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National League

Genoni über die Zukunft des Schweizer Hockey

Leonardo Genoni, Goalie des EV Zug und der Schweizer Nationalmannschaft, macht sich viele Gedanken über die Zukunft des Eishockeys. Er fordert in der Krise ein Zusammenstehen aller.
Wohin geht die Reise im Schweizer Eishockey? Zug-Goalie Leonardo Genoni plädiert für ein Zusammenstehen aller Beteiligten, damit keine Klubs in Schieflage geraten
Bild: KEYSTONE/URS FLUEELER

0,4? Die Zahl sagt Leonardo Genoni auf Anhieb nichts. 0,4 Sekunden? "Ah ja, was war das, der Viertelfinal an der WM?" Das unglückliche Aus vor einem Jahr, als Kanada eben diese 0,4 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit im WM-Viertelfinal ausglich, beschäftigt Genoni offensichtlich nicht mehr. "Daran habe ich schon länger nicht mehr gedacht", verrät der 32-jährige Zürcher im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Viel mehr Gedanken macht sich der Erfolgsgoalie mit einem Master-Abschluss in Betriebswirtschaft über die Zukunft des Schweizer Eishockeys. Die Corona-Krise mit den fehlenden Einnahmen aus den Playoffs hat deutlich gezeigt, auf welch fragilem Fundament viele Klubs stehen. "Das Schweizer Hockey hat sich sicher in eine Ecke manövriert, wo man nicht sicher ist, ob das langfristig funktionieren kann", stellt der fünffache Meister (3mal mit dem HC Davos, 2mal mit dem SC Bern) und WM-Silbermedaillengewinner von 2018 fest. "Wie man so in den Medien lesen kann, sind gewisse Akteure nicht so glücklich mit der Situation." Für Genoni ist es entscheidend, dass sich nun alle Parteien zusammensetzen und nach einer Lösung suchen, die "mittel- und langfristig verhebt".

Genoni, der zu den gut Verdienenden in der Branche gehört, sieht dabei durchaus auch sich und seine Berufskollegen in der Verantwortung. "Ich glaube, die Spieler sind offen für Veränderungen", zeigt er sich überzeugt. "Wir wissen selber, dass es nur funktioniert, wenn es für alle stimmt. Man macht niemanden glücklich, wenn man auf Messers Schneide wirtschaften muss. Es darf nicht sein, dass jemand Konkurs geht." Der EV Zug gehört sicher nicht zu den Klubs, die akut vom Konkurs bedroht sind. Dennoch entschieden die Spieler, Trainer und die Geschäftsleitung, ihrem Verein bei den Löhnen entgegenzukommen.

"Der Klub hat sehr offen mit uns kommuniziert", freut sich Genoni. Grundsätzlich missfällt ihm aber, dass im Moment viel über die Medien kommuniziert werde. "Man muss vielleicht mal realisieren, dass wir alle im gleichen Boot sitzen. Das Produkt Eishockey sollte im Zentrum stehen und nicht die eigenen Interessen." Ob und wann im Herbst wieder in die Meisterschaft gestartet werden kann, will Genoni nicht beurteilen. "Es ist nicht an uns Spielern zu sagen, wann wir anfangen sollten. Es muss für den Klub stimmen, die Sponsoren; wir Spieler sind da nur ein kleiner Teil vom ganzen Business." Klar ist aber, dass er Geisterspielen, wie er sie in den letzten beiden Runden der Qualifikation Anfang März erlebte, nicht viel abgewinnen kann. "Wir machen diesen Sport ja auch, um den Fans Freude zu machen. Wenn diese nicht dabei sind, ist das schwierig."

Braungebrannt und mit einem halben grünen Daumen

Freude hat er dafür daran, dass er in dieser Woche nach zwei Monaten Zwangspause wieder ins Eistraining zurückkehren konnte. Vorerst ohne Körperkontakt, doch als Goalie ist das kein grosses Problem. Überhaupt: Genoni sagt von sich, er versuche, allen Situationen etwas Positives abzugewinnen. "Wir haben aktuell viel mehr Coaches um uns herum", stellt er fest. "Es ist fast wie ein 1:1-Training. Davon kannst du sehr profitieren."

Positiv sieht der dreifache Vater auch die Zeit mit der Familie. Er wechselte im letzten Sommer von Meister Bern zum EV Zug und wohnt deshalb wieder in Kilchberg am Zürichsee, wo er aufgewachsen ist. "Es war nicht einfach und wird hoffentlich eine einmalige Zeit bleiben", sagt er über die letzten Wochen. "Ich habe mich aber nie runterziehen lassen. Es war auch eine wunderbare Zeit." Genoni lacht laut. "Lino (Martschini) hat gemeint, ich sei recht braun geworden." Die Erklärung dafür ist einfach. "Wir haben viel im Garten gemacht und verändert. Ich habe jetzt einen halben grünen Daumen."

Absage der Heim-WM tut weh

Mehr als die letztjährige Viertelfinal-Niederlage schmerzen Genoni die Absagen der Heim-WM und der Playoffs, die er erstmals mit Zug bestritten hätte. "Die WM war eine Kampagne, die sich etwa eineinhalb Jahre lang angebahnt hat. Dass sie im letzten Moment abgeblasen wurde, tut extrem weh." Auf der anderen Seite sei es nicht ganz überraschend gekommen, weil ja bereits die Playoffs abgesagt worden waren. "Enttäuschend ist es trotzdem."

Ob es allenfalls 2023 nochmals eine Heim-WM - für Genoni wäre es die erste - gibt, darüber zerbricht er sich nicht den Kopf. "Hoffnung habe ich immer", sagt er, "aber 2020 war ein Meilenstein. Danach musst du dir neue Ziele setzen." Die nächsten zwei Jahre seien ja fix geregelt, und er habe "gelernt, mit der Planung etwas vorsichtig zu sein". Da geht es ihm angesichts der Corona-Krise wie manch anderem. (sda)

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