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Sport

Drehbuch für das Karrierenende steht

Marina Schnider gewann vor kurzem an den Weltmeisterschaften in Südkorea zwei Bronzemedaillen. Nun rüstet sich die 32-jährige Nidwaldnerin für ein letztes, grosses Highlight in ihrer Karriere.
Marina Schnider ist trotz zweimal Bronze mit ihrem Auftritt in Südkorea nicht ganz zufrieden. (Bild: Eveline Beerkircher (Kriens, 20. September 2018))

Stephan Santschi

«Ich dachte, beim Schiessen würde man eins gügelen und sich dann auf den Ranzen legen», soll David Zibung, der langjährige Torhüter des FC Luzern mit einem Grinsen gesagt haben. Und Daniel Fellmann, der ehemalige Handball-Nationalspieler des HC Kriens-Luzern meinte: «Hier ist jeder Schuss wie ein Penalty. Und Penaltys schiesse ich ja kaum.»

Die beiden prominenten Vertreter anderer Sportarten wurden vor Jahren vom Magazin «Schiessen Schweiz» jeweils als sogenannter Stargast interviewt. Hierzu bat man sie an die Luzernerstrasse 94 in Kriens, in ein Schiess- und Sportbekleidungsgeschäft, das im Hinterzimmer über einen zehn Meter langen Schiessstand für Luftgewehre und Luftpistolen verfügt. Zibung und Fellmann versuchten sich dort als Sportschützen und seien mit viel Respekt wieder von dannen gezogen, erzählt Ladenbesitzer Martin Truttmann mit einem Lachen: «Mental und konditionell ist Schiessen auf internationalem Niveau sehr hart.» Dreistellungskämpfe beispielsweise dauern fast drei Stunden.

Schwierige Bedingungen in Südkorea

Eine, die genau weiss, wovon Truttmann spricht, ist Marina Schnider. Zu 80 Prozent ist sie bei ihm als Verkäuferin angestellt, nebenbei betreibt sie Spitzensport mit dem Sport- und dem Luftgewehr. Im Palmarès der 32-jährigen Nidwaldnerin stehen unter anderen neun Einzelerfolge im Europacup, vier Europa-Meistertitel mit dem Team und seit letzter Woche auch zwei Bronzemedaillen im Team an der WM im südkoreanischen Changwon (300 m Dreistellung und liegend). Ganz zufrieden war sie mit dem jüngsten Anlass nicht, «das bin ich nie, wenn ich nicht zuoberst auf dem Podest stehe», erklärt sie. Die Bedingungen seien aber schwierig gewesen, «es windete stark und es war nicht für alle gleich». Zudem habe sie wegen technischer Probleme in der Anlage während eines Wettkampfs die Scheibe wechseln müssen.

Ihre Karriere begann mittlerweile vor genau 20 Jahren, als ihr Vater sie mit in einen Schiesskurs genommen hat. Die Kombination aus Sport, Kopfarbeit und Körperbeherrschung habe sie schnell fasziniert. Aufgewachsen ist Marina Schnider in Buchs SG, dort arbeitete sie auch als Malerin, ehe sie merkte, dass Beruf und Sport auf diese Weise nicht vereinbar sind. «Ich musste oft unbezahlten Urlaub nehmen, finanziell passte das nicht mehr.» Als sie vor drei Jahren bei Truttmann in Kriens zum Kauf einer neuen Schiesshose vorbeischaute, fragte sie mehr im Spass, ob er ihr eine Stelle anbieten könne. Zu ihrer Überraschung überlegte er es sich und gab kurz darauf grünes Licht. Martin Truttmann, heute 74-jährig und 1972 selber als Schütze an Olympia im Einsatz, ist auf die wirtschaftlichen Hürden von Sportlern seiner Art sensibilisiert und gewährt Schnider flexible Arbeitszeiten.

Seither berät sie Kunden, macht Materialbestellungen, erledigt Administratives, hilft in der Schneiderei aus, und wenn der Winter kommt, nutzt sie in der Mittagspause auch mal das Hinterzimmer für eine Trainingseinheit. Wohnhaft mit ihrem Freund Markus Mathis, ebenfalls ein Schütze, ist sie mittlerweile in Ennetbürgen im Kanton Nidwalden, wo sie der LG Nidwalden und den Sportschützen Buochs-Ennetbürgen beigetreten ist.

Schnider gibt Traum von Olympia vorzeitig auf

Nun aber soll bald Schluss sein mit ihrer internationalen Laufbahn, verrät uns Marina Schnider. «Eigentlich sagte ich immer, dass ich bis 2020 weitermachen werde, weil ich auf eine Qualifikation für die Olympischen Spiele hoffte. Da in der Schweiz mittlerweile vier Athleten Vollprofis sind, wird es für die anderen aber noch schwieriger. Für mich macht es keinen Sinn mehr.»

Der Olympiatraum wird sich für Schnider also nicht erfüllen, dafür fasst sie für 2019 ein letztes, grosses Ziel ins Auge: «Ich war noch nie Europameisterin im Einzel mit dem Sportgewehr. Nächstes Jahr an der EM strebe ich über 300 Meter liegend und im Dreistellungsmatch nach dem Sieg.» Doppeltes EM-Gold in nicht-olympischen Disziplinen und dann der Rücktritt? Es wäre das perfekte Drehbuch für ihr Karriereende. Zumal sie dann auch definitiv einen Haken hinter ihre grösste Enttäuschung machen könnte. Letztes Jahr durfte sie nicht an die EM nach Baku, weil der Verband sie anzumelden vergass. «Dabei wäre ich so gut in Form gewesen wie noch nie.»

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