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Super League

Als Martin Weber daran zu glauben begann

Die Meistersaison 1985/86 ist die letzte brillante Saison der Young Boys. Vor allem der Frühling 1986 ist brillant. Der Herbst 1985 ist es heute wohl nur in der verklärten Erinnerung der Fans.
YB-Triumph im alten Wankdorf. Hier nach dem Cupsieg 1987: mit dem Pokal Martin Weber (vorne) und Jean-Marie Conz
Bild: KEYSTONE/STR

Der damalige Duracell-Verteidiger Martin Weber, der beständigste YB-Spieler jener Zeit, erinnert sich lebhaft.

Dieser Tage stehen die Young Boys vor einem Meistertitel, der einem Start-Ziel-Sieg gleicht. Es begann mit dem 2:0 gegen Double-Gewinner Basel, und seit der 7. Runde ist YB permanent Leader.

Wie viel anders war es doch 1985/86. In jener Saison floss viel Wasser die Aare hinunter, bis der erste Meistertitel der Young Boys seit 1960 nach dem denkwürdigen 4:1-Sieg in Neuenburg gegen Neuchâtel Xamax am Samstagabend des 24. Mai 1986 feststand.

Früh in der Saison spielte YB nach drei Remis und einem Sieg daheim gegen das zähe Wettingen. In der 89. Minute erzielte Martin Weber das 2:1. Der Schiedsrichter sah als Einziger ein Foul des Torschützen. Selbst Weber, für seine Redlichkeit geschätzt, sagte nach dem Match, er habe nicht gefoult. Die YB-Spieler belagerten Schiedsrichter Tagliabue, nur der Captain Jean-Marie Conz nicht. Er war damit beschäftigt, seine Leute vor gelben und roten Karten zu bewahren. Vier Minuten lang wurde nur palavert.

Die Proteste beeindruckten den Unparteiischen offensichtlich, wie sich noch zeigte. In der 93. Minute fing Wettingens Goalie Brügger eine Flanke im Fünfmeterraum. YB-Stürmer Stefan Bützer rannte wie in Verrückter auf Brügger zu und bedrängte diesen. Der Schiedsrichter hätte Wettingen einen Freistoss zugestehen müssen. Brügger streckte den Arm, um sich Bützer vom Leib zu halten. Bützer fiel, wie vom Blitz getroffen, rückwärts zu Boden. Es gab einen Penalty, den Georges Bregy verwertete. Es war das vom Schiedsrichter mit Verspätung sanktionierte 2:1. Und es war ein zusätzlicher Punkt, der neun Monate später Gold wert war.

Für den Rest des Herbstes pendelte YB zwischen Sieg, Unentschieden und Niederlage. In den letzten Wochen vor der Winterpause deutete nichts auf eine besondere Saison hin. Im Cup-Achtelfinal in Zürich gegen GC traf Lars Lunde zweimal. Das nützte nichts, weil Mats Gren in seinem allerersten Spiel in der Schweiz viermal traf. GC - YB 5:2, hiess es am Schluss. Weber war Grens Gegenspieler gewesen. Heute fasst Weber das Erlebnis in einem knappen Satz zusammen: "Es war der Horror."

Der Horror breitete sich am darauffolgenden Wochenende auf die ganze Mannschaft aus. Baden war im Wankdorf zu Gast. Weber erinnert sich: "Es regnete, es war kalt, es hatte fast keine Zuschauer. Wir spielten hundsmiserabel." Baden gewann 1:0. Es war Badens erster und einziger Sieg der Saison. Die Aargauer flogen zuletzt mit 8 Punkten aus 30 Spielen hochkant aus der Liga. Weber: "Ich hätte keinem geglaubt, der mir damals den Meistertitel vorausgesagt hätte."

Der Carchauffeur aus Schweden

Es fehlte etwas, das die ziemlich gute zur sehr guten Mannschaft machte. Der Mosaikstein wurde in der Winterpause in Form von Robert Prytz verpflichtet. Prytz wäre mit noch so viel Training nie ein schmaler Wurf geworden. Als er im Januar beim Hallenturnier in Genf zur Mannschaft stiess, war der Schwede überdies untertrainiert. Martin Weber erwähnt heute mit einem Schmunzeln die Zeilen, die damals im "Bund" standen. Sportjournalist Charles Beuret hatte Prytz vor der Vernets-Halle aus dem Car steigen sehen. Beuret schrieb hierauf, er habe Prytz zuerst für den Chauffeur der Berner&Wanzenried Transporte AG gehalten.

