

Welche Rolle soll dabei Ihr neuer Trainer Raphael Wicky einnehmen?

"Er ist taktisch sehr flexibel und wird in jedem Wettbewerb seine Lösungen finden. Ich glaube, er hat in Basel eine Art zweite Heimat gefunden und sehr gut verstanden, wie der Basler tickt. Für mich ist er ein frischer, hungriger und feuriger Trainer. Von ihm erhoffe ich mir sehr viel. Er spricht fünf Sprachen und auch die seiner Spieler."

Der nationale Primus fordert sich mit dem radikalen Umbau auf allen Ebenen quasi selber heraus.

"Nach diesem riesigen Umbruch braucht es Zeit, bis die Strukturen von Bernhard Burgener greifen. Alles werden wir nicht ändern, weshalb denn auch? Aber der frische Wind tut gut. Und irgendwann sollten wir die Zukunft ohnehin in den Vordergrund stellen und nicht ausschliesslich über die Vergangenheit sprechen. Wir kopieren nicht, wir müssen einen eigenen Stil entwickeln und die Aufgaben so lösen, wie wir uns das vorstellen."

Die alte Spitze brillierte auch dank ihrer Diplomatie. Rund um das Burgener-Organigramm wurden bereits einige Nebenschauplätze eröffnet. Kann die höhere Anzahl Schlagzeilen zum Problem werden?

"Burgener ist nicht Heusler, und ich bin für den Sport zuständig. Zu den anderen Ressorts brauche ich mich nicht auch noch zu äussern. Am Ende des Tages wird die Führungscrew an den Ergebnissen gemessen."

Auch an den finanziellen?

"Bei allen sportlichen Zielsetzungen darf man den wirtschaftlichen Aspekt nie aus den Augen verlieren. Hinter uns liegt ein Rekordjahr - nur schon allein mit Transfererlösen generierten wir 61 Millionen Franken, eine unglaubliche Zahl! Aber man muss realistisch bleiben: Solche Transfererlöse sind nicht jedes Jahr möglich."

Muss der FCB sparen?

"Das habe ich so nicht gesagt. Unsere Ansprüche bleiben hoch, aber es ist nicht nötig, 25 Nationalspieler im Kader zu haben. Wir revidieren unsere Ziele nicht, nur müssen wir den Mut haben, hart zu kalkulieren."

Und 2018 verliert die Schweizer Liga ihren fixen Champions-League-Platz.

"Die Champions League war für uns in den letzten Jahren in verschiedener Hinsicht Gold wert - hohe Einnahmen, ein interessantes Schaufenster für ambitionierte ausländische Spieler. Einer wie Mohamed Salah (neu bei Liverpool) wäre ohne diese Bühne doch nie zum FCB gewechselt. Die Umwälzungen im europäischen Wettbewerb vereinfachen die Planungen nicht." (sda)

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