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Schweizer Cup

"Ich möchte nicht der Hero von Bern sein"

Am Tag nach dem schmerzhaften 1:4 im Cupfinal gegen Lugano und den teilweise heiklen Vorfällen im Zuschauersektor spricht St. Gallens Präsident Matthias Hüppi im Interview über seine Gefühlslage.
Bild: Keystone/GIAN EHRENZELLER

Herr Hüppi, hinter Ihnen liegt ein aufwühlender Sonntag.

Matthias Hüppi: "Es war in der Tat sehr eindrücklich und aufwühlend. Ich bin am Sonntag schon frühmorgens in das grünweisse Meer eingetaucht und spazierte mit den Fans vom Bahnhof zum Stadion. Die Leute schätzten es sehr, dass ich mich nicht in irgendeiner Limousine zum Spielort chauffieren liess, sondern alles vor Ort aufsog. Dazu musste mich allerdings niemand überreden, ich war gern Teil dieser grünweissen Völkerwanderung, die nach meiner Beurteilung absolut friedlich und fröhlich vonstattenging."

Der finalen Enttäuschung zum Trotz - der FCSG bewegt die Massen.

"Wir werden schon länger intensiv unterstützt. Über 10'000 besitzen ein Saison-Abo. Das Vertrauen freut uns enorm. Und genau das bekamen wir auch in Bern zu spüren. Quer durch die Ostschweizer Bevölkerung hindurch - ganze Familien, viele Jugendliche aber auch ältere Semester waren zugegen. Das bewegt mich, das ist der Antrieb unserer Crew, das entspricht auch unserer Art, wie wir kommunizieren und auf Menschen zugehen. Dieses Vertrauen haben wir aufgebaut. Deshalb tut eine solche Niederlage doppelt weh; wir sind kein künstliches Produkt, wir sind ein Verein, der für ein Höchstmass an Transparenz und auch Volksnähe steht."

Wie tief sind die Furchen?

"Tief, logisch. Wir wollten unsere Fans unbedingt mit einer Trophäe beschenken. Das hat nicht funktioniert - auch weil der FC Lugano sehr gut spielte und mit einer erfahrenen Mannschaft nahezu alles richtig machte, derweil wir uns in wichtigen Phasen einige Fehler zu viel leisteten. Das gilt es zu respektieren. Aber etwas verspreche ich: Wir kommen zurück!"

Ihr Verein hat mit der zweiten Finalteilnahme Aussergewöhnliches geschafft, aber eben auch zweimal in Folge verloren. Wie haben Sie die Protagonisten wahrgenommen?

"Es tut richtig, richtig weh, keine Frage. Wichtig wird sein, jedem auch den nötigen Raum und die Zeit zu lassen, mit diesem Rückschlag richtig umgehen zu können. Nach einer selbstkritischen Analyse muss es weitergehen. Ich baue darauf, dass wir wieder aufstehen, uns wieder sammeln, den Energieverschleiss der letzten Monate unter Kontrolle bringen. Eine zu grosse Negativität lasse ich nicht zu, der Weg geht weiter."

Sie haben bereits wieder das grosse Bild im Kopf - dank vielen positiven Reaktionen?

"Ich selber habe viele ermutigende und motivierende Botschaften erhalten, die aber natürlich vor allem auch im Zusammenhang mit den Ereignissen nach dem Spiel stehen."

Sie sprechen Ihre couragierte Aktion gegen St. Galler Hooligans an.

"Diese Intervention am Schluss war nötig, sonst wäre die Situation leider wohl eskaliert. Es war eine kleine Gruppe von Gewaltbereiten, die mich zum sofortigen Eingreifen zwang, obwohl ich gedanklich dabei war, den Trainer und unsere Spieler zu trösten. Gleich beginnen mit Aufbauarbeit, war meine Devise. Aber dann realisierte ich, was sich anbahnte.

Für Sie war sofort klar, dass Sie an vorderster Front intervenieren müssen?

"Im gestreckten Galopp überwand ich alle Abschrankungen. Für mich gab es keine Zweifel: Diese aggressiven und destruktiven Typen musst du jetzt stoppen, sonst passiert etwas. Dank des generell konstruktiven und auf gegenseitigem Vertrauen basierenden Dialogs mit dem Grossteil der offenen Kurvenszene bekam ich auch mit Hilfe von engagierten Kräften aus dem Fansektor die Situation ziemlich rasch unter Kontrolle. Es gelang mir, unter ungemütlichen Begleitumständen den richtigen Ton zu finden und zu ihrem Abzug beizutragen. Ich brauche dafür keinen Applaus; es ist meine Pflicht. Ich möchte nicht der Hero von Bern sein, aber der Support so vieler Fans tut in dieser Situation gut - das Ganze kostete gewaltig Energie."

Gestern Abend stand das Image eines ganzen Klubs auf dem Spiel.

"Wäre es ausgeartet, hätte ich in der Nacht wohl keine Sekunde geschlafen. Da steckt unglaublich viel drin, weil ich mich mit Leib und Seele für diesen Klub und damit auch für seine Fans einsetze, die persönliche Betroffenheit ist gross. Aber es geht auch um übergeordnete Themen und die Zukunft in diesem viel diskutierten Thema. Vieles ist auf dem Prüfstand, und der überwiegende Teil der Fans ist sich dessen voll bewusst. Klar ist auch: Ich trage Verantwortung und lasse es nicht zu, dass sich jemand über den Klub stellt, unsere Werte buchstäblich mit Füssen tritt und immensen Schaden anrichtet." (sda)

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