Die Young Boys begannen die Rückrunde mit einem fitten Prytz und zwei klaren Siegen. In Basel jedoch mussten sie bös untendurch. Weber: "Wir hatten keine Chance. Basel hätte den Sieg zehnmal verdient." YB kam kaum aus der eigenen Platzhälfte heraus, aber in der letzten Minute zu einem Corner. Corner Prytz, Kopfball Zuffi, 0:1, Schluss.

Conz' unerwartete Mitteilsamkeit

Auf der Heimfahrt von Basel rückte Captain Conz im Car zu Weber und sagte ihm einen bedeutsamen Satz: "Du, Tinu, ich glaube, wir können dieses Jahr Meister werden." Aus dem Mund des sympathischen Irrwischs und Spassvogels Lars Lunde hätten die Worte kaum etwas bedeutet. Aber Libero Conz, der Jurassier, war der vielleicht leiseste Captain der Achtzigerjahre in der NLA. Er war souverän, besonnen und bescheiden. Vor den Journalisten begab er sich für jegliche Prognosen nie aufs Glatteis. Er konnte sagen: "Ja, wir können gewinnen." Der Journalist notierte und musste die Notiz sofort wieder vergassen, wenn Conz nachschob: "Wir können aber auch verlieren." Wenn Conz im Car extra den Sitz wechselte, um Weber diesen Satz zu sagen, musste es etwas bedeuten. Weber: "Diese Worte von Jean-Marie sind mir richtig eingefahren. Von diesem Moment an glaubte ich selber daran, dass es für uns zu machen war."

Tatsächlich liess sich YB von keinem Gegner richtig aufhalten - und schon gar nicht mehr dominieren wie von Basel. Der Motor stotterte kurz während zwei aufeinanderfolgenden Unentschieden gegen Lausanne und beim nach wie vor zähen Wettingen, lief die übrige Zeit aber tadellos. Auch beim legendären 3:0 gegen GC. Alle Tore fielen nach der Pause, das 1:0 erzielte Weber. "Dieses Spiel kann man nie vergessen", sagt der Seeländer heute. An jenem Schlechtwettersamstag kamen 33'000 ins Wankdorf. Solange das heutige Stade de Suisse noch steht, kann es eine solche Kulisse in Bern nicht mehr geben.

Martin Weber - die Beständigkeit selbst

In der Vereinsgeschichte der Young Boys ist Martin Weber, geboren am 24. Oktober 1957, eine Identifikationsfigur. Oft wird er als YB-Urgestein bezeichnet. Ganz korrekt ist das nicht. Der Klub wollte den damals 18-Jährigen 1975 vom Zweitligisten Aarberg nach Bern holen. Aber die Eltern legten das Veto ein. Die Berufslehre ging vor. Ab 1976 spielte er drei Saisons für den FC Biel in der NLB.

Im Frühling 1979 klopfte YB noch einmal bei Webers in Bargen bei Aarberg an. Die Zweierdelegation war hochrangig: Sportchef Karl Odermatt, Trainer Timo Konietzka. Webers sagten diesmal zu, und Konietzka bewies, dass ihm der junge Verteidiger etwas bedeutete. Vom ersten Spiel an setzte er ihn in die Startformation.

Als Weber seine Karriere 1995 beendete, hatten sich 499 Einsätze allein in der NLA zusammengeläppert. Cupspiele, Europacupspiele und die 28 Einsätze in der Nationalmannschaft nicht mitgezählt. Es hätten maximal 501 Meisterschaftsspiele sein können, aber zweimal musste Weber zuschauen, weil er nach Verwarnungen gesperrt war. Krank oder verletzt war er in den 16 Jahren nie.

Bernard Challandes war in Webers letzter Saison der einzige Trainer, der Weber nicht in die Startformation stellte. Und dies auch nur einmal. In jenem Match wurde Weber recht früh eingewechselt. Wer ihn ein YB-Urgestein nennt, hat trotz allem nicht ganz unrecht. (sda)

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